Gottesdienst am Sonntag Septua-gesimae (16. Februar 2014)

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St. Johannis Rödental

Predigt:
Pfarrer
Jörg Mahler:

"Ton in der Hand des Töpfers"

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Der für den heutigen Sonntag vorgegebene Predigttext steht im Brief des Paulus an die römische Gemeinde, im 9. Kapitel, die Verse 14-24:

Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.  "So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen."  Denn die Schrift sagt zum Pharao (2.Mose 9,16): »Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.« So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen? Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen? Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren, damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit. Dazu hat er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.

Liebe Gemeinde!

Am vergangenen Freitag war der Valentinstag. Überall konnte man Menschen sehen, die ihrem Liebsten ihre Zuneigung zeigten: Am Gehweg spazierte das junge Mädchen um die 17 neben ihrem Freund, und trug voller Freude ihre Rose in den Händen. Oder im Supermarkt der ältere Herr, der vielleicht etwas unbeholfen dabei war, die richtigen Pralinen mit einem Herzchen für seine Frau auszuwählen. Auch ich hatte eine Kleinigkeit für meine Frau. Sicherlich gehört das zu einer guten Beziehung dazu, dass man sich immer einmal wieder gegenseitig sich seiner Zuneigung versichert. Und natürlich gibt es noch viel mehr, was eine Beziehung gelingen läßt, wie Geduld und Freundlichkeit. Aber auch der gemeinsame Glaube ist etwas, das vielen in ihrer Ehe guttut: Weiß man sich doch gemeinsam bei Gott in guten Händen, und findet im Blick auf Jesu Vorbild auch nach einem Streit leichter wieder zueinander.

In unserer Gemeinde erlebe ich ab und an, dass ein Ehepartner nicht so glücklich ist oder sogar darunter leidet, weil der Ehemann oder die Ehefrau eben nicht gläubig ist. Ein Mann hat mir einmal erzählt: „Meine Frau glaubt schon, dass es eine höhere Macht gibt. Aber sie lebt in keiner persönlichen Beziehung zu Gott und sie fragt nicht nach seinen Spuren im Leben.“. Und so geht dieser Mann Sonntags allein in die Kirche, und wenn er dann beschwingt und gestärkt nach Hause kommt, ist er zugleich traurig, dass seine Frau nicht nachvollziehen kann, wie gut ihm der Gottesdienst getan hat. Er findet es schade, dass er morgens seine Losungen alleine liest und mit seiner Frau auch kein gemeinsames Morgenlied singen kann. Er wünscht sich so sehr, sich mit seiner Frau über die Erfahrungen mit Gott auszutauschen, einmal gemeinsam zu beten, und vielleicht auch zu fragen, wie Gott durch sie beide für andere Frucht bringen will. Ich verstehe die Sehnsüchte des Mannes, denn schließlich ist die Ehe die kleinste Gemeinschaft, in der der Glaube gelebt werden kann. Es ist schade, wenn dem Menschen, der ihm am Meisten bedeutet, der Glaube, auf dem er sein ganzes Leben aufbaut, verschlossen bleibt.

Aber ähnlich geht es auch Jugendlichen:

Liebe Konfis und Präpis! Ich weiß nicht, wieviele von Euch gerne in die Kirche gehen, und wer nur froh ist, wenn er endlich seine 30 Unterschriften hat. Ein ehemaliger Konfirmand hat einmal erzählt, dass gerne mal in die Kirche geht und auch zu Hause betet, dass das seine Eltern aber nicht verstehen. Also wieder die gleiche Frage: „Warum nehmen die Gott nicht so wichtig?“. Warum also bleibt der Glaube Menschen verschlossen, die uns nahe stehen?

Unter einem ähnlichen Problem leidet auch Paulus. Er leidet darunter, dass die Mehrheit seiner jüdischen Volksgenossen in Jesus nicht den Messias erkennt. Paulus erlebt, wie sich durch seine Missionsarbeit immer mehr Heiden aus allen Völkern zum Gott Israels und seinem Sohn Jesus Christus bekehren – doch Gottes ureigenstem Volk bleibt die Frohe Botschaft von Jesus Christus verschlossen. Das schmerzt ihn: Menschen, die ihm nahestehen, können nicht die gleichen Erfahrungen mit Gott machen wie er. Paulus leidet nicht nur darunter. Er stellt als konsequenten Denker auch die eine entscheidende Frage: Woran liegt es, dass meine ehemaligen Glaubensgenossen nicht an Christus glauben?

Paulus gibt darauf eine radikale Antwort: Gott hat sie verstockt! Gott ist dafür verantwortlich, dass sie nicht glauben. Paulus beschreibt das anschaulich in dem Bildwort vom Ton und dem Töpfer. Sicher kennen sie Töpfer von Handwerkermärkten her, oder vielleicht haben sie selbst schon einmal mit Ton gearbeitet. Durch die Hände des Töpfers werden aus dem unförmigen Klumpen Ton schöne Skulpturen und Gefäße. Nun sagt Paulus: Gott ist so ein Töpfer, und die Menschen sind der Ton. Aus den einen macht Gott Gefäße zu ehrenvollem Gebrauch – es sind diejenigen, die mit Jesus Christus leben und die die Kraft des Glaubens spüren. Die anderen Menschen aber bestimmt Gott nicht zum Glauben. Er allein hats in Händen, was er aus welchem Klumpen Ton macht. Gott tut, was er will. Dem einen ist er gnädig, dem anderen nicht.

Liebe Gemeinde, diese Worte bereiten wahrscheinlich nicht nur mir Bauchschmerzen. Unwohl fühle ich mich bei dem Gedanken, dass Gott von vornherein Menschen nicht zum Heil und zum Glauben bestimmt haben sollte – vielleicht unseren Ehepartner oder die Eltern? Das kann nicht sein!

Ich schaue mir den Briefabschnitt des Paulus genauer an: Und da spüre ich eine große Leidenschaft aus den Worten des Paulus heraus, eine positive Leidenschaft, die ihn zu solchen Schlußfolgerungen kommen lässt. Er schreibt quasi als Leitmotto in diesem Bibelabschnitt den wichtigen und bekannten Satz: So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen! Für diese Botschaft schlägt das Herz des Paulus. Für das Erbarmen und die Barmherzigkeit Gottes!

Denn so hat es Paulus selbst erlebt, damals vor Damaskus: Er wurde vom Verfolger Christi zum Streiter für ihn – Gott hat ihn dazu berufen, obgleich er es als Verfolger nicht verdient hätte, Apostel zu werden. Und das hat ihn geprägt. Paulus weiß: Der Mensch kann nichts für seinen Glauben und seine Errettung tun. Paulus hat eine große Leidenschaft für die Gnade Gottes. Und weil es eben nicht an unserem Laufen liegt, weil der Mensch gar nichts für seine Errettung tun kann, kommt Paulus zu der Schlussfolgerung: Dann kann der Mensch, der nicht glaubt, auch gar nichts für seinen Unglauben. Dann muss genauso wie der Glaube auch der Unglaube von Gott kommen. Denn wenn der Mensch dafür, dass er nicht glaubt, selbst verantwortlich wäre, dann ist der Glaube nicht mehr allein Geschenk Gottes. Durch seine anstößigen Gedanken macht Paulus also die Gnade groß!

Und diese Botschaft ist gerade in unserer Zeit aktuell: So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen! In Coburg habe ich vor einiger Zeit diesen gelben Flyer bekommen: Hier wird für eine Meditation geworben, die in die eigene Tiefe führt, zu innerer Wandlung und Heilung. An sich ist das ein guter Ansatz der Psychotherapie. Doch hier wird dies als „spiritueller Weg“ bezeichnet, also als ein geistlicher Weg, ohne dass für diese Heilung aber überhaupt Gott nötig wäre. Es gibt viele pseudoreligiöse Angebote, bei denen ich mich mit Methoden und Techniken dem Heiligen annähern und ich ein spirituelles Gefühl erzeugen kann. Die entsprechenden Regale in den Buchläden sind voll davon. In der Meditation kann ich mich öffnen für Gott, ja, aber ich kann mich nicht aus eigener Kraft zu ihm emporschwingen. Es ist sonst nicht mehr nötig, dass er zu mir herunterkommt! Weihnachten muss dann abgeschafft werden! Paulus widerspricht diesen esoterischen Trends: Wir sind der Ton, wir können aus uns selbst nicht zu Gott gelangen. Es liegt nicht an unserem Wollen und Laufen – wir könnten laufen solange wir wollen, eine Bahn nach der anderen im Stadion des Glaubens drehen, und kämen Gott doch nicht einen Zentimeter näher, wenn da nicht sein Erbarmen wäre, wenn er sich nicht vom Himmel aufgemacht hätte hinein in unsere Welt, hinein in die Tiefen unserer Existenz, hinein bis in den Tod – um uns wie Hannah im Alten Testament heraufzuführen zu sich, denn: „Der Herr führt hinab zu den Toten und wieder herauf (1.Sam 2,6f).“.

So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen! Diese Leidenschaft des Paulus für die Gnade ist auch aktuell, weil sich der moderne Mensch Anerkennung und Wertschätzung erarbeiten muss: Erfolg im Beruf ist gefragt, eine gute Haushaltsführung und Kindererziehung in der Familie - dann erst ist man anerkannt und einem wird lobend auf die Schulter geklopft. Doch bei diesem Jagen und Rennen nach Anerkennung und Lob, da hetzen wir uns ab, so dass immer mehr Menschen krank werden, die Psychotherapeuthen könnten davon Bücher schreiben. Der Erfolgsdruck macht krank. Paulus sagt: Nein, Anerkennung kann nicht an unserem Laufen und Abhetzen liegen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Anerkennung, auch der Hartz-IV-Empfänger, auch das schwarze Schaf der Familie. Und diese Anerkennung schenkt uns zuallererst und voraussetzungslos Gott. Das ist ein Trostwort für alle, die kaum Anerkennung erfahren, und es ist eine Herausforderung an uns alle, den anderen spüren zu lassen, dass er anerkannt ist und wertgeschätzt wird.

Das Herz des Paulus brennt vor Leidenschaft für die Gnade. Dennoch bleibt seine Schlußfolgerung für den Ehemann und den Konfirmanden anstößig: Sollte es wirklich an Gott liegen, dass seine Frau, seine Eltern nicht glauben?

Blickt er auf Jesus, so sieht er, wie dieser für alle Menschen da war, und bei allen um Gottvertrauen geworben hat. Und da gibt es viele Beispiele, wie Glaube entsteht, ja ins Leben hineinbricht oder langsam wächst. Sonst hätte ja auch das Wort Jesu keinen Sinn, der uns in alle Welt schickt, um den Glauben anderen zu bezeugen, damit auch sie die rettende Botschaft erfahren! Und schließlich bezeugt auch der Timotheusbrief, dass Gott will, dass allen Menschen geholfen werde (1.Tim 2,4). Da ist nichts davon zu hören, dass Gott einige zum Unglauben bestimmt hätte. Und selbst Paulus ist hier im Römerbrief bei seinen eigenen Worten scheinbar unwohl, denn nur ein paar Verse später schreibt er, dass Israel scheinbar verstockt ist, weil sie Gottes Handeln in Jesus nicht erkennen, aber doch eines Tages ganz Israel gerettet wird, denn sie sind das erwählte Volk: Gott wird sich einst aller erbarmen (Röm 11). Da siegt dann letztlich auch bei Paulus die Barmherzigkeit Gottes!

Auf diesem Hintergrund scheint für mich auch im Bildwort vom Töpfer das Evangelium auf: Paulus ist nicht im Stande, in der Welt einen Ort außerhalb Gottes zu entdecken. Damit leben selbst die Nichtglaubenden im Herrschaftsbereich Gottes. So vermag Gott also letztlich auch den Ton, der zunächst so aussieht, als sei er zu nicht ehrenvollem Gebrauch bestimmt, zu gutem Gebrauch zu verwandeln – und dass das der Wille Gottes ist, bekräftigt die Schrift immer wieder. Das lässt den Ehemann hoffen, dass eines Tages auch seine Frau Vertrauen zu Gott findet und seine Spuren in ihrem Leben erkennt, dass Gott sie in seiner Töpferhand umformt und ihr den Glauben schenkt. Und dafür darf er auch beten! Ebenso der Konfirmand für seine Eltern.

Mich macht es froh, zu wissen, dass ich Ton in der Hand des Töpfers bin. Denn der Klumpen Lehm wird geformt durch die Hände des Töpfers. Ich als Christ bin noch nicht fertig ausgeformt. Ich will mich verändern zu einem Menschen, der sich immer mehr bestimmen lässt von Barmherzigkeit, Freundlichkeit, Demut und Geduld, zu einem Menschen, der im Vertrauen auf Gott wächst. Ton in der Hand des Töpfers – wir Menschen sollen und dürfen reifen durch den Einfluss Gottes.

Wer einen Töpfer gesehen hat, der weiß, mit welcher Liebe er zu Werke geht: Ton in der Hand des Töpfers zu sein, das heißt geliebt zu sein, von Gott begleitet und geformt zu werden. Und da bin ich dann gerne Ton!

Und wenn wir gerne Ton sind und uns von Gott formen lassen, dann strahlen wir seine Herrlichkeit aus, und dann lädt das andere zum Glauben ein – unsere Ehepartner und Eltern, unsere Kinder und Enkel, unsere Freunde und Bekannten.

Paulus hat uns heute Worte geschrieben, die auf den ersten Blick nicht allen gefallen, und doch haben wir im Laufe unseres Weges durch den Text entdeckt, wie sie das Evangelium ausstrahlen: Gott allein hat unsere Rettung in Händen, wir sind etwas wert, ohne etwas leisten zu müssen. Und Gott will uns formen, uns zu Menschen machen, die der Welt und dem Nächsten die Herrlichkeit Gottes zeigen. So lasst uns festhalten, was uns Paulus heute so eindrücklich gesagt hat: Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad gelegen!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

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