Andacht am Karsamstag, 4. April 2015 im GZ

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Gemeindezentrum:

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Tag der Grabesruhe und
Jesu Hinabstieg in das
Reich der Toten"

Predigttext: Matthäus 27,55-61

55 Und es waren viele Frauen da, die von ferne zusahen; die waren Jesus aus Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient; 56 unter ihnen war Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus und Josef, und die Mutter der Söhne des Zebedäus. 57 Am Abend aber kam ein reicher Mann aus Arimathäa, der hieß Josef und war auch ein Jünger Jesu. 58 Der ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu. Da befahl Pilatus, man sollte ihm ihn geben. 59 Und Josef nahm den Leib und wickelte ihn in ein reines Leinentuch 60 und legte ihn in sein eigenes neues Grab, das er in einen Felsen hatte hauen lassen, und wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes und ging davon. 61 Es waren aber dort Maria von Magdala und die andere Maria; die saßen dem Grab gegenüber.

Liebe Schwestern und Brüder!

Ja, es ist ein seltsamer Tag, der Karsamstag, der Tag der Grabesruhe. Nach all den Ereignissen der vergangenen  Tage der Passionszeit, der Karwoche. Nach letztem Abendmahl, Gefangennahme, Folterung, Urteil und Tod, Begräbnis ist plötzlich Ruhe. Alles aus?

Gleichsam schwebend kommt dieser Tag daher. Gottesfinsternis zwischen Karfreitag und Ostern. Still. Die Zeit hält den Atem an. Alles scheint fern, unwirklich.

Wer miterlebt hat, erleben musste, wie ein geliebter Mensch stirbt, vielleicht plötzlich stirbt, der kennt den Karsamstag. Der kennt diese Leere, diese Fassungslosigkeit dieses bleierne Schweigen, unwirklich.

Da helfen keine Beschwichtigungen wie: „Das Leben geht weiter“ , „der Verstorbene ist jetzt ein Engel im Himmel, Kopf hoch, wird schon wieder“.

Nein, am Karsamstag  gibt es keine schnellen und auch keine einfachen Antworten, keine Wege, keine Hoffnung. Karsamstag, Ruhe, Stille, Trauer, Leid,

Wie anders kommt uns der „Ostersamstag“ und ich halte diesen Begriff für falsch, wie anders kommt uns dieser Tag und die vergangene Woche in dieser unserer Welt entgegen. Volle Geschäfte, überfüllte Parkhäuser, Handel auf Hochtouren, verstopfte Autobahnen. Ostern, Ostern  schreit es uns entgegen. Verfrüht! Verfrüht, nicht nur der Begriff Ostermarkt, auch  in Rödental.

Es scheint, dass wir Passion, Leid, Tod und Grabesruhe, Stille und Entsetzen nicht aushalten können. Schnell, allzu schnell wischen wir die  Karsamstage in unserem Leben, die Karsamstage im Leben unserer Mitmenschen beiseite. „Wird schon wieder…..“

Maria von Magdala und die anderen Frauen (!) , auch sie hätten wohl die banalen sogenannten Trostworte nicht erreicht. Was weißt denn du?

Zunächst erstarrt, geschockt werden sie gewesen sein. Der, auf den sie ihre ganze Hoffnung gesetzt  haben, für den sie alles aufgegeben haben. Voller Zukunftsträume waren sie und dann der worst case. Der schlimmste Fall ist eingetreten. Jesus ist tot. Gefoltert und grausam hingerichtet.  Das Ende, Grauen, Entsetzen.

Maria war konsequent, tapfer. Sie ist bis zuletzt geblieben „Und es waren viele Frauen da, die von Ferne zusahen, die waren Jesus aus Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient, unter ihnen war Maria aus Magdala“…..

Ja, sie war da, hat ausgehalten. Wie soll sie das verkraften. Sie war da und es geht gar nicht darum das Grauen zu beschreiben. Sterben ist schlimm genug.

ER, den sie für den Messias gehalten hat, er, denn wir Gottes Sohn nennen stirbt.

Gott ist tot. Das ist eine Realität mit der unser Glauben immer wieder ringt. Gott leidet und Gott stirbt.

Kann Gott so leiden.  Warum? Warum Gott, lässt du Leid und Qual zu? Warum stürzt ein Flugzeug ab und alle Passagiere sterben?  Warum Krieg und Elend, Ausbeutung, Mord und Folter. Warum?

Dieser hilflose Schrei hallt durch die Welt. Hallt am Karsamstag um die Welt. Die Welt will diesen Schrei nicht hören, erträgt diese Stille auf die Frage Warum kaum.

Die Bibel erzählt uns so gut wie nichts über diesen Karsamstag. Den Tag der Grabesruhe. „Nun ist der Herr zur Ruh gebracht…“ so endet auch die Matthäuspassion von Bach. Es bleibt Stille.

In unserem Glaubensbekenntnis sprechen wir jeden Sonntag: „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“, ja, das ist der Karsamstag.

Kann das ein Trost sein?

Gott ist auch da, wo die Toten, die vergessenen sind, die niemand beweint.

Gott ist auch da, wo die Verzweifelten sind, die Entehrten, die Gefolterten, die Vergewaltigten.

Gott ist auch da, wo es dunkel ist. Gott ist da, auch in den schwärzesten Stunden.

Kann das ein Trost sein?

Morgen, vielleicht. Ja, morgen wird sich Maria von Magdala aufraffen. So wie sich viele Frauen und Männer wieder aufgerafft haben nach dem Schock eines Krieges, nach Flucht und Folter, nach grauenvollen Erlebnissen.

Morgen, ja da wird sich Maria wieder aufraffen, tun was eben getan werden muss. Einkaufen, Feuer machen, die Kinder anziehen, den Toten salben. Morgen wird sie aufbrechen, und sie wird ein leeres Grab finden. Und einen Engel der sagt: Fürchte dich nicht.

Morgen. Nicht heute. Heute ist Karsamstag, dieser seltsam schwebende Tag, ein Tag des Schweigens, der Fragen, der Ratlosigkeit.

Amen.

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