Gottesdienst zur Silbernen Konfirmation - 4. Sonntag nach Trinitatis (13. Juli 2014)

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St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Die entscheidende Entscheidung"

Predigttext (5. Mose 30,14-20)

Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.  Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.  Wenn du gehorchst den Geboten des HERRN, deines Gottes, die ich dir heute gebiete, dass du den HERRN, deinen Gott, liebst und wandelst in seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst, so wirst du leben und dich mehren, und der HERR, dein Gott, wird dich segnen in dem Lande, in das du ziehst, es einzunehmen.  Wendet sich aber dein Herz und du gehorchst nicht, sondern lässt dich verführen, dass du andere Götter anbetest und ihnen dienst,  so verkünde ich euch heute, dass ihr umkommen und nicht lange in dem Lande bleiben werdet, in das du über den Jordan ziehst, es einzunehmen. Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen,  indem ihr den HERRN, euren Gott, liebt und seiner Stimme gehorcht und ihm anhangt. Denn das bedeutet für dich, dass du lebst und alt wirst und wohnen bleibst in dem Lande, das der HERR deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, ihnen zu geben.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Festgemeinde!

In unserem Leben treffen wir immer wieder entscheidende Entscheidungen: Entscheidungen also, die unser ganzes weiteres Leben prägen, und die sich nicht so leicht zurücknehmen lassen.

In diesen Tagen haben viele Schülerinnen und Schüler ihren Quali bestanden: Manche wissen schon sehr genau, welche Ausbildung sie beginnen oder an welche weiterführende Schule sie wechseln werden. Andere sind noch am überlegen: Welches ist der richtige Beruf für mich? Ein Beruf, der mir gefällt, der mir nicht zu langweilig wird. Ein Beruf, den ich mein ganzes Leben ausüben werde und bei dem das Gehalt passt? Das ist so eine entscheidende Entscheidung, die wir in jungen Jahren getroffen haben, und die ihr, liebe Konfis, in nicht allzu langer Zeit treffen müsst.

Und dann natürlich die Partnerwahl: Wobei wir da ja meist nicht vor einer Wahl stehen. Manch einer wartet sehr lange, bis er den Menschen findet, bei dem so richtig Rosamunde-Pilcher-Gefühle aufkommen. Jedenfalls wird trotzdem meist wohlüberlegt und dann entschieden: Wir passen gut zusammen, und können uns ein gemeinsames Leben und gemeinsame Kinder vorstellen. Nicht immer hat man‘s in der Hand, ob die Ehe wirklich glücklich wird. Jedenfalls ist die Entscheidung für einen anderen Menschen auch so eine entscheidende Entscheidung, die das Leben prägt, und hoffentlich zum Guten. Genauso wie die Entscheidung für Kinder. Denn oft geht das ja mit beruflichen Auszeiten der Mutter einher, die nicht jeder gerne in Kauf nimmt. Oder die Entscheidung, ob ein eigenes Haus gebaut werden soll: Da muss man sich über die gewünschte Größe klar werden, Kosten kalkulieren, fragen, ob es überhaupt nötig ist. An einem Kredit zahlt man lange. Manch einer entscheidet sich, lieber doch weiter zur Miete zu wohnen. Es gibt solche entscheidende Entscheidungen, die das weitere Leben beeinflussen: finanziell, emotional, gesundheitlich und auch das eigene Glücksempfinden betreffend.

In unserem heutigen Bibelwort steht das Volk Israel auch vor einer entscheidenden Entscheidung. Das Volk steht nicht an der Schwelle zum Erwachsensein oder zum Berufsleben, sondern an der Schwelle zum Gelobten Land. Gott hat sein Volk aus der ägyptischen Sklaverei befreit. Der großen Streitmacht des Pharao sind sie im Schilfmeer entkommen. Jahrzehntelang war das Volk unterwegs durch die Wüste, hin nach Israel. In dieser Zeit hat Gott sie genährt, behütet und bewahrt. Und ihnen am Berg Sinai seine Gebote gegeben. Und jetzt, jetzt stehen sie endlich am östlichen Ufer des Jordans, vor ihnen breitet sich die neue Heimat aus. An dieser Schwelle zum Gelobten Land, da stellt Mose die Menschen vor eine Entscheidung: eine Entscheidung mit großer Tragweite für den weiteren Verlauf des Lebens.

Hören wir noch einmal die Worte des Mose:

Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.  Wenn du gehorchst den Geboten des HERRN, deines Gottes, die ich dir heute gebiete, dass du den HERRN, deinen Gott, liebst und wandelst in seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst, so wirst du leben und dich mehren, und der HERR, dein Gott, wird dich segnen in dem Lande, in das du ziehst, es einzunehmen.  Wendet sich aber dein Herz und du gehorchst nicht, sondern lässt dich verführen, dass du andere Götter anbetest und ihnen dienst, so verkünde ich euch heute, dass ihr umkommen und nicht lange in dem Lande bleiben werdet, in das du über den Jordan ziehst, es einzunehmen.

Es geht hier um eine Entscheidung zwischen Leben und Tod, zwischen dem Guten und dem Bösen. Ich verstehe Mose hier nicht so, als würde er den Menschen drohen, in etwa so: „Folgt den Geboten Gottes! Wenn ihr es nicht tut, dann werdet ihr in der Hölle landen!“.

Nein, Mose ist keiner, der hier droht. Er umwirbt vielmehr sein Volk, dass sie den Glauben ergreifen und festhalten. Denn Mose weiß: Gott ist einer, der es gut mit seinen Menschen meint, und der möchte dass unser Leben gelingt, dass wir froh und glücklich leben können. Deshalb hat er seine guten Gebote gegeben. Und deshalb schenkt er Tag für Tag seinen Segen. Mose hat aber auch die Erfahrung gemacht: Wer sein Herz nicht Gott zuwendet, dem wird viel von der Kraft des Glaubens und vom Segen entgehen, der wird dann vielleicht auch den ein oder anderen Sturm im Leben nicht so gut verarbeiten, oder einfach eine Tiefe im Leben vermissen.

Darum also ruft Mose das Volk an dieser Schwelle zum Gelobten Land zum Innehalten auf: Geht nicht zu schnell über den Jordan. Macht nochmal Pause. Denkt darüber nach, auf was es wirklich ankommt im Leben. Dann werdet ihr erkennen, wie Gottes Wort euch hilft, dass euer Leben gut wird.

Wenn das wirklich so wäre, liebe Gemeinde, wer würde sich dann gegen ihn entscheiden? Denn ein gutes Leben, das will doch jeder.

Diese Entscheidungen will aber wohl überlegt sein, wie alle entscheidenden Entscheidungen. Machen wir also die Probe aufs Exempel!

Mose legt uns ein Leben mit Gott, mit seinem Wort und seinen Geboten ans Herz. Entnehmen wir seinem Wort doch drei Stichproben und prüfen, ob es dem standhält, was Mose uns verspricht.

Das Dritte Gebot

Ich greife hinein ins Wort Gottes, und stoße da zum Beispiel auf das dritte Gebot: Du sollst den Feiertag heiligen!

Der Feiertag, der 7.Tag der Schöpfung, an dem Gott ruhte und all das betrachtete, was er gemacht hatte. Ein Tag der Ruhe: keine Arbeit, kein Gedanke an die Dinge, die sich auf dem Schreibtisch türmen. Überhaupt einfach die Gedanken loslassen. Einen Tag lang keine Angst vor einem dienstlichen Anruf, der unsere Erholung stört. Ein Tag lang Zeit für die Kinder oder die Eltern. Ein Tag mit Zeit zum Spazieren durch die wunderschöne Natur. Einen Tag lang einfach lesen, Musikhören, nichts tun. Und das ganz bewusst. Wohl dem, der so einen Tag hat. Du sollst den Feiertag heiligen. Gönne Dir Ruhe. Nimm Dir die Zeit, auch wenn‘s Dir schwer fällt. Auch wenn es ein Kampf ist. Schneide sie heraus aus dem, was du tun musst. Für dich selbst, für die Familie. Das dritte Gebot meint es gut mit uns. Es erinnert uns an uns selbst, dass wir nicht auf der Strecke bleiben angesichts dessen, was getan werden muss.

Und es zeigt uns eine Oase, wo wir auftanken können: Der 7.Tag, das ist der Sonntag. Die Glocken rufen in die Kirche. Eine Stunde lang sich hineinfallen lassen in die Gesänge der Gemeinde, die alten Gebete mitsprechen. Den Blick schweifen lassen über die Bilder aus vergangenen Zeiten, die von Heil und Frieden erzählen, während die Sonne durchs Altarfenster einfällt und uns aus dem Osten, dem Heiligen Land uns grüßt. Kontakt bekommen mit unserem Schöpfer. Aus dem Gotteswort einen Impuls fürs eigene Leben mitnehmen. Diese kleine Auszeit am Sontag morgen, diese Zeit mit Gott und der Gemeinde, sie kann uns neue Energie geben, Kraft und Mut, unseren Weg zu gehen.

Ich bin der Meinung: Dieses Gotteswort, das dritte Gebot, hat den Test bestanden: Es hilft uns zum Leben. Es erinnert uns an den Freiraum für uns und die Zeit für Gott. Beides tut gut. Denn wenn ich immer nur meine Pflichten und Aufgaben im Blick habe, sei es beruflich oder privat, da kann schon mal die Puste ausgehen. Da kann sich ein Mensch aufreiben. Gott erinnert und lädt ein: Lass den Feiertag einen besonderen Tag sein! Es wird dir gut tun!

Ich entnehme der Bibel eine zweite Stichprobe, und stoße auf den Wochenspruch für die heute beginnende Woche:

 Einer trage des Anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Galater 6,2)

Auch das ist wahr, und anders geht es nicht: Jeder Mensch hat es einmal nötig, dass einer seine Last mitträgt und trägt. Und jeder hat auch immer wieder die Kraft und die Gelegenheit, die Last eines anderen zu tragen. Deshalb leben wir Menschen in Gemeinschaften: in der Familie, der Nachbarschaft und Kommune, dem Verein, der Kirchengemeinde. Großartig, wo das funktioniert, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Davon profitieren ich und der andere. Gut, dass uns Gottes Wort immer wieder daran erinnert. Die Liebe soll der Maßstab sein für das, wie wir miteinander umgehen. Schrecklich ist es, wenn Christen immer wieder gegeneinander Krieg führen, sei es vor 70 Jahren, als der erste Weltkrieg begann und christliche Staaten aufeinander losgingen, oder sei es heute in der Ukraine, wo Menschen gegeneinander aufgestachelt werden, und der Kampf um Machtsphären sich längst verselbstständigt hat. Einander die Lasten tragen, und nicht um Macht und Einfluss kämpfen. Den anderen neben sich gelten lassen, mit seinen Interessen. Zu Kompromissen finden. Das zeichnet ein Leben als Christ aus. Wenn doch alle etwas mehr in sich gehen würden, Gottes Wort auch in diesem Bereich gelten lassen würden, könnte viel Leid vermieden werden - auf der Welt und im persönlichen Leben. Gottes Wort dient zum Frieden.

Eine dritte Stichprobe will ich der Bibel entnehmen:

Ich lande im Neuen Testament, in den Evangelien, die von Jesus erzählen. Bloß welche Geschichte soll ich da rausgreifen? Da sind so viele Geschichten, jede wie eine Perle: Geschichten, die aufbauen, den rechten Weg weisen, von der Vergebung sprechen, von Wertschätzung, von Heilung. Da sind so viele Geschichten, die Mut machen, die Gott bezeugen, wie er für uns da ist und uns stärkt und stützt. All das bekomme ich nicht von den fremden Göttern, vor denen Mose warnt: Wer den Konsum seinen Gott sein lässt, den Luxus, den Sport oder anderes, der wird das dort nicht finden. Ein „fremder Gott“, das ist für mich das, was Menschen ins Zentrum ihres Lebens stellen, wenn sie sich davon abhängig machen. Konsum und Sport sind Teil des Lebens, aber Gott ist nur einer. Und er ist der, der Mut zum Leben Macht. Das spüre ich hier in den Evangelien auf jeder Seite.

Biblische Texte sind wie Perlen:  Gottes Wort ist ein Schatz, der uns guttut im Leben. Das Volk Israel hat sich entschieden auf der Schwelle zum gelobten Land: Wir wollen mit unserem Gott leben. Wir haben seit unserer Befreiung aus Ägypten so viel mit ihm erlebt und wissen: Mit ihm haben wir eine gute Zukunft.

Ihr, liebe Jubelkonfirmandinnen und Jubelkonfirmanden, habt euch damals auf der Schwelle hin zum Erwachsenensein genauso wie die Israeliten entschieden: ihr habt ja zu eurem Gott gesagt. Ich weiß nicht, was aus eurer Beziehung zu Gott geworden ist. Ob sie eingeschlafen ist, oder ob ihr in regelmäßigem Kontakt zu eurem Gott steht. Heute jedenfalls am Gedenktag eurer Konfirmation ist wieder so ein Zeitpunkt des Innehaltens, wie damals an der Schwelle zum gelobten Land. Wir alle stehen heute an der Schwelle zur Zukunft unseres Lebens, die heute beginnt. Mose wirbt dafür, dass wir uns neu für Gott entscheiden und für sein Wort.

Im Leben passiert vieles, das wir nicht in der Hand haben. Anderes aber können wir steuern Im Leben haben wir so manche entscheidende Entscheidung getroffen. Vielleicht aber ist diese ja die entscheidendste Entscheidung. Ich jedenfalls möchte nicht auf den Glauben verzichten, möchte weiter schöpfen aus der Quelle lebendigen Wassers, möchte mit Gott meine Freude und mein Leid teilen, von ihm her mir den guten Weg zeigen lassen, seine Kraft spüren, und in der von ihm geschenkten Freiheit meine Schritte gehen.

Aus seiner Hand will ich meine Lebenszeit annehmen und sie gestalten. Amen.

Und der Friede Gottes, der unser Denken und Fühlen übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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