Gottesdienste in Oberwohlsbach und in St. Johannis am Karfreitag - 30. März 2018

Bildrechte beim Autor

OWB, St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Nieidhardt

"Vom zerbrechlichen Leben"

Kanzelgruß 

Predigttext: Heb.9, 15.26b-28:

Und darum ist er auch der Mittler des neuen Bundes, auf dass durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
Nun aber, am Ende der Zeiten, ist er ein für alle Mal erschienen, um durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal erscheint er nicht der Sünde wegen, sondern zur Rettung derer, die ihn erwarten. 

(Geflügelter Christus am Kreuz, 14.Jh., Hg Gottesdienstinstitut Nbg) 

Liebe Gemeinde, 

das Leben ist zerbrechlich. Das wird mir, wenn ich das Kreuz auf dieser Bildkarte anschaue, sehr klar. Aus hellem, unglasierten Ton ist das Kreuz gestaltet, Christus in warmen Erdfarben gehalten. Das Lendetuch in einem warmen Rotton. 

Das Leben ist zerbrechlich und ganz heil ist der Gekreuzigte auch nicht mehr. Die linke Hand ist abgeschlagen, die Farbglasur an vielen Stellen beschädigt. Abgeschabt, abgegriffen. Es ist erstaunlich, dass es trotzdem noch erhalten ist, stammt es doch aus dem 14. Jahrhundert. 

Ton ist zerbrechlich. Das kenne ich auch. So manche Tasse ist mir schon aus der Hand gefallen. Manchmal kann man die Scherben wieder zusammenkleben, schön sieht es dann meistens nicht mehr aus, oft ist auch gar nichts mehr zu machen. Wenn es eine Lieblingstasse, vielleicht ein Erinnerungsstück, ein Geschenk war. Das ist ärgerlich. „Hättest du halt besser aufgepasst“ schimpfe ich mit mir oder mit demjenigen der die Tasse fallen ließ. Wer ist schuld? Schnell machen wir einen Schuldigen aus (oder halt die Umstände). Nur: Die Frage nach der Schuld ändert ja nun mal nichts an der kaputten Tasse. 

So zerbrechlich wie Ton ist unser Leben. Eben noch heil, im nächsten Augenbllick kann alles vorbei sein. Und wir stehen, sprichwörtlich, vor einem Scherbenhaufen. Den unserer Ehe, den der Freundschaft, den der Familie……. Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden. Das Kreuz aus Ton zeigt mir: Christus ging diesen Weg, den alles Irdische geht. Christus hat einen zerbrechlichen, irdischen Körper. Wie du und ich. 

Liebe Schwestern, liebe Brüder 

Sünde ist ein anderes Wort für zerbrochene Beziehungen. So irdisch, so zerbrechlich wie unser Leben sind auch unsere Beziehungen untereinander und unsere Beziehung zu Gott. Ja, das stimmt schon: Sünde ist ein anderes Wort für zerbrochene Beziehungen. 

Eine Geschichte aus dem Alten Testament erzählt davon, wie Mose mit den Geboten Gottes, geschrieben auf Ton- bzw. Steintafeln vom Berg Sinai zurückkommt und das Volk einen Tanz um ein goldenes Kalb veranstaltet. Und Mose wirft die Tafeln hin. Sie zerbrechen. Gott bietet einen Bund, eine Verbindung zwischen sich und dem Volk an und im gleichen Augenblick brechen die Menschen die Verbindung zu ihm ab. Warum auch immer. 

Das Leben ist zerbrechlich. Unsere Beziehung zu Gott ist zerbrechlich. Was zwischen Gott und den Menschen zerbrochen ist, nennt die Bibel Sünde. Auch wenn viele Ent-Schuldigungen gesucht werden, auch wenn Schuldige gesucht werden. Was zerbrochen ist wird nicht mehr ganz, nicht mehr heil. Da helfen auch keine goldenen Kälber. Dennoch, ich denke gerade dieses „dennoch“ charakterisiert die Beziehung Gottes zu uns Menschen recht gut. Dennoch, will Gott das Zerbrochene heilen. Gott gibt nicht auf. Er lässt Mose neue Gebotstafeln aus Stein machen. 

Gott will das Zerbrochene heilen. Und heute am Karfreitag wird uns das ganz besonders bewusst. Jesus ist der Mittler zwischen Mensch und Gott. So steht es im Predigttext: Und darum ist er auch der Mittler des neuen Bundes, auf dass durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen. 

Der Autor des Hebräerbriefs findet Worte, neue Worte für das Geschehen am Kreuz. Er fragt nicht nach dem Schuldigen. Er stellt uns vielmehr das „wozu“ vor Augen. Wozu Jesu Tod? Zur Erlösung. Gott macht das zerbrochene wieder Heil. Der Hebräerbrief drück es so aus: „Zur Erlösung von den Übertretungen des ersten Bundes“, damals am Berg Sinai. Gott steht zu seinem Versprechen: Ich will mit euch sein. 

Schauen wir noch einmal auf die Kreuzdarstellung. Wer mag diese Kreuz im Laufe der Jahrhunderte wohl schon in Händen gehabt haben? Es vorsichtig, behutsam, fast zärtlich, vor sich hingelegt hat. Auf den Tisch, auf den Altar, an die Wand. Christus, der Mittler, wie es der Hebräerbrief ausdrückt. Er ist so zerbrechlich, viel zerbrechlicher als die steinernen Gesetzestafeln vom Berg Sinai. 

Nun aber, am Ende der Zeiten, ist er ein für alle Mal erschienen, um durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Jesus zieht das Zerbrechliche an. Das Menschliche, das Irdische, das Zerbrechliche. Christus begibt sich in die Hände der Menschen. Und Gott geht einen zweiten Schritt. Noch einmal entsteht Neues, entsteht eine neue Beziehung, neu! Nicht notdürftig geklebt, gekittet. Neu und unzerbrechlich. „Ein für alle Mal“ sagt der Hebräerbrief. ENDGÜLTIG. 

Gott sei Dank ist dieses Tonkreuz aus dem 14. Jahrhundert nicht zerbrochen. Denn wir sehen darauf etwas vollkommen Ungewöhnliches. Hinter der Christusfigur sind 4 Flügel zu sehen und auch das Lendentuch ist, im gleichen warmen Rotton gestalt hat die Form von 2 Flügeln. Der unbekannte Künstler / die unbekannte Küsterin muss eine Stelle aus dem Jesajabuch gekannt haben. Der Prophet hatte eine Vision von Engeln mit 6 Flügeln: Er sah Gott, den Herrn, sitzen auf einem Thron und über ihm standen und sangen die Serafim / Engel die einander zurufen Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit wird die ganze Erde erfüllt. (Jes,6, 2+3) 

Übersetzt heißt der Name Seraphim „die Brennenden“. Die Seraphim mit den 6 Flügeln haben gewusst, wer da am Kreuz stirbt. Es ist der Sohn Gottes. Wenn das Kreuz zerbricht, wird der Himmel offen sein und sie werden ihn heimbringen zu seinem Thron. Gerettet! Direkt vom Kreuz in den Himmel, so malt der Hebräerbrief uns den Weg Christi vor Augen. Im Augenblick des Zerbrechens wird der Weg frei in den Himmel.
Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen…… 

Die Macht der Sünde ist gebrochen. Der Weg zum Himmel geht über das Kreuz. Scherben bringen Glück, sagt der Volksmund, weil er weiß: das eine zerbricht und anderes wird neu, wird heil. Die Sünde zerbricht am Kreuz, zerbricht mit dem Kreuz, aber der Mensch wird neu. …..zum zweiten Mal erscheint er nicht der Sünde wegen, sondern zur Rettung derer, die ihn erwarten. Die Sünde ist zerbrochen. Die Beziehung zwischen Gott und den Menschen ist geheilt. HEIL geworden. 

Heute am Karfreitag gedenken wir Jesu Tod. Wir feiern aber nicht mehr als die Zerbrochenen, sondern als die Geheilten. Vielleicht ist so manches in uns und zwischen uns zerbrochen, ja. Aber das kann uns nicht mehr von Gott trennen. Wenn ich auf dieses Kreuz schaue, dann spüre ich die Wärme, die davon ausgeht. Die Liebe ist in Ton gebrannt. Zerbrechlich ist der Ton. Aber die Liebe kann keine Macht der Welt mehr brechen. Sünder, Zerbrecher und zerbrochene sind wir Menschen, aber Geheilte sind wir in Christus. 

Das Leben ist zerbrechlich. 

Und am Ende unseres Lebens, so stelle ich mir das vor und so erzählt es uns das Bild des Gekreuzigten mit den 6 Flügeln de Seraphim (der Brennenden), am Ende wird unsere Seele federleicht, die brennenden Engel der Liebe tragen sie zu Gottes Thron. Versöhnt, frei, heil, gerettet – durch Christus, mit Christus. 

AMEN

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