Gottesdienst am 2. Advent in St. Johannis

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St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Seid geduldig"

Predigttext: Jakobus 5,7-8

So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Liebe Gemeinde,

Für Kinder ist die Zeit vor Weihnachten eine besonders schwierige Zeit. Ungeduldig sehnen sie den Heiligen Abend und das Christkind herbei. Wie lange dauert es noch? Wie viele Tage muss ich noch bis zur Bescherung warten? Wann ist es endlich soweit? Warten kann ja so schwer sein und so lange dauern!

(Da ist es gut, wenn heute schon mal der Nikolaus vorbei schaut und mit seinen Gaben die Wartezeit verkürzt oder erträglicher macht.)

Um die Ungeduld der Kinder, ein bisschen abzufedern, etwas leichter zu machen,  die Zeit vor Weihnachten zu gestalten, gibt es ja ein paar Hilfen. So sind der Adventskalender und der Adventskranz entstanden.

Vor genau 130 Jahren, im Jahr 1885, hatte eine Mutter die Idee, ihrem quengelnden vierjährigen Sohn für jeden Tag im Dezember bis zum Weihnachtsfest ein großes Viereck auf einem Karton aufzumalen, es in 24 Felder einzuteilen und für jedes Feld in einem Säckchen ein kleines Gebäck hinein zu nähen. Dabei erklärte sie dem Kind: Jedes Kästchen bedeutet einmal aufstehen und einmal zu Bett gehen.

Der Vierjährige wurde erwachsen und hat als junger Mann eine Druckerei mitbegründet. In einer Auftragsflaute erinnerte er sich an seinen ganz persönlichen Adventskalender aus Kindertagen und entwarf den ersten gedruckten Adventskalender, den „Münchner Weihnachtskalender“ mit dem Untertitel: „Die vierundzwanzig Wartetage“.

Noch älter ist der Adventskranz. Er geht auf Johann Hinrich Wichern zurück, den Begründer der Inneren Mission, heute sagt man statt „Innerer Mission“ Diakonie.  Wichern hatte in Hamburg ein Rettungshaus für Waisenkinder eingerichtet (so sage man damals zu Kinderheimen. Daraus ist ein großes Diakoniewerk, das „Rauhe Haus“, geworden, das es bis heute gibt.

 Um seinen Kindern, die zu einem großen Teil aus armen und verwahrlosten Verhältnissen kamen, den Sinn des Weihnachtsfestes nahe zu bringen, und um ihnen die Wartezeit bis Weihnachten zu erleichtern, ließ er im Saal, wo die täglichen Andachten stattfanden, ein Wagenrad von der Decke hängen.

Dieses Holz-Rad bestückte er mit Kerzen. Vom ersten Adventssonntag bis Heiligabend wurde jeden Tag eine weitere Kerze entzündet. Man nahm dicke weiße Kerzen für die vier Adventssonntage und kleine rote Kerzen für die Wochentage dazwischen. Jeden Tag wurde der Lichterkranz etwas heller, und man kam immer näher an Weihnachten heran.

1839 brannten die Kerzen am Adventskranz zum ersten Mal. Später schmückte man den Holzreifen noch mit Tannengrün.

Im Lauf der Zeit hat man sich auf die vier großen Kerzen für die Adventssonntage beschränkt. Und so kennen wir ja unseren Adventskranz bis heute und die meisten von uns (alle!) werden heute die zweite Kerze am Adventskranz zuhause schon angezündet haben.

Aber nicht nur die Kinder haben in der Adventszeit mit dem Warten zu kämpfen, auch die Erwachsenen werden dazu aufgefordert. Denn als Glaubende sind wir eben auch Wartende. Wir warten auf das Heil unseres Gottes. Wir warten auf das Kommen Gottes in diese Welt. Genauer ausgedrückt: Wir warten auf die Wiederkunft unseres Herrn.

Und auch da kann das Warten lang werden. In den ersten christlichen Gemeinden hat man damit gerechnet, dass Jesus nach seiner Himmelfahrt recht bald wieder kommen würde. Dass alle diese Wiederkunft noch erleben (erleben, im wahrsten Sinn des Wortes) Doch dann verging die Zeit, viel Zeit, sehr viel mehr als erwartet, Menschen starben.

Und so mahnt der Verfasser des Jakobsbriefs die Christen damals und uns heute zur Geduld.

Wir hören den heutigen Predigtabschnitt aus dem Jakobusbrief 5, 7-9

So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde,

und ist dabei geduldig,

bis sie empfange den Frühregen und Spätregen.

Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen;

denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Geduld ist gefragt. Das aber ist ja meist nicht so unsere Stärke.. Wir wollen lieber alles gleich haben. „Herr, gib mir Geduld, aber bitte gleich“, so heißt es scherzhaft über unsere Ungeduld.

Nein, nein, wir brauchen schon die Zeit der Vorbereitung, die Zeit des Wartens auf Weihnachten.

Und dieses Warten lässt sich eben nicht beschleunigen. Auch wenn wir alle Türchen am Adventskalender öffnen würden oder alle Kerzen am Adventskranz anzünden, – Weihnachten käme deshalb nicht schneller heran.

Das Warten will vielmehr ausgehalten und bewusst erlebt werden.

Geduld ist schon gefragt. Allerdings- und da mache ich mal einen kurzen Einschub:

Es war im Christentum eine weit verbreitete Ansicht, dass Geduld ein Wert an sich sei. Der Christ ist geduldig. Geduld um der Geduld willen. Missstände und Leid seien eben geduldig zu ertragen, Geduld als eine christliche Tugend. Nein, das ist nicht gemeint, da ist / war der Begriff Geduld falsch verstanden. Geduld hat nicht mit fatalistischen ertragen zu tun (man ja doch nichts machen…..)

Nein Geduld, recht verstanden, auch das geduldige warten muss ein Ziel haben. Ein ganz konkretes Ziel. Warten auf….

Es ist tatsächlich entscheidend, worauf wir warten, was wir erwarten, wen wir erwarten.

Natürlich, im Advent warten wir auf Weihnachten.

Wir warten auf das Kommen Jesu in die Welt.

Das ist die Botschaft, die wir an Weihnachten besingen und feiern.

Gott kommt an Weihnachten zu uns. Er bleibt nicht im Himmel, weit weg von unserer Wirklichkeit mit ihren Abgründen und ihrer Trostlosigkeit, ihren Missständen, ihrem Leid. Gott kommt zu uns, mitten in die Welt. In die Welt, so wie sie eben ist. Mit ihren hellen, aber eben auch mit ihren dunklen Seiten.

Denn Gott kommt uns nahe, um die Dunkelheit unseres Lebens erhellen.

Deshalb sagt Jakobus im Hinblick auf das Warten:

Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen,

denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Mit dem Kommen Gottes an Weihnachten hat eine neue Geschichte begonnen. So nahe ist er uns gekommen, dass er einer von uns geworden ist.

Gott ist auf unsere Erde gekommen.

Mit der Vorfreude auf das  Kommen Gottes im Advent auch immer das Wiederkommen Jesu gemeint, die Wiederkunft Christi am Ende der Tage (auf das die ersten Christen ja so sehr gehofft haben) Und damit beginnt eine neue, die neue Geschichte Gottes mit den Menschen. Das geduldige Warten in den Adventswochen hat deshalb zwei Zielrichtungen: Zum einen, das Warten (alle Jahre wieder) auf die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem. Zweitens aber auch das Warten auf die endgültige Wiederkehr Christi am Ende aller Tage. Das beendet Jesus endgültig, wenn er wiederkommt. Und gerade deshalb ist auch sein zweites Kommen ein Grund zur Freude. Denn da hört endlich alles auf, was Leid, Not, Tränen, Schmerz und Trauer in unser Leben bringt.

Für den, der an Jesus glaubt, der ihm vertraut, ist darum das Jüngste Gericht nichts Bedrückendes, sondern genauso eine frohe Botschaft wie Weihnachten, wie die Botschaft des Engels an die Hirten:

Euch ist heute der Heiland geboren.

Genau deshalb ist auch das Warten auf das Kommen Christi eine gute Zeit, eine erfüllte Zeit. Denn wir warten auf das Leben, auf das wahre Leben ohne jede Einschränkung!

Jakobus gebraucht ein Bild für dieses Warten. Er bringt das Kommen Jesu mit dem Warten des Bauern auf die Ernte in Verbindung. Ein Bild aus der Lebenswirklichkeit der Menschen damals.

Bauer und Bäuerin warten auf die Ernte, dem Höhepunkt des Jahres.

Danach richten sie alle ihre Vorbereitungen aus. Die Vorfreude ist aber auch mit mancher Sorge vermischt: Wird das Wetter mitmachen? Wird die Saat wie erwartet wachsen? Oder werden schlechtes Wetter, Unkraut, eine ungünstige Bodenbeschaffenheit den Ertrag mindern?

Warten.

Bauer und Bäuerin wissen nur zu genau, was das bedeutet.

Sie sind abhängig von Faktoren, die sie nicht beeinflussen können; vor allem sind sie abhängig vom Wetter. Jakobus nennt den Frühregen und den Spätregen – in Israel wichtige Garanten, dass etwas wachsen kann.

Bei uns würde man wohl den Frost im Herbst und Winter nennen, den Regen im Frühjahr und die Sonne vor der Ernte.

(Dauerregen im Sommer oder später Frost im Frühjahr wirken sich schädlich auf die Ernte aus.)

Mit welchen Bedingungen es in der Landwirtschaft auch zugehen muss, kein einziger Bauer käme auf die Idee, die aufgehende Saat irgendwie gewaltsam hoch zu ziehen.

Das Korn wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

Im Gegenteil. Man macht nur alles kaputt.

Advent ist eine solche Zeit des geduldigen Wartens. Aber eben mit einem Ziel (so wie beim Bauern die Ernte)

Es ist eine Zeit, um sich klar zu machen:

auf das Wesentliche im Leben müssen wir warten; wir bekommen es von Gott geschenkt und können es nicht selbst hervorbringen.

 Freilich ist der Bauer beim Warten auf die Ernte keinesfalls tatenlos. Der Boden muss bearbeitet werden, der Samen gesät und das Unkraut vernichtet werden. Ohne diese Vorbereitungen gäbe es kein Wachsen und Reifen, keine Ernte.

Auch im Advent gehören die Vorbereitungen auf Weihnachten dazu, der Adventskranz, die Kerzen, das Backen, die Festvorbereitungen.

Doch im tiefsten Grund zielen alle diese äußeren Vorbereitungen des Advent auf unser Herz, dass es offen und bereit ist für das Kommen Gottes.

Und wie mit der Aussaat, die das Wachstum schon in sich trägt, so ist es auch mit dem Leben, das Gott schenken will: Geduldig und mit großer Gelassenheit kann man auf die kostbare Frucht warten.

Der Vergleich mit der Haltung des Bauern macht es deutlich:

Wer weiß, dass Christus wiederkehrt, der kann ausdauernd sein in seinen Bemühungen für Gott, in seinem Glauben; wie der Bauer, der sein Land bestellt hat.

Er weiß, worauf er wartet und was ihm verheißen ist.

Er weiß auch, dass das Wachsen und Reifen Zeit braucht.

Weihnachten, das Christkind, der Heiland, das Heil für unser Leben lässt sich nicht herbeizwingen. Aber es ist und bleibt Ziel unseres Wartens, Grund unserer Geduld.

Das lateinische Wort für Geduld heißt  „patientia“. Daraus leitet sich das das Wort Patient ab. (der geduldig auf Heilung wartet)  Und so sind wir, ganz besonders in der Adventszeit „Patienten Gottes“ die nichts weniger als die Heilung, das Heil werden  der ganzen Welt erwarten wir. Den Heiland.

Amen.

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