Gottesdienst in St. Johannis - 22.01.2017 (3. Sonntag nach Epiphanias)

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St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Dunkelheit und Licht"

Predigttext: Johannes 4,46-54

Liebe Gemeinde, 

manchmal muss es richtig schnell gehen. Eine schwere, plötzliche schwere Erkrankung. Ein Unfall. Es geht um Leben und Tod. Die Angehörigen sind in großer Sorge. Der Notarzt kommt, alles Menschenmögliche wird getan um Leben zu retten. Was für eine Erleichterung, wenn das Schlimmste überstanden ist. Wenn es wieder aufwärts geht. Wenn Licht am Ende des Tunnels sichtbar wird. 

Vielleicht haben sie so eine Situation schon erlebt. Vielleicht weniger dramatisch. Dann, wenn wir vor einer schwierigen Entscheidung stehen und sich endlich ein verheißungsvoller Ausweg auftut. Oder dann, wenn mal etwas gründlich schief gegangen ist und wir nach vielen Schwierigkeiten wieder aufatmen können. Wenn wir wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. 

Es sind Erfahrungen, die sich auch in unserem Glaubensbekenntnis wiederspiegeln, so wie wir es in jedem Gottesdienst gemeinsam sprechen. Von Christus heißt es, er ist „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ und „am dritten Tage auferstanden von den Toten.“ 

Dunkelheit und Licht. 

Jesus geht den Weg nach ganz unten. Er ist dort, wo wir manchmal auch sind. Wenn es um Leben und Tod geht oder eben um scheinbar aussichtslose Lebenslagen. 

Aber Christus, so bekennen wir, ist auferstanden. Er ist nicht im Tod geblieben. Gott hat ihn von ganz unten ins Leben zurückkehren lassen. Und er geht mit uns, auch durch die Dunkelheiten. Deshalb ist diese Hoffnung real, sie Sie bleibt uns. Sie ist eine Kraft, stärker als alles. Die Hoffnung stirbt auch nicht zuletzt, wie es uns diese Redensart nahe legt. 

Diese Erfahrung wird auch einem Mann zuteil, von dem unser Predigttext heute erzählt. Er hat es in seinem Leben zu etwas gebracht. „Königlicher Beamter“ darf er sich nennen. Aber er ist vor allem Vater. Er liebt seinen Sohn. Der aber ist sehr krank. Es geht um Leben und Tod. 

Der besorgte Mann kommt in seiner Not zu Jesus. Er bittet ihn, herabzukommen (hinab zus teigen) von Kana nach Kapernaum, von der Höhe in die Tiefe. Vielleicht hat er erwartet, dass Jesus ihn in seinem Schmerz begleitet. Aber Jesus schickt ihn ganz allein auf einen langen Weg. Hören wir selbst. Ich lese aus dem Johannesevangelium im 4. Kapitel (die Verse 46 bis 54):

Jesus kam abermals nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte. Und es war ein Mann im Dienst des Königs; dessen Sohn lag krank in Kapernaum. Dieser hörte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, und ging hin zu ihm und bat ihn, herabzukommen und seinem Sohn zu helfen; denn der war todkrank. Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Der Mann sprach zu ihm: Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt! Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin. Und während er hinabging, begegneten ihm seine Knechte und sagten: Dein Kind lebt. Da erforschte er von ihnen die Stunde, in der es besser mit ihm geworden war. Und sie antworteten ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber. Da merkte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause. 

Das ist nun das zweite Zeichen, das Jesus tat, als er aus Judäa nach Galiläa kam. 

Ja, es geht um Leben und Tod. Ich denke wir können nachempfinden wie diesem Vater geht. Wenn das Leben nur noch von einem beherrscht wird: Von der Sorge um das Leben des Kindes. Wo ist da die Hoffnung? Wo ist der Arzt der ein Wunder vollbringen kann. An jeden Strohhalm klammert er sich. 

Und da ist Hoffnung, Der Vater hat von Jesus gehört. Die Nachricht, wie dieser Hochzeitsgast in Kana auf wundersame Weise das Fest gerettet hat, ist auch nach Kapernaum gedrungen. Sollte dieser, wie man hört, von Gott Begnadete nicht vielleicht auch ein Menschenleben retten können? 

Aber Jesus bereitet dem königlichen Beamten keinen liebevollen Empfang. Direkt schroff fährt er ihn an: 

„Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht."

Vielleicht hat Jesus gar nicht den besorgten Vater gemeint. 

Er sagt „ihr“, nicht „du“. Jesus hat wohl auch die Umstehenden im Blick, die vielleicht „live“ miterleben möchten, was als Schlagzeile am nächsten Tag in der Zeitung steht. Ich denke, Jesus meint eher die Sensationshungrigen und nicht den Vater in seiner Not. 

 Jesus meint die Hörer dieser Geschichte und meint damit auch uns. 

Er fragt jenen Vater und uns heute, wie ernst uns unser Glaube ist. Unser Glaube, unabhängig von Sensationen, unabhängig vom Spektakel. Unser Glaube der sich so im täglichen Kleinklein eben auch bewähren soll. Nicht nur in den religiösen Highlights, den hohen kirchlichen Festen. „Schwarzbrot-Spiritualität“ so hat das der Theologieprofessor Fulbert Steffensky einmal formuliert. 

Und dann noch was: Natürlich, wir sind alle Kinder unserer Zeit. Krankheiten so etwas wie lästige Betriebsstörungen sind. Wir tun alles, damit sie schnell behoben werden und das Leben weitergehen kann. Die enormen Fortschritte der Medizin haben in uns die Erwartung genährt, dass man immer noch etwas tun kann. Ärzte sind für uns der Inbegriff der Hoffnung. Aber die Erfahrung zeigt uns, dass auch die Medizin an Grenzen stoßen kann. 

Für die Bibel ist es selbstverständlich: 

Wir sind mehr als unsere Laborwerte. Leben, das ist Beziehung, zu unseren Mitmenschen und zu unserem Gott. 

Unser ganzes Leben hat mit Gott zu tun. Gesundheit und Krankheit, Jugend und Alter, Erfolg und Niederlage, Auf und Ab – alles weist auf Gott. 

Er ist es, der helfen kann, auch dann noch, wenn alle menschliche Heilkunst nicht mehr weiter weiß: 

Ich bin der Herr, dein Arzt (2. Mo. 15,26), so sagt es Gott dem Volk Israel in der Wüste zu. Er ist es, der unsere Beziehungen zu ihm zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen heil machen kann. Schließlich sendet er Jesus, seinen Sohn, als Zeichen dafür, dass wir berufen sind, ganz zu werden, heil zu werden im tiefsten Sinn. 

Ob diese Überlegungen dem Vater des todkranken Kindes wohl geholfen haben werden? Wohl er nicht. 

Und Jesus ist es auch nicht, der den Mann bepredigt. Ich denke in der Begegnung mit Jesus spürt jeder selbst was jetzt Sache ist. 

Es sind ja nur wenige Worte die da gewechselt werden: 

Herr, komm herab (!), mein Sohn stirbt ! Steig hinab in das Reich des Todes. 

Und Jesu Antwort: „Geh hin, dein Sohn lebt!“ Den Leuten wird keine Sensation geboten, und der Vater macht sich allein auf den Rückweg, hinunter von Kana nach Kapernaum am Se Genezareth. 

Wie wird er wohl gegangen sein? Zweifelnd? Hoffend? Jesus mutet dem Mann einiges zu. Geduld, Angst, Er schickt ihn los, nur mit seinem Wort. Nur mit einem großen Versprechen: „Dein Sohn lebt“ 

Jesus setzt der Verzweiflung des drohenden Todes die Botschaft des Lebens entgegen. 

„Hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten“. Für dieses Kind, für uns alle. 

Und so geht der Mann den Weg. Er hält sich fest am Wort Jesu. Das Wort Jesu, das Leben verheißt. Und so eröffnet doch auch der Evangelist Johannes, der von dieser Heilungsgeschichte berichtet, sein Evangelium: Im Anfang war das Wort…..und Gott war das Wort. 

Der Vater des todkranken Kindes geht seinen Weg nicht mit leeren Händen. Er geht mit dem Wort Jesu, er geht mit dem Wort Gottes. 

„Und während er, der königliche Beamte hinabging, kamen ihm seine Knechte entgegen und sagten, riefen, schrien, jubelten: „Dein Kind lebt“. 

Er hat den weiten Weg durchgehalten. Er hat sich festgemacht am Wort Jesu. Das ist das Wort, das in der Bibel Macht und Ereignis bedeutet – und Leben. 

Johannes eröffnet damit sein Evangelium: 

Im Anfang war das Wort … und Gott war das Wort. 

Das bedeutet: Der Vater des todkranken Kindes geht seinen Weg nicht mit leeren Händen. Er geht mit dem Wort Jesu. Er geht mit dem Wort Gottes. Er hält sich daran. Er glaubt. 

Unterwegs begegnen ihm seine Diener. In der Lutherbibel steht schlicht: Sie sagten: Dein Kind lebt. 

Eine andere Handschrift des Neue Testaments lässt sie ihre frohe Nachricht verkünden – wie Engel. 

Die sind auch uns schon begegnet: Der Arzt mit einer guten Botschaft. Das Wort, das endlich Frieden stiftet. Der Ausweg, den uns ein Mensch eröffnet. Die mutige Tat zur rechten Zeit am richtigen Ort. 

Dahinter stehen auch heute gleichsam Engel in Menschengestalt. 

Sie sind Boten des lebendigen, des auferstandenen Christus. 

Sie öffnen die Tür zum Leben. 

Auch die Wundertaten Jesu sind Botschaft von Gott. Zeichen nennt sie der Evangelist Johannes. Sie weisen über uns und unsere Welt hinaus. Dort verstummen Leid, Schmerz und Tod. Das Leben behält den Sieg. Das gilt auch dann, wenn es irgendwann einmal nicht mehr heißen kann Dein Sohn lebt! oder „Du lebst!“ 

Dann öffnet sich das Leben für uns hinein in den weiten Raum von Gottes Ewigkeit. Dort ist uns Leben in Fülle verheißen. Amen.

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