Gottesdienst am Tag der Darstellung des Herrn - Lichtmess (2. Februar 2014)

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St. Johannis Rödental

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler:

"Jung und Alt -
Treffen der Generationen"

Der Predigttext für den Tag der Darstellung des Herrn im Tempel steht geschrieben im Evangelium des Lukas im 2.Kapitel, die Verse 22 bis 40:

Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie ihn nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen,  wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn (2.Mose 13,2; 13,15): »Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn geheiligt heißen«, und um das Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: »ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben« (3.Mose 12,6-8). 

Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm.  Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel. Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird  - und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen -, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden. 

Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte, und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Und als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie wieder zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth. Das Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.

Liebe Gemeinde!

Unsere heutige biblische Geschichte, die uns Lukas erzählt, ist eine Geschichte aller Generationen: Sie berichtet von den beiden Alten Simeon und Hanna, von zwei jungen Erwachsenen und ihrem Säugling.

I.

Maria und Joseph gehen am 40.Tag nach der Geburt ihres Sohnes in den Tempel. Eine Frau galt nach der Geburt damals einen Monat als unrein, und musste nach den rituellen Waschungen ein Opfer im Tempel bringen, um wieder gesellschaftsfähig und kultfähig zu sein. Und noch etwas haben die beiden im Tempel vor: Sie präsentieren Gott ihren Sohn. Das ist ein alter Brauch, der Gott als den Geber des Lebens ehrt: Genauso wie die Erstlinge der Ernte aus Dankbarkeit für den, der Wachsen und Gedeihen schenkt, ins Haus Gottes gebracht wurden, genauso auch die erstgeborenen Söhne. Im alten Israel waren sie ausersehen, Gott auf besondere Weise zu dienen. Ich erinnere nur an Hanna, die ihren Sohn Samuel zum Priester bringt, damit er dort erzogen wird. Weil aber in Israel das Geschlecht der Leviten längst den Tempeldienst übernommen hatte (4.Mose 8,17ff), musste die Erstgeburt formell von dieser Pflicht losgekauft werden, indem ein Lösegeld dem Priester übergeben wurde. Voller Dankbarkeit werden Maria und Joseph in den Tempel gegangen sein: Das Reinigungsopfer und die Darstellung des Erstgeborenen sind für die Familie und die Glaubensgemeinschaft ein fröhliches Fest.

Auch bei uns gibt es kurz nach der Geburt so ein fröhliches Fest: die Taufe. Die Taufe nimmt einen Menschen auf in die Gemeinschaft der Gläubigen. Das ist bei Jesus schon in der Beschneidung am 7.Tag nach seiner Geburt geschehen. Die Taufe ist aber auch der Ort, wo Eltern Gott gegenüber ihren Dank aussprechen: dafür, dass sie Nachwuchs bekommen haben, und für die gute Geburt. Ein Kind zu bekommen ist nicht selbstverständlich. Viele Paare probieren es jahrelang vergeblich. Umso größer ist dann die Freude und Dankbarkeit, wenn ein Kind geboren wird. Es ist schön, wenn heute Eltern so wie damals Maria und Joseph ihr Kind ganz bewusst ins Gotteshaus bringen, es Gott präsentieren und sagen: Schau her, lieber Gott! Dieses Kind hast Du uns geschenkt! Wir danken Dir dafür, und bringen es als Zeichen der Dankbarkeit heute in dein Haus.

Immer wieder entscheiden sich Eltern dafür, ihr Kind nicht zu taufen, denn es soll später einmal selbst über den Glauben und die Zugehörigkeit zu Gott entschieden. Prinzipiell ist das legitim und nichts dagegen einzuwenden. Jeder hat das Recht, frei zu entscheiden. Problematisch aber wird es, wo man das Kind überhaupt nicht mit Gott und der Kirche in Berührung bringt. Denn wie soll es denn dann den Glauben kennenlernen, für den es sich entscheiden könnte? Maria und Joseph lassen ihr Kind von Anfang an Anteil haben am Glauben.

Ich freue mich jedes mal, wenn ich Eltern sehe, die ihr Kind gerne in die Kirche bringen: zur Taufe, zum Familiengottesdienst oder einfach einmal so. Eltern, die mit ihren Kindern beten und ab und an aus der Kinderbibel vorlesen. Das hilft nicht nur einem jungen Menschen, sich bei Gott und in seinem Hause wohlzufühlen. Man spürt da auch die Dankbarkeit der Eltern dem Geber des Lebens gegenüber, und diese Dankbarkeit wird das Klima im Zusammenleben der Familie positiv prägen.

II.

Als Joseph und Maria ihren Jesus unserem Gott darstellen, da betritt auch der alte Simeon den Tempelbezirk. Er will in seinem Alter noch Großes erleben: Er wartet auf den „Trost Israels“. Voll innerer Gespanntheit steigt er regelmäßig die Stufen zum Tempel empor. Wir wissen nicht, wie alt er ist. Jedenfalls hat er schon längst unser Rentenalter erreicht.

Die Altersspanne zwischen dem Ruhestand mit 65 und 100 lässt sich nicht einheitlich beschreiben und erfassen. Jeder lebt sie ganz individuell. Es gibt Menschen, die fallen mit dem Ruhestand in ein großes Loch, vielleicht deshalb, weil sie fühlen, dass sie plötzlich nicht mehr gebraucht werden oder keine Anerkennung mehr bekommen, wie im Beruf noch üblich. Anderen wird nicht langweilig: sie reisen, sie kümmern sich um die Familie, sie leben endlich ihre Hobbys. Und bei wieder anderen, da fangen schnell die Alterseinschränkungen und die Gebrechen an.

Simeon ist einer, der erwartet noch etwas im Leben. Er ist offen für das, was die Zukunft mit sich bringt. Es ist eine große Aufgabe, die Zeit nach dem Ruhestand richtig zu gestalten. Und das immer wieder, mit jeder neuen Phase, die das Leben mit sich bringt, selbst dann, wenn man spürt, dass die Kräfte nachlassen. Dass man nicht nur zurückblickt und sagt: „Jetzt kommt ja nichts mehr, das Leben ist vorbei.“. Sondern dass man sich dem Leben noch einmal ganz neu zuwendet, offen ist für ganz neue Erfahrungen. Dazu gehört auch, sich Gedanken um das eigene Alter zu machen und vorzusorgen.

Auch die Witwe Hanna gestaltet ihre Zeit im Alter aktiv. Für sie gehört die religiöse Dimension dazu. Der Glaube ist ein Teil dessen, wie sie lebt und ihre Zeit verbringt. Sie geht mit ihren 84 Jahren täglich in den Tempel. Sie betet dort – für die Menschen in Not, für die Gemeinschaft, für die eigene Familie. Sie bringt so vieles vor Gott. Viele wissen nicht einmal, dass für sie gebetet wird. Es gibt auch in unserer Gemeinde Menschen wie Hanna, die für andere beten und für die Gemeinde. Von so einem Gebet geht Segen aus: hin zu denen, für die gebetet wird, und auch zu dem, der betet. Andere Menschen stellen ihre Zeit in den Dienst für Gott: Besuchen Gemeindemitglieder und helfen hier und dort mit. Ich finde es großartig, wenn für einen Menschen der Glaube so zur Lebensgestaltung dazu gehört, und sie sich einbringen, im Gebet oder durch andere Dienste. Gerade auch nach dem Ruhestand, wenn etwas mehr Zeit zur Verfügung steht. Simeon und Hanna, sie sind zwei Rentner, die die ihnen geschenkte Zeit nutzen.

III.

Simeon hat eine besondere Erwartung. Und die hat er nicht durch sich selbst bekommen, sondern durch den Geist Gottes: Ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Derselbe Geist läßt ihn dann auch spüren, wann es soweit ist, in den Tempel zu gehen: Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast;  denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,  den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel. 

Dieses Kind ist anders als all die vielen Kinder, die täglich in den Tempel gebracht werden. In diesem Kind erkennt Simeon den Trost Israels, ja mehr noch: ein Licht zu erleuchten die Heiden. Von diesem Ausspruch Simeons her stammt der Name des heutigen Tages: Lichtmess. Früher wurden an diesem Tag Lichtmessen gefeiert und Kerzen geweiht, die man dann mit nach Hause nahm – als Zeichen des Lichts, das Jesus bringt. Staunend bekennt Simeon: Dieses Kind ist nicht nur das Hoffnungslicht für mich und ganz Israel. Es ist das universale Hoffnungslicht für die ganze Völkerwelt.

IV.

Doch wie kann das sein? Wie kann das Jesuskind so viele Menschen trösten?

Jeder Mensch hat einen anderen Trost nötig, auch je nach Situation oder je nachdem, was passiert ist. Für den einen ist es Trost, in den Arm genommen zu werden oder jemanden zu haben, der sich Zeit nimmt und zuhört. Für einen anderen ist Trost, dass er Wertschätzung erfährt und ein Dankeschön hört für das, was er tut. Wieder andere tröstet es, wenn jemand ganz praktisch hilft, oder wenn jemand auf gute Art motiviert, sich wieder dem Leben zuzuwenden.

Um getröstet zu werden ist das wichtig, was andere Menschen tun, auch aus ihrem Glauben heraus. Das ist auch einer der Wege, wie Gott tröstet: durch andere Menschen. Aber er tröstet auch ganz direkt. Denn andere Menschen kommen oft selbst an ihre Grenzen: an ihre zeitlichen Grenzen, an die Grenzen ihrer Kraft. Der, der sich eines anderen annimmt, muss auch auf sich selbst achten, aus Eigenschutz. Und das kann jemanden in seiner Not auch Enttäuschung bereiten, weil seine Erwartungen an den Nächsten nicht erfüllt werden. Einer aber ist immer da. Einer, den man manchmal gar nicht so bewusst wahrnimmt: Jesus. Nicht das Kind auf dem Arm des Simeon, sondern der lebendige Herr, der mitten unter uns ist. Ich möchte von einer Frau erzählen, die allein in ihrer kleinen Wohnung lebt, die Kinder weit weg. Oft hat sie niemanden, außer ihrem Gott. Und sie teilt ganz selbstverständlich das Leben mit ihm: Statt Selbstgespräche zu führen, redet sie mit ihm. Sagt, was sie belastet, oder fragt, wohin sie die Schlüssel verlegt hat. Sie fühlt sich nicht allein, weil sie weiß, dass Gott dabei ist. Vielleicht ist es genau das Gefühl, das auch Simeon im Tempel hatte. Und deshalb gehört das Lichtmessfest noch zu Weihnachten: Gott hat besucht sein Volk. Er ist nicht der ferne Gott im Himmel, sondern er kam zu uns. In diesem Kind ist Gott gegenwärtig. Diese Gewissheit mit sich zu tragen schenkt das Gefühl einer großen Geborgenheit im Leben.

Diese ganz neue Erfahrung hat auch Simeon gemacht: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren. Er ist plötzlich bereit, seinen letzten Weg anzutreten. Ihn tröstet die Gegenwart dieses Kindes ungemein. Mit dieser Begegnung hat sich sein Leben erfüllt. Gelassen geht er auf das zu, was kommt, auch auf seinen letzten Weg. Jesus – der Trost Israels und das Licht für alle Menschen.

V.

Und dennoch hatte Jesus auch selbst Trost nötig. Simeon erahnt dessen weiteres Schicksal und deutet es hier schon an. Er spricht zu Maria: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird, und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen. 

Er sollte recht behalten: Viele konnten sich an Jesus aufrichten: die, die er geheilt hat, die er zurück in die Gemeinschaft geführt hat, die durch seine Worte neu ausgerichtet wurden. Andere haben sich an ihm geärgert – meist die, deren Profit oder deren in Vorurteilen verhaftetes Denken er durcheinander gebracht hat. Denen, denen anderes wichtiger war als die uneingeschränkte Liebe zu den Menschen. Und die haben gewonnen, zumindest zunächst. „Durch deine Seele wird ein Schwert dringen“: Das bewahrheitet sich für Maria aufs Schrecklichste, als sie 33 Jahre nach diesem Tempelbesuch unter dem Kreuz steht und bitterlich weint.

Der Tag der Darstellung des Herrn ist nicht nur der Abschluss der Weihnachtszeit, sondern auch ein Tor zur kommenden Passionszeit. Es deutet sich hier schon der Weg an, den wir in der Passionszeit mit Jesus mitgehen, bis zum Kreuz. Gott, der an Weihnachten Mensch wird und bei Simeon auf dem Arm ruht, er hat seine Menschwerdung erst am Karfreitag vollendet, als er selbst unseren Tod bitter geschmeckt hat. Dadurch wird er uns in einem noch tieferen Sinne zum Trost: Durch Jesu Sterben und Auferstehen wissen wir Christen: selbst  Schmerz und Tod müssen uns nicht schrecken, denn Jesus kennt sie und hat sie überwunden. Er ist der Trost selbst angesichts von Schuld und Tod.

Liebe Gemeinde! Dem Simeon hat der Geist Gottes diesen Trost, den Tröster offenbart. Uns heute weist Simeon auf diesen Tröster hin. Lasst uns doch wie Maria und Joseph mit ihrem Kind, wie Simeon und Hanna mit Gott durchs Leben gehen, und ihm auch unsere Kinder und Enkel anbefehlen. Bleiben wir mit allen Generationen verbunden im Hoffen, Glauben und in der Zuversicht. Und Gott wird gewisslich sein Licht und seinen Trost auch uns schenken. Amen.

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