Gottesdienst am Sonntag Judika - 2. April 2017

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Oberwohlsbach,
St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Hier bin ich...."

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen.

Ihr Lieben,

der Predigttext, der uns für heute vorgeschlagen ist, ist der Albtraum meiner Kindheit, die Schreckensgeschichte aus dem Kindergottesdienst und dem Religionsunterricht. Sie hat Angst gemacht. Hört selbst, diese bekannte Geschichte aus 1. Mose, 22, 1-13:

Gott versuchte Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne. Und Abraham sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich im Gestrüpp mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.

Beten wir in der Stille um Gottes Segen in seinem Wort.

Der Herr segne unser Reden und Hören.

Ja, diese Geschichte hat mich in Kindertagen umgetrieben. So ist also Gott, der uns immer als der liebe Gott vorgestellt wurde. So ist also Gott auch? Fordert -quasi als Vertrauenstest- sogar die Ermordung des eigenen Sohnes? Und diese Geschichte treibt mich bis heute um.

So soll also Gott sein, der als  Glaubenstest Abraham auffordert seinen einzigen Sohn zu töten! Er forderte es vom dem, mit dem er einen  Bund geschlossen hat, vom dem, den er zu Stammvater des Volkes Israel auserkoren hat.

Fordert Gott so etwas auch von mir, oder gar von meinem Vater?

Und was wäre passiert, wenn der Mord an Isaak tatsächlich geschehen wäre? Es wäre das Ende der Geschichte Gottes mit den Menschen gewesen. Vielleicht ein Indiz dafür, dass es niemals Gottes Absicht gewesen sein kann, ein Menschenopfer zu fordern.

Und ok, die Geschichte von der Opferung Isaaks geht einigermaßen gut aus, Rettung in letzter Minute, aber nimmt diese Wendung die Angst, die vorher auszustehen war?

Wie können wir also mit dieser Geschichte umgehen, was kann man heute dazu sagen? Da gibt es die theologische Wissenschaft, die uns erklärt, dass diese Erzählung nicht eine reale Geschichte ist, also kein Ereignis das genau so passiert sei. Es gehe vielmehr darum, auch in Todesangst an Gott festzuhalten, erzählt in orientalischer, ausschmückender Erzähltradition. Oder ist es eine Geschichte, zuerst an das Volk Israel, die deutlich macht, dass Segen (ihr sollt ein großes Volk sein) eben immer auch Last ist.  Oder wird damit die Ablösung des Menschenopfers thematisiert?

Wie also umgehen mit diesem Text?

Woody Allen, der amerikanische Regisseur, Schauspieler, Komiker hat  in seiner besonderen Art  die Geschichte so umgeschrieben: (ich lese in Auszügen)

….und Abraham erwachte mitten in der Nacht und sprach zu seinem einzigen Sohn Isaak: „Ich hatte einen Traum in dem die Stimme des Herrn sagte dass ich meinen Sohn opfern solle, also zieh dir die Hosen an.“  Isaak zitterte und sprach: „Und was hast du gesagt… als er die Sache zur Sprache brachte?“ „Was soll ich fragen“ sagt Abraham, ich stehe da um zwei Uhr nachts vor dem Schöpfer des Universums in Unterhosen. Sollte ich streiten?“

……. jetzt mischt sich Sara, Abrahams Frau ein.

Die wurde ärgerlich und sprach: „Weißt du denn sicher, dass es der Herr war und  nicht, sagen wir dein Freund der derbe Scherze liebt“

………. Abraham antwortet: „Ich weiß, es war der Herr. Es war eine tiefe klangvolle Stimme und niemand kann die ganze Wüste so zum Dröhnen bringen……..es geht dann weiter, sie gehen los, bis Abraham das Messer hebt, und jetzt wieder Woody Allen:

Im letzten Augenblick hielt der Herr Abrahams Hand auf und sprach: „Wie konntest du so etwas tun?“ Und Abraham sprach: “Aber du hast doch gesagt…..“ „Kümmere dich nicht was ich gesagt habe“, sprach der Herr. „Hörst du auf jede verrückte Idee, die dir über den Weg läuft?“ und Abraham schämte sich: „Äh – nicht richtig, …nein.“

„Ich mache aus Spaß einen Vorschlag, dass du Isaak opferst und du rennst gleich los und tust es“.

Und Abraham fiel auf die Knie: „Siehe doch, ich weiß nie wenn du Spaß machst.“ Und der Herr donnerte: „Kein Sinn für Humor, ich kann es nicht glauben.“ „Aber es beweist doch, dass ich dich liebe, wenn ich willens war, meinen einzigen Sohn deiner Laune zum Geschenk zu machen.“ Und der Herr sprach: „Das beweist, dass einige Menschen bereit sind jedem Befehl zu folgen, ganz egal wie kreuzdämlich er ist, solange er von einer wohlklingenden Stimme kommt.“ Und dann bat er Abraham, sich etwas auszuruhen und ihn morgen wieder anzurufen.“

Soweit, etwas gekürzt die Version von Woody Allen (er darf das so erzählen, ist er doch selber Jude).

Wir gingen der Frage nach: Wie mit dieser Erzählung umzugehen sei und die eben gehörte Geschichte ist tatsächlich eine Deutung, der ich mich anschließe, verweist sie doch auf einen Vers im Jakobusbrief (1,13) Dort heißt es nämlich: „Niemand sage, wenn er versucht werde, dass er von Gott versucht wird“.

Liebe Schwestern, liebe Brüder: Ein Glaube der anscheinend blinden Gehorsam, ja dabei sogar Menschenleben billigend in Kauf nimmt oder gar fordert ist abstoßend und menschenverachtend. Er hat mit unserem Gottesverständnis nichts zu tun. Vielmehr, und so geht der Text im Jakobusbrief weiter: „… ein jeder der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt (V 14)“

Das sei allen religiösen Fanatikern ins Stammbuch geschrieben. Wir finden Beispiele für diesen religiösen Fanatismus in unserer eigenen christlichen Geschichte, es gibt Beispiele im Judentum und gleiches gilt für fanatisierte Muslime.

„… ein jeder der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt (V 14)“

Kein Mörder kann sich je auf Gott berufen, es sind immer die eigenen, zutiefst egoistischen Motive, die zu Gewalt und Versklavung, Mord und Totschlag, Unterdrückung und Ausbeutung führen.

Egoistische Motive kann ich auch „teuflische Motive“ nennen und erinnere dabei an den großen Versucher / Verführer der Jesus in der Wüste bedrängt hat. (Aber das ist eine andere Geschichte).

Blickwechsel!

Schauen wir noch mal auf Abraham.

Ja, es ist schon auch beeindruckend, wie unerschütterlich Glaube sein kann. Und Abraham hatte ja Gott als den erlebt, der auf der Seite des Lebens stand, der mit seinem Bund Zukunft versprach. Abrahams Nachkommen zu seinem Volk machen will. Isaak wird, der Nachkomme wird geboren, in einem Alter der Eltern, in der üblicherweise keine Nachkommen mehr geboren werden. Abraham hat einen starken Gott erlebt, der zu seinem Wort steht.

Und so stelle ich mir vor, dass Abraham schlimmste Seelenqualen erlitten hat, als mit seinem Sohn diese Reise zum Opferberg antrat.

So wie eben auch heute noch Väter und Mütter schlimmstes durchleiden, wenn sie sehenden Auges ein Kind, etwa aufgrund von Behinderung, Krankheit oder Unfall in den Tod begleiten müssen. Wenn sie Abschied nehmen müssen, weil es nach menschlichem Ermessen keine Aussicht auf Gesundung mehr gibt.

Ich denke an den Kinderarzt Janusz Korczak, (auch ein Jude)  er war der Leiter des Waisenhauses im Warschauer Ghetto. Als die Nazis damit begannen, die Kinder in die Gaskammern von Treblinka zu transportierten, boten sie dem namhaften Arzt an zurück zu bleiben. Janusz Korczak aber bleib bei seinen Kindern, begleitete sie in den sicheren Tod. Und auf dem Weg ins Todeslager erzählte er die Geschichten von König Hänschen, der eine grüne Fahne mit goldenem Kleeblatt mit sich führte. Ein Hoffnungszeichen. Hoffnung auf Würde und Respekt. Ja auf Leben. Die Kinder aus dem Warschauer Ghetto überlebten das KZ Treblinka nicht, ebenso wenig wie ihr väterlicher Freund.

Mich beeindrucken Menschen die auch in ausweglosen Situationen Hoffnung geben, die in größter Not nicht aufgeben.

Und Abraham, hatte er diese Hoffnung auch?  Hoffnung gegen alle Vernunft. Vertrauen gegen alle Angst. Lebensmut gegen alle Verzweiflung?

Noch ein Blickwechsel:

Isaak, wie wird es ihm ergangen sein? Es muss ein traumatisches Geschehen gewesen sein als der Vater das Messer hebt. Ein Vertrauensbruch der kaum zu heilen ist. Urvertrauen das zutiefst erschüttert wurde. Stellen wir Isaak neben all die Kinder die heute ähnliches erleben. Sexuellen Missbrauch und körperliche Gewalt. 10-jährige, die als Kindersoldaten zum Töten gezwungen werden. Kinder die als Selbstmordattentäter missbraucht werden. Die als menschliche Schutzschilde in den brutalen Kriegen dieser Welt ums Leben kommen. Ausgebeutet und versklavt.

Stellen wir Isaak neben all die Kinder, die tief an Leib und Seele verwundet sind, die Hilfe und Unterstützung brauchen.

Judika ist der Name des heutigen Sonntags. Judika: Schaffe mit Recht Herr. In diesen Psalm sollen, müssen wir alle, gerade heute, einstimmen.

Judika, der vorletzte  Sonntag in der Passionszeit erinnert uns aber auch noch an etwas Anderes:

Gerade in der Passionszeit dürfen wir uns daran erinnern, dass da einer ist, der alles schon stellvertretend für uns durchlebt und durchlitten hat. Der, der stellvertretend für unsere Schuld in den Tod gegangen ist, spricht uns Kraft und Trost zu, hält die Hoffnung lebendig. Er schafft Recht. Recht aus dem wir Kraft schöpfen können um Unrecht zu widerstehen, Leid zu begegnen.

Nein, Gott braucht unsere Opfer nicht, er fordert sie nicht, schon gar nicht die Opferung des Liebsten was wir haben. Gott hat das Liebste was er hatte, seinen Sohn, für uns geopfert. Ein für alle mal.

Ihr Lieben, wie soll man mit dieser Geschichte von der Opferung des Isaak umgehen war meine Eingangsfrage. Ein paar Blickwinkel habe ich versucht auszuloten.

Zum Abschluss noch eine Umgehensweise: Musik. Der im vergangen Jahr verstorbene kanadische Sänger und Poet Leonhard Cohen, übrigens auch ein Jude, hat zu der Geschichte von Issak ein Lied geschrieben. (The story of Isaak)

Ich möchte es Ihnen vorsingen sozusagen als Predigtlied. Es ist in Englisch, da können sie mitsingen, den deutschen Text haben sie auch, zum Mitlesen.

Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, Amen

 

 Geschichte von Isaak

Die Tür, sie öffnete sich langsam,
Mein Vater, er kam herein,
Ich war neun Jahre alt.
Und er stand so hoch über mir,
Seine blauen Augen, sie leuchteten,
Und seine Stimme war sehr kalt.
Er sagte, "Ich habe eine Vision gehabt,
Du weißt, ich bin stark und heilig,
Ich muss tun, was man mir gesagt hat."
Also begann er, diesen Berg hochzusteigen,
Ich rannte, er ging,
Und seine Axt war aus Gold gefertigt.

Nun, die Bäume wurden sehr viel kleiner,
Der See zum Spiegel einer Dame,
Wir hielten an, um etwas Wein zu trinken.
Dann warf er die Flasche hinüber.
Ich hörte sie eine Minute später zerbrechen,
Er legte seine Hand auf meine.
Dachte, ich sähe einen Adler,
Aber es könnte ein Geier gewesen sein,
Ich konnte nie bestimmen.
Dann baute mein Vater einen Altar,
Er blickte einmal über seine Schulter
Ich vermute, er wusste, ich würde mich nie verstecken.

Du, der du jetzt diese Altäre baust,
Um unsere Kinder zu opfern,
Du darfst es nie mehr tun.
Ein Plan ist keine Vision,
Du wurdest nie im Leben
Von einem Dämon oder Gott versucht.
Du, der du nun über ihnen stehst,
Deine Beile stumpf und blutig,
Wie du es damals nicht tatest.
Als ich auf diesem Berg lag,
Zitterte die Hand meines Vaters
Vor der Schönheit der Welt.

Und wenn du mich nun Bruder nennst,
Verzeih mir, aber ich muss nachfragen:
"Laut wessen Plan?"
Wenn alles zu Staub zerfällt,
Werde ich dich töten, wenn ich muss,
Ich werde dir helfen, wenn ich kann.
Wenn alles zu Staub zerfällt,
Werde ich dir helfen, wenn ich muss,
Aber ich werde dich töten, wenn ich kann.
Und Erbarmen mit unserer Uniform,
Der Mann des Friedens oder der Mann des Krieges,
Der Pfau spreizt seinen Fächer.

Text und Musik: Leonhard Cohen 1968

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