Gottesdienste in Oberwohlsbach und St. Johannis am Sonntag Jubilate - 07.05.2017

Hirtenbild

OWB, St. Johannis

Predigt:
Prädikantin Hantke

"Abschiede"

L Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

G Amen.

Lasst uns miteinander in der Stille um den Segen des Wortes Gottes bitten. 

Der Herr segne Reden und Hören. Amen.

Predigttext (Joh 16,16-23a):

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.

Herr, gib uns ein Wort für unser Herz und ein Herz für dein Wort. Amen.

Die Ankündigung eines Abschiedes:

Ihr werdet mich nicht mehr sehen.

Ich gehe zum Vater.

Aus unserer heutigen Sicht, als Christen, die die Bibel nach Ostern lesen, ist hier wohl gemeint, dass Jesus auf seinen bevorstehenden Tod hinweist. Eine Ankündigung, die erschreckt. Die Aussicht auf einen augenscheinlich endgültigen Abschied.

Abschiede – sie gehören zu unserem Leben: Die erwachsenen Kinder gehen aus dem Haus. Sie beginnen ihr eigenes Leben. Man teilt nicht mehr so viel Zeit miteinander. Eine Freundschaft, eine Partnerschaft, eine Ehe zerbricht. Der Partner, die Eltern, ein liebgewordener Mensch stirbt. Mit Krankheit oder Alter nehmen wir Abschied – von der eigenen Gesundheit, von unserer Leistungsfähigkeit, von der Selbständigkeit. Auch der Verlust des Arbeitsplatzes oder ein Umzug ist ein Abschied. Oder Lebensträume zerplatzen aus den verschiedensten Gründen.

Einige solcher Abschiede haben wir im Laufe unseres Lebens schon erlebt und erlitten, einige werden noch auf uns zukommen. Manch ein Abschied überfällt uns plötzlich und völlig unerwartet. Und manch einer kommt – wie dieser hier für die Jünger – mit Ansage.

Wie mögen die Jünger wohl diese Ankündigung aufgefasst haben? Wie darauf reagiert? Wenn wir an unsere eigenen Abschiede denken, fällt uns sicher ein ganzes Repertoire dazu ein: Wir können es einfach nicht verstehen. Wir haben Angst. Wir sind bestürzt. Große Trauer ergreift uns. Wir wollen es einfach nicht wahrhaben… Den Jüngern ging es damals sicher nicht viel anders als uns; sie damals und wir heute – der Umgang damit ist wohl nicht sehr viel anders.

Weinen, Klagen, Trauern, manchmal sogar Wut – das gehört zum Abschied. Jesus sagt hier nicht zu seinen Jüngern: Ihr dürft nicht trauern. Er stellt es ganz nüchtern fest – ihr werdet weinen und klagen. Wenn wir trauern, dann spüren wir, es fehlt etwas. Da ist eine Leere, wo vorher etwas Wichtiges war. Es tut weh, es schmerzt. Die Welt färbt sich mit einem Grauschleier. 

Den Jüngern stellen sich hier viele Fragen: Was meint Jesus damit? Was heißt: eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet – was meint er? Wir verstehen das nicht – kann es uns einer erklären?

Auch uns stellen sich in unseren Abschieden Fragen: Wie soll es denn weitergehen, jetzt, ohne den geliebten Menschen? Wie schaffe ich das alles? Wie könnte ein neuer Weg nun aussehen? Und oft auch: Warum? Dieses Fragen belastet, aber es gehört dazu, darf sein.

Eine kleine Weile – was für die Jünger zu diesem Zeitpunkt unverständlich war, ist für den nachösterlichen Leser/Hörer mehr oder weniger durchschaubar, logisch: Am dritten Tage auferstanden von den Toten, so bekennen wir es, so wissen wir es vom Osterevangelium her. Die Jünger sehen Jesus wieder. Schon am dritten Tag. An Ostern. Sie werden es erleben, wie Gott der Herr über Leben und Tod, wie Jesus der Sieger über den Tod ist. Sie werden erst das Erschreckende des leeren Grabes erleben und dann dem Auferstandenen selbst begegnen: Er isst mit ihnen. Er geht ein Stück des Weges mit ihnen und erklärt ihnen vieles, wie er es bei den beiden auf dem Weg nach Emmaus tut. Er vergibt die Schuld, wie es Petrus erlebt, dem Jesus nach Ostern verzeiht, dass dieser ihn 3x verleugnet hat und seine Beauftragung erneuert.  Er begegnet dem Zweifelnden mit Verständnis und Liebe, wie es Thomas erfährt.

So können auch wir heute dem Auferstandenen begegnen: In seinem Abendmahl, in seinem Wort, in seiner Vergebung, die uns zugesprochen wird, in Menschen, die uns begleiten, wenn Gott Wege findet, unseren Zweifel zu überwinden. Wir sind in der österlichen Freudenzeit, wir lesen die biblischen Erzählungen von Ostern her. Und hier begegnet uns ein vorösterlicher Text, eine Abschiedsrede Jesu. Das ist eine Spannung. In genau dieser Spannung leben wir: Wir erleben eben immer wieder Abschiede und fragen und rätseln.  Und wir wissen um Ostern, um die Hoffnung, die daraus kommt.

Sie haben am Beginn dieses Gottesdienstes ein Bild bekommen. Ich fotografiere gern – und dieses Motiv hat mich fasziniert:

Da ist das dunkle, scheinbar tote Holz des Baumes. Auf dem Foto erscheint es fast schwarz. Der Stamm und die dicken Äste – sperrig ragen sie ins Bild. Der Baum hatte im Winter alle Blätter verloren. Kein bisschen Grün war mehr zu sehen. Oft ist es in unserem Leben genau so. Der Kummer, die Brüche in unserem Leben, das Abgestorbene fesseln unseren Blick. Es scheint so mächtig. Und doch: Wer genau hinsieht, bemerkt, wie der Baum austreibt, wie Knospen sprießen, aufbrechen, wie das Grün, das Leben sich Bahn bricht. Und hinter der dunklen Astgabel scheint das Licht, die Sonnenstrahlen drängen ins Bild, leuchten auf, bringen die jungen wachsenden Blätter zum Leuchten.

Das erzählt uns unser Glaube, das ist die Hoffnung, die von Ostern her kommt. Dass das Dunkle, dass der Tod und der Abschied nicht das Ende ist. Dass Gott einen Neuanfang schenkt. Schon in diesem Leben. Immer wieder. Wie ein Vorgeschmack auf den großen Neuanfang der Ewigkeit. Die Trauer wird ein Ende haben – und der Dankbarkeit weichen. Versöhnung ist möglich. Neue Perspektiven können sich auftun. Das Leben hat einen – vielleicht neuen – Sinn, auch mit Einschränkungen, nach einer Krankheit z. B. Oft öffnet sich eine ganz unerwartet neue Tür, nachdem eine andere zugeschlagen worden ist. Die seelische Verletzung heilt – neues Vertrauen ist möglich.

Gott kann das Neue, das in uns beginnt, zum Leuchten bringen. Es mag seine Zeit brauchen – die frischen Blätter sind auch nicht sofort da; der Baum braucht auch eine Zeit der Ruhe, bis er neue Kraft hat. Aber dann, wenn die Zeit reif ist, wecken die Sonnenstrahlen die Kraft in ihm.  So mag Gott auch uns immer wieder neu Kraft geben, Neuanfänge ermöglichen.

Das Bild zeigt uns auch etwas von dieser Spannung, in der wir leben: Wir bleiben nicht von Kummer, Schmerz, Angst und Not verschont. Aber seine Ostersonne ist da. Und sie lässt uns neu beginnen. So holt uns Gott aus unseren Tiefen, damit wir leben. 

Auch der Irische Segen, den Sie mit diesem Bild mitbekommen, drückt dies aus, dass wir zwar durch Tiefen gehen, unsere persönlichen Karfreitage erleben, aber auch unser Ostern:

 

Nicht, dass jedes Leid dich verschonen möge,
noch dass dein zukünftiger Weg stets Rosen trage,
keine bittere Träne über deine Wange komme
und kein Schmerz dich quäle –
dies alles wünsche ich dir nicht.

Sondern:
Dass dankbar du allzeit bewahrst
die Erinnerung an gute Tage.
Dass mutig du gehst durch Prüfungen,
auch wenn das Kreuz auf deinen Schultern lastet,
auch wenn das Licht der Hoffnung schwindet.

Was ich dir wünsche:
Dass jede Gabe Gottes in dir wachse,
dass einen Freund du hast,
der deiner Freundschaft wert.
Und dass in Freud und Leid
das Lächeln des menschgewordenen Gotteskindes
dich begleiten möge.

Und – ich möchte ergänzen: Dass die Ostersonne für dich scheinen möge!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

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