Gottesdienst in St. Johannis -15.01.2016 (2. Sonntag nach Epiphanias)

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St. Johannis, Predigt: 

Diakon Günter Neidhardt

"Gott überrascht Menschen"

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Predigttext: Ex 33,17b-23

(Der Herr sprach zu Mose) …..du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!  Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des HERRN vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

- Bitten wir in der Stille um Gottes Segen für sein Wort.

- Herr segne unser Reden und Hören. Amen

Liebe Schwestern liebe Brüder,

Gott überrascht Mose. Lange sind die beiden ja schon eng miteinander unterwegs, eng miteinander verbunden. Sooft hielten sie Zwiesprache, seit dem Aufbruch aus Ägypten. So viele Wundertaten hat Mose erlebt.

Gott überrascht Mose.

Er nennt ihm seinen Namen: Damals, bei ihrer ersten Begegnung, als Gott dem Mose im brennenden Dornbusch erschien, damals als Gott Mose beauftragte, das Volk Israel aus der Knechtschaft in Ägypten zu führen. Damals  hat Mose Gott gefragt, bei welchem Namen die Menschen Gott nennen sollen. Die Antwort war schon rätselhaft genug. So sehr, dass wir bis heute nicht recht wissen, wie wir den Namen übersetzen sollen. Ich bin, der ich bin. Ich werde sein, der ich sein werde. Ich bin für euch da. Ich bin der, als der ich mich zeigen werde. Unsere jüdischen Geschwister lösen das so, dass sie Gottes Namen gar nicht aussprechen. Wo in der hebräischen Bibel Gottes Name steht, lesen sie respektvoll Ha Schem – der Name. Für Mose jedenfalls wird klar: Gott hat noch ganz andere Namen als den, den ich kenne.

Gott überrascht Mose. Wenn Gott dem Volk, das er aus Ägypten gerettet hat, etwas mitzuteilen hat, sagt er es zuerst Mose. Mose ist der Überbringer, der Dolmetscher, das Sprachrohr.

Aber nun sagt Gott, als Mose ihn bittet Gottes Herrlichkeit schauen zu dürfen: Du kannst mein Angesicht nicht sehen.

In Gedanken füge ich hinzu: nicht ganz zumindest. Gott hat offenbar viele Gesichter, nicht nur das eine, das Mose kennt.

Gott überrascht Mose. Mose hat schon so viele herrliche Taten gesehen, die Gott für sein Volk getan hat. Er ist ihm im Dornbusch begegnet, der lodernd brennt, ohne sich aufzuzehren. Er hat Gott als Feuersäule erlebt und als Wolke, um dem Volk den Weg in die Freiheit zu zeigen. Er ist trockenen Fußes durch das Schilfmeer gegangen. Er hat von dem Manna gegessen, mit dem Gott dem Volk zu essen gibt. Mose ist sozusagen Experte, wenn es um das herrliche, wunderbare Handeln Gottes geht. Heute erfährt er, dass das nur ein kleiner Teil von Gottes Herrlichkeit ist. Wenn Gott in seiner Herrlichkeit an Mose vorbeiziehen will, muss er Mose schützen, damit es ihn nicht umwirft. Er stellt ihn in eine Felsspalte und hält noch seine Hand über ihn. So berichtet es unser Bibeltext.

Und Mose erkennt.  Ich habe schon so viel von Gott erfahren, von ihm gesehen und bin ihm so oft begegnet. Aber Gott ist noch viel größer. Er hat noch ganz andere Gesichter. Er hat noch ganz andere Namen. Wer Gott ist, bleibt ein Geheimnis. Niemals werde ich, werden wir Gott in seiner ganzen Größe schauen, erkennen können.

Gott überrascht Menschen. Er zeigt sich ihnen auf ganz neue Weise.

Immer nur werden wir einen Teil Gottes erkennen können. Lassen wir uns nicht in Versuchung führen und festlegen wollen: So ist Gott. Er ist immer auch noch viel mehr. Und überrascht auch uns.

Gott überrascht Menschen

Da ist Julia, die Konfirmandin. Oft hat sie in der Kirche gehört, dass Gott »Vater« genannt wird. Das hat sie gestört. Sie hat selbst ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater. Irgendwann ist er einfach abgehauen, hat sie und ihre Mutter sitzen lassen. Zahlt kaum Unterhalt.  Darum fällt es ihr schwer, Gott »Vater« zu nennen. Als sie einmal davon erzählt, sucht die Konfigruppe (mit ein bisschen Unterstützung), in der Bibel nach anderen Namen Gottes. Und sie sind alle überrascht. Es gibt so viele: Mutter, Sonne, Barmherziger, Bräutigam, Gärtner, Ewiger, König, Schöpfer aller Dinge, Ich bin für euch da, Gnade und Barmherzigkeit. Gott hat viele Namen.

Gott überrascht Menschen. Er zeigt sich ihnen auf ganz neue Weise.

Da ist Klaus, 35 Jahre alt. Als er den Unfall hatte, war erst nicht klar, ob er es überleben würde. Dann war lange nicht klar, ob er wieder würde laufen können. In dieser Zeit, sagt er, habe ich Gott ganz anders kennen gelernt. Manche haben gedacht, ich würde den Glauben an Gott nun verlieren, weil es mir doch so schlecht ging. Und weil viele gefragt haben: Warum lässt Gott das zu? Aber ich habe nie so gefragt. Ich habe gespürt, dass Gott immer noch da war. Dass er mit mir darum kämpft, wieder laufen zu können. Gott war mir ganz nah, vielleicht näher als zuvor.

Gott überrascht Menschen. Er zeigt sich ihnen auf ganz neue Weise.

Da ist Anna, 52 Jahre. Ich habe doch immer alles richtig gemacht, erzählt die Frau. Ich war immer für die Familie da. Ich habe immer zurückgesteckt. Ich habe geglaubt, dass das so richtig ist, dass Gott das von mir will. Dann kam die Trennung. Seitdem frage ich mich, ob Gott vielleicht etwas anderes von mir gewollt hat. Dass ich mich mehr für mich selbst einsetze und mehr danach frage, was ich selbst denn brauche.

Gott überrascht Menschen. Hat er Sie auch schon einmal überrascht? Gibt es auch in unserem Lebens, im Verlauf unseres Lebens diese Momente, in dem wir Gott ganz anders, überraschend erlebt haben. Situationen, Gegebenheiten, ein plötzliches erkennen?

ES lohnt sich darüber nachzudenken. Und: Es lohnt sich auf Überraschungen gefasst zu machen. Gott neu zu entdecken und neu zu erkennen. Neues von Ihm zu erwarten. Unsere Gottesbilder nicht für absolut zu setzten. Wenn wir meinen sagen zu können. So ist Gott, dann gilt das immer nur für die konkrete Situation und für den konkreten Menschen.

Andere Menschen in anderen Situationen erfahren Gott anders.

Mose und Gott, Sie sind ein langes Wegstück miteinander gegangen. Nun möchte Mose wissen, wer Gott ist. Er will sein Geheimnis enträtseln.

Mose möchte Gott sehen. Lass mich deine Herrlichkeit schauen

Ich möchte Sicherheit.

Aber Gott offenbart sich dem Mose und uns, mir nie als Ganzes.

Wir werden ihn nie ganz erfassen. Aber immer etwas von ihm. Er wird uns auch manches zumuten, wird groß sein, wird schwer sein, wird unfassbar sein. Wenn wir auf dem Berg stehen, der für die Menschen der hebräischen Bibel fremder, unbekannter, bedrohlicher Raum war. Wenn wir fragen: warum? und wo warst du?, wenn wir schutzlos im Dunkeln stehen, wenn alles ins Wanken kommt und wir nichts mehr begreifen, lässt Gott uns aber nicht allein mit der Größe seines Geheimnisses.

Er stellt uns in die Felsspalte. Er schafft uns einen Schutzraum. Er hält seine Hand über uns. Er erinnert uns an seinen Namen: Gnade und Barmherzigkeit. Dann finden wir Gott, gerade in den Veränderungen, in den Stürmen, in den Herausforderungen unseres Lebens. Oft genug entdecken war das aber erst im Nachhinein.

Auch dafür werden Sie, Beispiele im eigenen Leben entdecken.

Wir kommen von Weihnachten her. Wie hat Gott da überrascht. Er hat sich nicht in seiner Größe gezeigt. Er kam nicht als König. Er kam nicht als Kriegsherr. Er kam in einem Kind, das unter den Armen geboren wurde und in einer Krippe liegt. In einem verletzlichen Kind hat Gott sein Gesicht gezeigt.

Und wir gehen auf Karfreitag und Ostern zu.

In einem Menschen, der am Kreuz stirbt und fragt, wo Gott ist, hat Gott sein Geheimnis enthüllt. Er ist der Gott, der so groß ist, dass ich es nicht zu erfassen vermag. Er ist der Gott, der sich ganz klein macht und sich den Menschen preisgibt, um denen ganz nah zu kommen, die keine Felsspalten und Schutzräume finden in ihrem Leben. 

Am Ende werden wir vielleicht erfahren, dass es kein Geheimnis gibt. Das größte Geheimnis ist, dass Gott schon immer da war. Dass er uns seinen Namen zugeflüstert hat mit jedem Schlag unseres Herzens. Dass er es war, der uns in den Felsspalten geschützt und aus seiner Hand ein bergendes Dach geformt hat. Dass er nie fern war. Dass wir ihn finden in unserem Herzen, auch wenn es oft verzagt ist und voller Sehnsucht ist. Er ist da. Das ist sein Name.

AMEN

Und der Friede Gottes der (wie Gott selbst) höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

AMEN

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