Gottesdienst zum Johannistag - 2. Sonntag nach Trinitatis (29. Juni 2014)

Bildrechte beim Autor

St. Johannis,
SWZ Curanum

Predigt:
Pfarrer
Jörg Mahler

 Predigttext: Joh 3, 22-30)

Danach kam Jesus mit seinen Jüngern in das Land Judäa und blieb dort eine Weile mit ihnen und taufte. Johannes aber taufte auch noch in Änon, nahe bei Salim, denn es war da viel Wasser; und sie kamen und ließen sich taufen. Denn Johannes war noch nicht ins Gefängnis geworfen. Da erhob sich ein Streit zwischen den Jüngern des Johannes und einem Juden über die Reinigung. Und sie kamen zu Johannes und sprachen zu ihm: Meister, der bei dir war jenseits des Jordans, von dem du Zeugnis gegeben hast, siehe, der tauft, und jedermann kommt zu ihm. Johannes antwortete und sprach: Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich bin nicht der Christus, sondern vor ihm her gesandt. Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllt. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Unser heutiger Predigttext nimmt uns mit an einen kleinen Fluss im Dörfchen Änon, und mitten hinein in einen Konflikt. Johannes predigt und tauft hier, umgeben von seinen Jüngern. Er muss eine imposante Erscheinung gehabt haben, unter mir auf der Kanzel finden wir eine Darstellung von ihm: ein Naturbursche, mit einem Kamelhaarmantel begleitet. Zu ihm kommen die Menschen, hören seine Predigt, und lassen sich reinwaschen von ihren Sünden. Daher sein Name: Johannes, der Täufer. Soweit, sogut.

Doch plötzlich spricht sich herum, dass nicht weit im Land Juda auch Jesus Jünger um sich schart und beginnt, Menschen zu taufen. Die Jünger des Johannes sind empört und fragen voller Erregung ihren Meister: „Johannes, wie kann das sein, dass Jesus auch tauft? Du warst es doch, der zuerst getauft hat! Du hast die älteren Rechte! Und außerdem kam Jesus zu Dir, und wurde von Dir im Jordan getauft. Und stell Dir vor, es kommen mittlerweile sogar mehr Menschen zu ihm als zu Dir!“.

Und da stehen wir mitten drin in jenem Konflikt. Jesus als Konkurrenz zu Johannes. Das regt die Jünger des Johannes auf. Die spannende Frage: Wie reagiert ihr Meister? Teilt er die Bedenken? Bestimmt erwarten sie, dass Johannes sich von Jesus abgrenzt.

Wer ist er überhaupt, dieser Johannes? Schon die Geschichte seiner Geburt ist ähnlich wunderhaft wie die von Jesus. Seinem Vater, dem Zacharias, erscheint der Engel des Herrn und kündigt ihm an, dass er einen Sohn bekommen wird, mit dem Gott viel vor hat: ein Sohn, der viele Menschen zu Gott bekehren wird. Und den soll er Johannes nennen. Zacharias konnte es kaum glauben, denn er und seine Frau waren schon alt. Da ließ Gott ihn stumm werden, weil er nicht glaubte. Bis zur Geburt seines Sohnes sollte er nicht reden können. Erst als er geboren wurde, da erhielt Zacharias seine Stimme wieder, und stimmte einen großen Lobgesang an.

Als junger Erwachsener begann er dann das zu tun, wozu Gott ihn beauftragt hatte. Er predigte und viele Menschen kamen zu ihm, obwohl seine Worte hart waren: Er rief zur Buße auf! Dazu, die Sünden zu bekennen, das Leben zu ändern!

Wie also reagiert Johannes, als seine Jünger ihm erzählen, wie erfolgreich nun auch Jesus tauft und predigt? Er antwortet ihnen mit drei Sätzen, die auch für unseren Glauben heute große Bedeutung haben.

  1. Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. 

    Johannes verteidigt das Taufwirken Jesu. Wenn Jesus tauft, wenn die Menschen zu ihm kommen, dann ist das ein Zeichen des Himmels: Gott hat Jesus mit seinem Geist begabt, er wirkt in seinem Namen! Denn ohne, dass es ihm vom Himmel gegeben wäre, könnte Jesus nicht in dieser Vollmacht predigen, heilen und Gutes tun.

    Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. Ich übertrage das auf die verschiedenen Kirchen und Konfessionen. Ja, wir unterscheiden uns in so mancher inhaltlicher Position. Dennoch finde ich es traurig, wenn ein Christ über eine andere Kirche schlecht redet, wie es ab und an geschieht. Überall werden Menschen angesprochen durch die Predigt, kommen sie zum Glauben und leben ihren Glauben. Manches an Inhalten scheint uns fragwürdig, bei manchem müssen wir diskutieren oder protestieren. Aber doch werden Menschen zu Jesus geführt, zum lebendigen Wasser, das ins ewige Leben quillt. Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. Wie sich Johannes über das fruchtbare Wirken Jesu freut, können wir uns über das Wirken Gottes in anderen Kirchen und an ganz unterschiedlichen Orten freuen.

    Noch eines fällt mir zu dieser Antwort des Johannes ein. Sie lenkt unseren Blick auch auf unsere eigene Gemeinde, und hilft uns wahrzunehmen, wo bei uns Gott wirkt, was uns der Himmel schenkt. Manchmal sagt jemand: In jener Gemeinde gibt es mehr für die Jugend und da ist dies oder jenes anders. So soll es bei uns auch sein! Es ist gut, für die eigene Gemeinde Träume und Visionen zu haben, und zu versuchen, mit Gottes Hilfe diese Visionen umzusetzen. Aber es ist auch wichtig, die eigenen Stärken zu sehen, den Reichtum, den Gott uns gegeben hat. Heute Nachmittag habe ich bei der Einweihung des neuen Gemeindesaals über diese vielen lebendigen Steine an Menschen, an Gruppen und Kreisen gepredigt, auf die wir stolz und für die wir unserem Gott dankbar sein können. Auch in der Gemeinde dürfen die verschiedenen Gruppen und Menschen nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Vielmehr ist das vielfältige Wirken Gottes ein Grund zur Freude.

    Hören wir noch einmal die zweite Antwort des Johannes:

  2. Ich bin nicht der Christus, sondern vor ihm her gesandt.

Johannes sagt deutlich, welches seine Rolle ist: „Nicht um mich geht es. Ich bin nur der, der vor dem Messias hergeht, um die Menschen auf ihn vorzubereiten. Etwas anderes habe ich, Johannes, nie behauptet.“. Diesen Wegbereiter hatten die Propheten genauso angekündigt wie Jesus selbst. So steht geschrieben beim Propheten Jesaja: „Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg bereiten soll. Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben.“ (Mt 3,3).

Und wer dieser Messias ist, das hat Johannes erkannt, als er Jesus getauft hat. Denn diese Taufe ist ungewöhnlich, anders als die anderen Taufen des Johannes. Schon als er Jesus kommen sieht, weist er die Umstehenden auf ihn hin und sagt vom heiligen Geist inspiriert: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“. Und dann bei der Taufe selbst,  fährt der Heilige Geist auf Jesus herab und es ertönt eine Stimme vom Himmel: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!“. Nach seiner Taufe hat Jesus selbst begonnen, im Namen Gottes zu wirken.

Johannes tritt nun ganz einen Schritt hinter Jesus zurück und überläßt ihm die Bühne und die Ehre. Der Evangelist schreibt, dass Johannes in Ainon nahe bei Salim taufte. Heute tut man sich schwer, diese Orte in Palästina zu lokalisieren. Aber vielleicht geht es bei diesen Ortsnamen nicht so sehr darum, wo sie geographisch liegen. Vielleicht haben sie symbolische Bedeutung haben: Ainon heißt übersetzt »Quelle«, Salim »Heil«. Johannes tauft also an einer Quelle, in der Nähe des Heiles: Das Heil ist dort, wo Jesus Christus wirkt. Johannes tauft in der Nähe dessen, der das Heil ist. Die Ortsangabe gäbe dann schon verschlüsselt an, um was es im Folgenden geht: dass Christus der ist, der das Heil bringt, Johannes aber der vorausgesandte Wegbereiter.

Sich selbst zurücknehmen, um einen anderen groß zu machen. Das können viele Menschen nicht.

Um seinen Realitätssinn und seine Bescheidenheit beneide ich Johannes. In unserer Gesellschaft wollen viele Menschen Macht: Ich denke ganz aktuell an Putin oder den irakischen Präsidenten Dschalal Talabani, der keine Einheitsregierung bilden will, an der die Suniten und Kurden beteiligt sind. In der Politik geht manches um Macht und nicht immer darum, so zu entscheiden, dass es möglichst vielen Menschen in der Stadt oder im Land gut geht.

Auch im Alltag gibt es das, dass der eine Macht über den anderen haben will: in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, manchmal sogar im Freundeskreis. Johannes lehrt uns Bescheidenheit und lenkt den Blick auf das Reich Gottes, an dem wir alle mitgestalten können: Denn wir sind nicht Christus oder Herren über andere, sondern jeder von uns ist ein stückweit wie Johannes vor ihm hergesandt, um in der Welt einen Weg für ihn zu bereiten.

Die dritte Antwort des Johannes:

 3. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. 

Johannes schließt seine Antwort mit einem Bildwort ab: Jesus ist wie die aufsteigende Sonne, er selbst, Johannes, wie der verblassende Mond. Wo das eine Gestirn »wächst«, nimmt das andere ab. Daß er dies sagen kann, ohne jedes Konkurrenzgefühl, ohne Schmerz und Bitterkeit, sondern als Erfüllung seiner eigenen Freude, macht die Größe dieser Gestalt des Johannes aus. Er muss wachsen wie die Sonne, ich muss abnehmen wie der Mond. Auch deshalb liegt das Johannesfest 6 Monate vor dem Geburtstag Jesu: Denn da findet die Sommersonnwende statt (21.Juni; 24. nach julianischem Kalender): und die Sonne erreicht ihren höchsten Stand, nun werden die Tage wieder kürzer. Das Natur-Jahr wird so zum Hinweis auf das Christusjahr. Genau wie an Weihnachten zur Wintersonnwende: Da werden die Tage länger als Symbol für Christus, das Licht Gottes, das über aller Welt aufgeht.

Johannes sieht das Taufwirken Jesu neben dem seinigen nicht als Konkurrenz, sondern als Beginn des Wirkens des Größeren nach ihm und als entsprechendes Zu-Ende-Gehen seines eigenen Wirkens. Seine Zeit ist vorüber.

Er sagt das auch in einem Bild: Der die Braut hat, ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams - nach jüdischer Sitte einer der beiden Brautführer - steht vor der Tür des Brautgemachs und hört den Jubel des Brautpaares von drinnen darüber, daß die Ehe vollzogen wird. Damit ist seine Funktion als Brautführer erloschen. Solcherart ist die Freude, die Johannes jetzt erfährt, wo der, für den er Zeugnis abgelegt hat, mit seinem Wirken begonnen hat.

Auch wir können dieses Wort des Johannes für usn selbst nachsprechen: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. In mir muss Christus wachsen, mein Egoismus muss abnehmen. In mir muss die Hoffnung und Zuversicht Christi  wachsen, meine Angst vor dem Kommenden muss abnehmen. In mir muss der Friede und der Trost Christi wachsen, und alle Unruhe muss abnehmen. In mir muss Zeit für Gebet und Bibel wachsen, die Beschäftigung mit Nichtigem muss abnehmen. In mir muss die Liebe Christi zu allen Menschen in Wort und Tat wachsen, meine Selbstliebe muss abnehmen. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. Das wird mir guttun.

Johannes hat seinen Auftrag zu Ende gebracht. Nun ist es Jesus, der den Menschen das Reich Gottes bringt. Johannes stirbt als Märtyrer: Er hat die Sünden der Menschen kritisiert und zur Buße aufgerufen. Er hat auch den König Herodes Antipas wegen dessen Ehe mit seiner eigenen Schwägerin und Nichte Herodias kritisiert. Das brachte ihm das Gefängnis im Felsenschloß Macharäus ein. Auf Grund einer Weinlaune des Königs auf das Betreiben seiner Frau Herodias. (Mk 6, 14-29 Par) wird er schließlich enthauptet.

Unsere Kirche ist nach ihm benannt, und erinnert an seine segensreiche Botschaft. Für heute mögen uns drei seiner Worte in Erinnerung bleiben und für uns und die Menschen um uns zum Segen werden:

  1. Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist.

  2. Ich bin nicht der Christus, sondern vor ihm her gesandt.

  3. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. 

    Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

nach oben