Beichtgottesdienst (Konfirmandenbeichte) am 22. April 2017 in St. Johannis

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St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Der findende Vater"

Predigttext: Lukas 15,11-32

Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden. 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Familienangehörige, Eltern und Paten, liebe Gemeinde, 

Ihr, wir alle befinden uns jetzt im Endspurt auf eure Konfirmation. Morgen ist er, der große Tag, euer Tag. Alles ist vorbereitet, die Konfirmationsklamotten liegen bereit (manche haben sie vielleicht sogar heute schon mal an) alles wird hoffentlich klappen. Nicht auszudenken was passieren würde, wenn auf dem neuen Kleid, auf dem neuen Anzug plötzlich ein hässlicher Fleck wäre. Wenn die weiße Weste nicht mehr weiß wäre. 

Naja, die Produkte aus der Waschmittelindustrie werden wohl helfen können. Die waschen ja, laut Selbstaussage wahlweise: tiefenrein, blütenweiß, strahlend weiß, oder gar weißer als weiß alles mit „neuer Formel“, „neuer Mischung“ oder mit der Kraft des Sauerstoffs. ….. 

OK, bei Klamotten mag das vielleicht funktionieren, Vanish Oxy-Action und der Fleck ist weg. 

In der Geschichte die wir eben gehört haben, ist das komplizierter, die Versprechungen der Waschmittelchemie greifen da wohl ehr nicht. Der junge Mann hat sich auch nicht nur die Klamotten versaut, am Ende konnte man sein Leben, im wahrsten Sinn des Wortes so bezeichnen: Unter aller Sau. Und da gibt es kein Pulver, Gel oder Spray zur Reinigung. Mit einem Wisch ist eben nicht alles weg. 

Die Geschichte die wir eben gehört haben, die gehört sicher zu den bekanntesten Gleichnissen in unserer Bibel. Mir wurde die Geschichte mit der Überschrift „Der verlorene Sohn“ erzählt, damals. Ob das so richtig ist, darauf werden wir heute noch kommen. Jedenfalls ist es eine TOP 10 Geschichte unter denen in den Evangelien. 

Wie gesagt, zu meiner Kindergottesdienst- und Grundschulzeit wurde uns diese Geschichte vom „Verlorenen Sohn“ mit der Absicht erzählt (zumindest habe ich das so empfunden, und das zählt ja schließlich): 

Sei schön brav, ärgere deine Eltern nicht, verlange nichts Unbotmäßiges von ihnen, sei nicht verschwenderisch, sonst geht’s dir 

1. am Ende ganz mies. Also träume nicht vom Luxusleben, am Ende geht es dir sauschlecht (passt da ganz gut,) denn so geht es einem, der sich von 

(und da war es nicht mehr ganz klar) der Familie und / oder von Gott lossagt. Und

2. Du musst dann deine Sünden bekennen und der liebe Gott hat trotzdem immer noch viel unnötige Arbeit mit dir. 

Es ist schon schlimm, wenn Gott als Erziehungsgehilfe für fragwürdige Ordnungsideen missbraucht wird. Gottesvergiftung hat es Tilmann Moser, ein Autor in den 80er Jahren, genannt. 

Gottesvergiftung ist es, wenn biblische Geschichten mit erhobenem Zeigefinger erzählt werden, erst mal mit einer wohlfeilen Moral daher kommen. Du darfst nicht, du sollst, du musst…… sonst……. 

Das kann nicht zu einem Fest der Befreiung, so wie ich den Beichtgottesdienst genannt habe, passen. 

Zurück zum jüngeren Sohn: Wenn man es genau betrachtet, (und wir zuerst mal vergessen, dass natürlich alles blöd laufen kann) könnte uns der junge Mensch durchaus sympathisch sein . Es ist doch nicht verkehrt, wenn man sich als jüngerer Sohn, der den Hof sowieso nicht erben wird, anders orientiert, seinen eigenen Weg sucht,vorwärts kommen möchte, sein eigenes Leben leben möchte, eigene Perspektiven entwickeln möchte. Und warum denn nicht: Eine Zeit im Ausland, viele junge Leute machen das ja. Etwas Neues erleben, neues entdecken, raus aus dem Trott. Das ist nicht falsch. Und der Sohn hatte auch alles Recht, sein Erbteil zu fordern und offensichtlich war der Hof des Vaters wirtschaftlich so gesund, das er es sich leisten konnte, das Erbteil (1/3) auszuzahlen. 

Nun, es kommt wie es kommt (nicht kommen musste!!) das neue, freie, selbstbestimmte Leben des jungen Mannes läuft nicht so wie geplant. Es folgt der Absturz und als dann auch noch äußere Faktoren (ich meine die Hungersnot) dazukommen, gibt ihm das denn Rest. Nicht mal Schweinefutter ist ihm erlaubt zu essen. Er lebt, vegetiert am Ende eben „Unter aller Sau.“ 

Down, ganz unten. Abgeschnitten von der früheren Welt, von seinen Träumen und Hoffnungen. Ganz unten. Tränen und die bittere Erkenntnis: Das ist nicht so gelaufen wie ich das dachte. Ich sage das ganz ohne Schadenfreude und ohne: Hättest du, warum musstest du auch…… 

Ganz unten, zermürbt vom eigenen Scheitern, scheinbar ohne Hoffnung, erinnert sich der Sohn an sein Zuhause, an den Vater. Und er erkennt und bekennt: Ich habe gesündigt /mich von dir Gott/Vater getrennt, (das ja mit Sünde gemeint ist), ich habe Schuld auf mich geladen, die ich nie mehr gutmachen, nie mehr abtragen kann. Ich möchte heim. Nicht als Sohn, sondern ohne alle Privilegien, als einfacher Arbeiter. Das ist immer noch um ein Vielfaches besser als das was ich hier habe. 

Ihr Lieben, oft ist die Übersetzung der Lutherbibel einfach genial. Als der Sohn so zurückdenkt an die Heimat und den Entschluss fasst, zurück zu gehen, zum Vater, da heißt es in der Lutherbibel: „……ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen“ 

„Ich will mich aufmachen“ . Wir können das so verstehen wie wir es meistens anwenden: Aufmachen, losgehen, starten, sich in Bewegung setzen. Wir können das aber auch anders lesen: Aufmachen, wie man eine Tür aufmacht. Ich will mich aufmachen, im Sinn von sich öffnen. Das ist der Umschalter in der Geschichte, vielleicht ein Geheimnis. Ich will mich öffnen, für eine andere / neue Wirklichkeit. Hinter, über dem was wir erleben (Schlimmes wie in der Geschichte), dahinter gibt es Gottes Wirklichkeit. Die zu erkennen setzt aber die eigene Erkenntnis „ich habe gesündigt“, ich habe mich von Gott getrennt, voraus. Wenn wir es schaffen anzuerkennen, zu bekennen, dass wir aus eigener Kraft nicht aus dem Schlamassel unseres Lebens herausfinden, dann kann diese neue Wirklichkeit entdeckt werden. 

Sich öffnen und losgehen im Vertrauen auf einen gütigen Vater und mit den Worten: Vater ich habe gesündigt, Vater ich habe mich von dir getrennt, ich dachte ich könne alles allein…… 

Ihr Lieben, ja da ist ein Happy End. Der Sohn kehrt zurück und er kann zurück. Er kann zurück, weil da ein Vater ist, der ihm sogar entgegenkommt (Im Orient ein unerhörter Vorgang). Er kann heimkommen. Darf heimkommen. Versöhnung und Befreiung ist möglich, wird Realität. 

Jetzt wird es Zeit auf Jesus zu verweisen, Weil Gottes Sohn die Brücke ist, die den Rückweg frei gemacht hat. Oder was sonst sollte heißen: „Gestorben zur Vergebung der Sünden…“ Es bedeutet: Der Rückweg ist offen. 

Letztlich machen nicht unser bisschen Zerknirschtheit, unsere Demut und Reue den Rückweg möglich, sondern die Wiederaufnahme in das Haus des Vaters macht der möglich, der von sich selbst sagt: Ich bin der Weg, der Orientierung gibt, ich bin das Brot und der Wein die euch stärken, ich bin das Licht, das den Weg weist. Die Brücke zurück. 

Und so müssen wir die Überschrift über diesen Bibeltext unbedingt korrigieren. Nicht „Der verlorene Sohn“ sollte sie heißten sondern „Der findende Vater“, der mit den offenen Armen, der den Sohn nicht nur als Diener oder Schafhirte irgendwie duldet, sondern ihn mit Ring und Mantel wieder in alle vorherigen Rechte einsetzt. Es geht nicht um die Untreue der Menschen, sondern um die Treue Gottes. 

Nicht unsere Waschpulver, Gels, Sprays und Fluid machen unsere Weste wieder rein, (die vertuschen höchstens) sondern die Menschenliebe Gottes, die soweit ging, dass Gottes Sohn für uns starb. Gott ist es, der uns entgegenkommt, wenn wir uns für Ihn öffnen. 

Und dann wird gefeiert. Mit gutem Grund. „Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden“. Das Fest der Befreiung, das Fest der Versöhnung. Wenn wir dann miteinander, nach der Beichtfeier, Abendmahl feiern dann wird genau dieses Fest der Versöhnung, der Befreiung, des Neuanfangs gefeiert. Wenn wir uns zu ihm bekennen, bekennt er sich zu uns. Zugegeben, das Abendmahl wie wir es feiern, mit einer Oblate und einem Schluck Wein oder Saft, drückt diese Feier eher symbolisch aus. Aber was spricht denn dagegen, das Festessen morgen nicht auch als ein Festessen zum Bekenntnis zu Gott zu sehen. Das ist es ja auch. 

Ja, da ist noch der andere, der ältere /der brave Bruder, der erst mal sauer ist. Wir wollen das nicht ganz unterschlagen, aber das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll. Ich hoffe und wünsche sehr (leider ist da nichts davon berichtet), dass auch er schließlich mitfeiern kann, sich mitfreuen von Herzen. So wie sich unsere Gemeinde mitfreut und mitfeiert. 

Denn das letzte Geheimnis dieser Geschichte heißt: Es gibt für uns alle eine Heimkehr, weil es eine Heimat gibt und weil da einer ist, egal was Du gemacht hast, egal wie Du dich verhalten hast, egal was Du verbockt hast, weil da einer ist der dir entgegengeht und sagt: Komm, dir sind deine Sünden vergeben. 

Amen 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus. AMEN

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