Gottesdienst zum 1. Advent in St. Johannis am 29.11.2015

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St. Johannis

 Predigt:
Lektor Roland Dier

"Vom Aufwachen"

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater. Lasst uns in der Stille um den Segen des Worte Gottes bitten. Herr segne unser Reden und Hören.
Nein, ich habe mich nicht vertan, als ich das Bild für das Gottesdienstplakat ausgewählt habe. Träumen nicht viele von uns in diesen trüben, kalten und nassen Tagen von Sonne und Wärme, von Frühling oder Sommer? Doch die Wirklichkeit des Alltages weckt uns auf, holt uns zurück aus unseren Träumen. Auch die Predigt für den 1. Advent spricht vom Aufwachen.

Predigttext: Römer 13, 8-14:

Bleibt niemandem etwas schuldig - außer der Liebe, denn die seid ihr einander immer schuldig! Denn wer seinen Mitmenschen liebt, hat das Gesetz schon erfüllt. Dort steht: „Du sollst die Ehe nicht brechen! Du sollst nicht töten! Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht begehren!“ Diese und all die anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: „Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!“ Wer liebt, tut seinem Mitmenschen nichts Böses an. Darum wird durch die Liebe das ganze Gesetz erfüllt. Ihr wisst doch, dass jetzt die Stunde schlägt! Es ist höchste Zeit für euch, aus dem Schlaf aufzuwachen. Denn unsere Rettung ist nahe - näher als damals, als wir zum Glauben kamen. Die Nacht geht zu Ende, der Tag bricht schon an. Lasst uns alles ablegen, was die Dunkelheit mit sich bringt. Lasst uns stattdessen die Waffen anlegen, die das Licht uns verleiht. 

Los aufstehen!
Wie schrecklich ist es am Morgen, schon gar in dieser Jahreszeit wenn es draußen noch dunkel ist, wenn Mutters Stimme an das Ohr des ach so schläfrigen Kindes dringt. Aufstehen, los, du musst in die Schule. Vielleicht will der oder die Kleine gar nicht dort hin. Dorthin, wo er oder sie gestern eine schlechte Note bekam, dorthin wo ihm heute schon die nächste Schulaufgabe droht. Hinaus in die garstige Welt.
Wie schön ist es dagegen hier im warmen Bett, hier eingekuschelt in die warme Decke lässt es sich so schön träumen. Doch die Mutter ruft schon wieder - aufwachen.
Auch unser Predigttext aus dem Römerbrief will uns wecken - herausreißen aus 
unseren Träumen. „Es ist höchste Zeit für euch, aus dem Schlaf aufzuwachen!“ Schluss mit der Träumerei, die uns den Blick auf die Realität dieser Welt verstellt. Die uns träge macht, die uns daran hindert darüber nachzudenken, was sich auf dieser Welt ändern muss.

Doch was kümmert mich die Welt, lasst mir doch meine Träume, was kann ich schon tun? Eine berechtigter Einwand? Nein liebe Gemeinde denn heute ist der erste Advent. Heute beginnt eine neue Zeit. „Unsere Rettung ist nahe! Die Nacht geht zu Ende, der Tag bricht schon an. Lasst uns alles ablegen, was die Dunkelheit mit sich bringt.“

Wenn wir dieser Welt den Advent ansagen, dann wollen wir damit sagen: Es gibt Hoffnung für die Welt! Es gibt Brot für die Welt! Es ist nicht umsonst wenn wir uns aufmachen und versuchen die Dinge zu ändern! Gott kommt in unsere Welt - und sich darauf vorzubereiten, das ist der Weg durch den Advent. Wenn wir die erste Kerze anzünden, ein erstes Positionslicht auf dem Weg nach Weihnachten, (erste Kerze anzünden) eröffnen wir jedes Jahr die Aktion Brot für Welt neu. Das Heil, in dessen Erwartung wir sind, das kommt aber nicht von ganz allein. Es kann sich viel ändern, aber wir müssen es auch wollen. Es liegt auch nicht in „guten alten Zeiten“, nein, die gute Zeit, das ist die, die vor uns liegt. Wenn - ja wenn, wir mittun - und das ist Brot für die Welt - wir können alle ein bisschen mitarbeiten am Heil der Welt. Wir können zuhören, erfahren, lernen wie Menschen woanders leben. Wir können Menschen weltweit teilhaben lassen an dem, was wir haben. Wichtig ist nicht unbedingt das große Geld, der große Schein im Kollektenkorb, sondern unser Wachsein, unsere Aufmerksamkeit, unser Mitgefühl und unser Gebet! „Lasst uns ablegen alles, was die Dunkelheit mit sich bringt. Lasst uns stattdessen die Waffen anlegen, die das Licht uns verleiht.“

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Und hier möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf das Bild lenken, welches auf dem Liedblatt abgedruckt ist. Es zeigt eine Hütte in Indien. In der Hütte leben eine Frau, nennen wir sie Maya, und ihre Kinder. Auf dem Fußboden eine alte Lampe. Sie erhellt den Raum dürftig, die Frau mit dem traurigen Blick, die Kinder, die ernst in die Kamera schauen, das Bild des verstorbenen Mannes und Vaters, das sonst über dem Bett hängt. Auf den ersten Blick auch nicht gerade ein Adventsbild. Und doch gibt es Hoffnung, Hoffnung die wie das Licht der Kerze in der dunklen Hütte, im Leben von Maya aufleuchtet. Maya und viele andere Frauen sind nicht allein, sie bekommen Hilfe. Navdanya ist eine Organisation, die momentan rund 1.000 Familien in 100 Dörfern in der Gegend Indiens unterstützt, in der auch Maya und ihre Kinder leben. „Navdanya“ ist Hindi und bedeutet so viel wie „9 Samen“. Die Organisation unterstützt Witwen von verstorbenen Baumwollbauern, indem sie ihnen Starthilfe beim Anlegen von Gärten gibt. So hat auch Maya in der letzten Zeit einen stattlichen Gemüsegarten angelegt, das Saatgut bekam sie von Navdanya. Jetzt wachsen in Mayas Garten Kurbisse, Bohnen, Chilis und Spinat. Der Speiseplan der Familie ist damit gut bereichert, denn ohne die Ernte aus dem Garten würden die vier hauptsächlich Reis essen. In Schulungen hat Maya außerdem gelernt, ihr eigenes Saatgut aufzubewahren und es auch in die Saatgutbank einzubringen, die von Navdanya gegründet wurde. Die Eigenversorgung aus dem Garten ist für alle wichtig. Die Natur hat unter dem intensiven Baumwollanbau gelitten, der Grundwasserspiegel ist gesunken und es gibt viel Ödnis. Die Gärten der Frauen sind da wie kleine Oasen und die Saatgutbank bewahrt die Vielfalt der Natur und machet sie für alle nutzbar. Und so gibt es immer mehr Oasen in denen traditionelle Sorten von Bohnen, Hirse, Reis und viele bunte Gemüsesorten wachsen. „Die Nacht geht zu Ende – der Tag bricht schon an!“ In Mayas Haus und in ihrem Leben ist ein Licht, so, wie in ihrem Garten viel gutes Gemüse wächst, das sie ernährt. Und wenn Maya, ihre Kinder und viele andere Menschen im Dorf und in der Region wissen, dass sie von weither Unterstützung bekommen - dann ist das ein Positionslicht, das uns auf Weihnachten hinführt – und nicht daran vorbei!

Heute beginnen wir die Lichter aufzustellen, die uns die Position geben. Jetzt ist der Tag - wacht auf und achtet auf die Lichter. Nicht auf die Weihnachtsbeleuchtungen in den Straßen. Sondern auf die draußen in der Welt, die dort aufleuchten wo Menschen geholfen wird.

„Durch die Liebe wird das ganze Gesetz erfüllt.“ Wir können mit der Aktion Brot für die Welt Menschen Zukunft geben, gangbare Wege schaffen. Menschen, die um eine gute Zukunft wissen, können auch anderen Zuwendung geben. Sie werden etwas von dem weitergeben, was sie selbst empfangen haben und müssen nicht neidisch auf andere blicken und auf das, was sie haben oder wie sie leben.

Weil Gott kommt, weil er uns erwartet, darum sind wir frei füreinander. Gottes Zukunft gilt allen und reicht für alle, wie auch die Gaben seiner Schöpfung für alle reichen, wenn wir es nur wollen. Nicht nur in Indien wird Menschen geholfen. Auch die Arbeit in allen anderen Projekten geht weiter. Und wenn für uns als Gemeinde und als Einzelner die Idee von Brot für die Welt zu unserem Leben gehört, dann werden wir jedes Jahr die Lichter wieder neu aufstellen, die rund um den Erdball die Position der Liebe anzeigen. Gott kommt in unsere Welt. Und darum lassen Sie uns die Lichter des Advent hell machen.

Und der Friede unseres Gottes der größer ist als alles was wir vestehen können bewahre unsere Herzen und unsere Sinne.
Amen 

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