Gottesdienst in St. Johannis am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres - Volkstrauertag - 16.11.2014

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 St. Johannis

Predigt:

Diakon Günter Neidhardt

"Verantwortung für den Frieden"

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Liebe Gemeinde,

der Predigttext, der uns für heute vorgeschlagen ist, für den heutigen Volkstrauertag, steht im 2. Kor. 5, 1-10

Paulus schreibt:

1 Wir wissen ja: Wenn das irdische Zelt, in dem wir jetzt leben, nämlich unser Körper, abgebrochen wird, hat Gott eine andere Behausung für uns bereit: ein Haus im Himmel, das nicht von Menschen gebaut ist und das in Ewigkeit bestehen bleibt.

2 Weil wir das wissen, stöhnen wir und sehnen uns danach, mit dieser himmlischen Behausung umkleidet zu werden;

3 denn wir wollen ja nicht nackt dastehen, wenn wir den irdischen Körper ablegen müssen.

4 Ja, wir sind bedrückt und stöhnen, solange wir noch in diesem Körper leben; wir wollen aber nicht von unserem sterblichen Körper befreit werden, sondern in den unvergänglichen Körper hineinschlüpfen. Was an uns vergänglich ist, soll vom Leben verschlungen werden.

5 Wir werden auch an dieses Ziel gelangen, denn Gott selbst hat in uns die Voraussetzung dafür geschaffen: Er hat uns ja schon als Anzahlung auf das ewige Leben seinen Geist gegeben.

6 Deshalb bin ich in jeder Lage zuversichtlich. Ich weiß zwar: Solange ich in diesem Körper lebe, bin ich vom Herrn getrennt.

7 Wir leben ja noch in der Zeit des Glaubens, noch nicht in der Zeit des Schauens.

8 Ich bin aber voller Zuversicht und würde am liebsten sogleich von meinem Körper getrennt und beim Herrn zu Hause sein.

9 Weil ich mich danach sehne, setze ich aber auch alles daran, zu tun, was ihm gefällt, ob ich nun in diesem Körper lebe oder zu Hause bin beim Herrn.

10 Denn wir alle müssen vor Christus erscheinen, wenn er Gericht hält. Dann wird jeder Mensch bekommen, was er verdient, je nachdem, ob er in seinem irdischen Leben Gutes getan hat oder Schlechtes.

Wir beten in der Stille um Gottes Segen für unser Reden und hören.

Amen.

Liebe Gemeinde,

sehnsüchtig blickt Paulus in den Himmel. „Wir stöhnen und sehnen uns danach, mit der himmlischen Behausung umkleidet zu werden“, so schreibt er. Einen Schutzraum göttlicher Gegenwart, abgetrennt von den Tiefen und Unvollkommenheiten unseres Daseins, hier auf dieser Erde.

Er beschreibt, wie vergänglich unser Leben ist und hofft darauf, dass nach dem Tod nicht irgendwie eine Bewahrung oder Verlängerung des diesseitigen Lebens stattfindet. Nein, eine Verwandlung wird stattfinden, so schreibt er. In einem neuen Leib auferstehen (wie mit einem neuen Kleid). Bis dahin bleibt aber dieses seufzen und diese Sehnsucht nach Heil sein.

Bei Trauerfeiern wird manchmal das englische Lied: „Nearer may God to Thee“ gespielt. Auch der deutsche Text drückt diese Sehnsucht nach Heil ganz gut aus. Es heißt da:

„1) Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir!
Drückt mich auch Kummer hier, drohet man mir,
soll doch trotz Kreuz und Pein dies meine Losung sein:
Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir.

3) Geht auch die schmale Bahn aufwärts gar steil,
führt sie doch himmelan zu meinem Heil.
Engel, so licht und schön, winken aus selgen Höhn:
Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir.

5) Ist mir auch ganz verhüllt dein Weg allhier,
wird nur mein Wunsch erfüllt: Näher zu dir!
Schließt dann mein Pilgerlauf, schwing ich mich freudig auf:
Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir.“

Beim Untergang der Titanic soll das Bordorchester dieses Lied gespielt haben. Mit Volldampf ist dieses, als unsinkbar geltendes Schiff in die Katastrophe gefahren. Und dieses „Näher mein Gott zu dir“  klingt in Angesicht tausender Menschen die in dieser Katastrophe, nicht zuletzt menschlicher Hybris (Selbstüberschätzung…) geschuldet starben.

Vielfach wurde das Schicksal der Titanic im Nachhinein als Vorbote des 1. Weltkrieges gedeutet. Und diese Parallelen gibt es ja: Mit Volldampf in die Katastrophe sind auch die damaligen Mächte und politischen Machthaber mit ihren aufgerüsteten Armeen in die Katastrophe gegangen. Die Urkatastrophe Europas und der Welt  wird der1. Weltkrieg oft genannt.

Millionen von Toten, die mit bis dahin unvorstellbarer zerstörerischer Kraft der Waffen grausam ums Leben kamen.

In diesem Jahr (2014) steht das Gedenken an diese Grausamkeiten in Mittelpunkt des Erinnerns. Vor 100 Jahren, 1914 brach dieser Krieg aus.

Es ist bis heute ein Grund für uns, zu seufzen und zu stöhnen, über so viel Schrecken und Tod.

Und, es ist bis heute ein Grund sich nach Frieden, nach Gottes Nähe zu sehnen. „Näher mein Gott zu dir….“. Wie viele Opfer von Krieg und Gewalt und Terror mögen das so, unter stöhnen, gebetet haben:  Gott, nimm mich auf, in deinem Friederich, näher mein Gott zu dir, ganz nah zu dir.

Und wir?

Noch, und das sieht auch Paulus so, sind wir auf dieser Erde, und leben hier, bei aller verständlicher Sehnsucht nach Himmel, in dem wir verwandelt werden. „Wir wandeln im Glauben, nicht im Schauen“ so drückt er das aus.

Wir sehnen uns nach sichtbaren Fortschritten in den Krisen und Kriegsgebieten dieser Welt. Hier, heute. Im Nahen Osten, im Sudan, in Syrien, der Ukraine, in Afghanistan. Wir entdecken zwar immer wieder kleine Schritte auf dem Weg zu mehr Frieden, oft nach zähen und langen Verhandlungen, aber nicht den großen Wurf, die große Verwandlung, den Himmel auf Erden. Das kann müde machen, frustrieren, auf dem Weg zum Frieden.

Ich glaube es ist wichtig, auch die kleinen Schritte auf Weg zu Frieden zu sehen, zu würdigen. Uns auch vor Augen halten,  etwa dass nach zwei Weltkriegen die Völker in Europa aufeinander zugegangen sind. Franzosen, Engländer Polen, das sind längst Freunde geworden. Versöhnung kann gelingen. Ich finde schon, dass die Europäische Union zu recht, 2012   den Friedensnobelpreis bekommen hat.

Und so können wir heute nicht nur Jahreszahlen von Kriegen gedenken (100 Jahre WK 1, 75 Jahre WK 2) sondern wir dürfen auch in diesen Tagen besonders, daran denken, dass vor 25 Jahren die Grenze zwischen Ost und West aufging, welch ein Wunder.

Oder, auch das habe ich erleben können,  wie nach dem schrecklichen Genozid /Völkermord in dem kleinen Land Ruanda 1994 ( In nur 100 Tagen wurden nahezu eine Million Menschen auf brutalste Weise umgebracht ), ehemalige Todfeinde aufeinander zugehen, das Land gemeinsam wieder aufbauen. Versöhnung leben-

Und so kann Paulus auch schreiben: „Wir sind in jeder Lage zuversichtlich“, in der Übersetzung von Luther heißt es „wir sind getrost). Wir Christen sind, ja so kann man das sagen, irgend etwas zwischen Himmel und Erde.

Wir wissen vom Himmel und sind dennoch fest verwurzelt auf der Erde. Wir Christenmenschen leben in diesem Zwischenraum.

Wir dürfen uns nicht zufrieden geben mit dem was ist, uns aber auch nicht damit überheben, den Himmel auf Erde in seiner ganzen Fülle schaffen zu können. (Solche Versuche gab es ja schon genug. Sie führten zu Totalitarismus und zu Millionen von Toten.)

Der Zwischenraum, zwischen Himmel und Erde hält die Zukunft offen. Getrost sein, zuversichtlich sein, das heißt dann, alles zum Frieden zu tun, was in unserer Kraft steht und darauf hoffen, das Gott noch mehr tun und schenken kann, als das was in unserer Macht steht.

Und dann und darum verweist uns Paulus weiter auf den Richterstuhl Gottes, vor dem wir uns einst verantworten müssen. Es geht dabei aber nicht, ganz sicher nicht, um eine Aufzählung und Abwägung unsere guten Werke. Nein getrost sein, zuversichtlich sein: Wer aus der Kraft des  Glaubens lebt, will Gott gefallen, nicht um ihn gnädig zu stimmen, sondern um ihm die Ehre zu geben.  Es ist eine Ehre für uns, vor seinen Richterstuhl treten zu dürfen. Es ist ein Zeichen seiner Güte, dass er uns beachtet in dem was wir tun oder lassen.

Trotzdem nochmal: Natürlich haben wir eine Verantwortung für diese Welt und für den Frieden auf dieser Welt. Aber, wir haben uns in unserem Bemühen um Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung nicht vor der (manchmal unbarmherzigen) menschlichen Gerichtsbarkeit zu verantworten.

Wir tragen Verantwortung und verantworten uns vor Gott unserem Schöpfer, der in Jesus Christus Anwalt, Verteidiger und Fürsprecher gleich selbst mitbringt.

Der mir die Freiheit gibt, auch immer wieder neu anzufangen. Der meine dunklen Seiten vom Licht seiner Gnade bescheinen lässt. Und in diesem Licht können wir unsere Vergangenheit betrachten und aus der Geschichte lernen.

Und so können wir auch singen:

„Lass uns deine Herrlichkeit, sehen auch in dieser Zeit und mit unsrer kleinen Kraft suchen, was den Frieden schafft. Erbarm Dich. Herr.

AMEN

„Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.“ Amen

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