20. Sonntag nach Trinitatis am 2. November 2014

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St. Johannis

Predigt:

Diakon Günter Neidhardt

"Herr, gib mir Feuer!"

Wir wollen in der Stille um Gottes Segen in seinem Wort bitten.

Herr segne unser Reden und Hören Amen.

Liebe Gemeinde,

Es gibt ja bei uns kaum einen Lebensbereich, der nicht Gegenstand der Forschung ist. Und so schmücken sich, einer wissenschaftlichen Studie zufolge, in Deutschland 20% aller Männer zwischen 14 und 44 und 15 % aller Frauen in der gleichen Altersgruppe mit …….(?) …….einer Tätowierung. Tattoos, früher ehr in Hafen- und Rotlichtvierteln verbreitet, kann man sich inzwischen überall stechen lassen. Und wir finden das ja auch bestätigt, zumindest im Sommer wenn die Ärmel und Hosenbeine kurz sind.

Ob wir das schön finden oder nicht, das darf gerne jeder selbst entscheiden.  Auffällig ist diese Zunahme in den letzten Jahren aber in jedem Fall.

Tätowierungen, unauslöschlich eingestochen in die Haut sind, in vielen Fällen ein Statement, ein Bekenntnis, je nach Körperstelle sichtbar für Alle.

Ein Bekenntnis zum Liebsten / zur Liebster,  eine Ehrung der Mama, die Namen der Kinder oder eben Symbole und Bilder die etwas Besonderes im Leben des Trägers / der Trägerin ausdrücken. Auch viele religiöse Symbole sind zu finden.

Warum erzähle ich ihnen das?  Nun zwei Bezüge habe ich heute dazu entdeckt:

  1. Vorgestern haben wir das Reformationsfest gefeiert. Und die Reformation der Kirche hat viel mit dem Statement, dem Bekenntnis, so wie es Luther zugeschrieben wird, zu tun: Hier stehe ich kann nicht anders (ich komme da noch mal drauf zurück) und

  2. Unser Predigttext, der uns für heute aufgegeben ist. Im 2. Korintherbrief, im 3. Kapitel (Verse 3-8), sagt Paulus: Wir geben mit unserem Leben ein Statement, ein Bekenntnis, sichtbar für alle ab. Nicht durch Tätowierungen zwar aber: Hört selbst:

3.   Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen                    Gottes,  nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.

4. Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott.

5. Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott,

6. der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

7. Wenn aber schon das Amt, das den Tod bringt und das mit Buchstaben in Stein gehauen war, Herrlichkeit hatte, sodass die Israeliten das Angesicht des Mose nicht ansehen konnten wegen der Herrlichkeit auf seinem Angesicht, die doch aufhörte,

8. wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Herrlichkeit haben?

Ihr seid ein Brief (Christi). Ein Brief den man lesen kann, aus dem alle lesen können. Und, soviel kann ich schon mal sagen: Aus euch, aus uns kann man immer lesen, ganz egal ob das nun positiv oder negativ ist, gut oder schlecht, fromm oder weniger. Wir geben immer ein Statement ab.

Man kann nicht Nichtkommunizieren hat der große Psychologe und Kommunikationsforscher Paul Watzlawick gesagt.

Wie kommt Paulus zu diesem Bild mit dem Brief? Dass wir selbst ein Brief sind, aus dem andere lesen können.

Nun, es war damals in Korinth, dieser multireligösen Hafenstadt,  wohl so, dass auch noch andere, möglicherweise urchristliche Wandermissionare unterwegs waren, die die Autorität des Paulus und der Apostel in Frage stellten.

Und diese Missionare hatten wohl Empfehlungsschreiben (Briefe) anderer Gemeinden bei sich, die sie vorzeigten und damit ihre Predigt, legitimieren wollten.

Dass Schreiben, Formulare, Bestätigungen, ja Pässe wichtig sind, das wissen wir nicht erst seit Berthold Brecht in den Flüchtlingsgesprächen von 1940/41 polemisierte: Ich zitiere:

Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so eine einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“

Diesen Formularkram setzt Paulus den „lebendigen Brief“ gegenüber. Nicht das korrekte Formular, nicht die gesiegelte Bestätigung gibt Autorität, nicht der gültige Pass ist es was den Menschen, den Christenmenschen ausmacht, sondern:

Auf Euch bildet sich die Wirkkraft Gottes ab. Ihr selbst, wir selbst, sind Ausdruck der Wirkkraft Gottes, so sagt Paulus. Nicht mit Tinte geschrieben, sondern aus dem Geist Gottes, nicht auf steinernen Tafeln (wie die 10 Gebote und viele andere Vorschriften wie ein Christ zu sein habe) sondern, leibhaftig, aus Fleisch und Blut, geschrieben und lesbar in eurem Herz. Ihr seid, und das ist fast wörtlich zu nehmen: Ihr seid die VERKÖRPERUNG des Geistes Gottes und seiner Taten. Ein LEIBHAFTIGES (wörtlich nehmen) Statement, Bekenntnis.

Da fällt es leicht einen kleinen Schlenker zum Reformationsgedenken zu machen. Hier stehe ich, so Luther und die anderen Reformatoren. Hier stehe ich und bekenne: Nicht durch gedrucktes Papier, nicht durch das Befolgen von Anordnungen werde ich vor Gott gerecht sondern nur durch seine Gnade, und den Sühnetod seines Sohnes. Das ist nicht zu erkaufen, nur zu erkennen, aus der Bibel, durch den Geist Gottes. So Luthers leibhaftiges Statement.

Das Gesetzt (und dessen Befolgung) das  ist die Macht, die uns als Forderung begegnet (Du musst, du musst, du musst) und uns so auf unsere eigene Kraft zurückwirft. Der Geist begegnet uns als Gabe, die uns das ermöglicht, das zu tun, dafür einzustehen, für das,  was wir aus eigener Kraft nicht zustande bringen (können)

Dies, so Paulus ist aus Euch lesbar. Man beachte: Ist aus euch lesbar. Nicht: Sollte aus Euch lesbar sein. Oder wie es im Vers 5 heißt: „Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen (am besten amtlich bestätigt) sondern, dass wir tüchtig sind, ist von Gott.

Ich weiß nicht, ob Paulus den Korinthern da nur Honig ums Maul schmieren wollte. „Ihr seid (!) ein Brief, oder ob er ehr darauf hinweisen wollte „Denkt daran, ihr seid ein Brief (und die Leute lesen euch, so oder so) Wie gesagt, ich weiß es nicht.

 Ich weiß aber, dass es diese menschlichen Briefe gibt, in denen ich gelesen habe, die mein Leben , vielleicht auch besonders, mein Leben als Christ geprägt, beeinflusst haben. Dazu gehören große Theologen, die ich auf Kirchentagen hören konnte, deren Gedanken mir Orientierung gaben. Da ist aber auch der Gemeindepfarrer, der sich nicht unterkriegen ließ und die Hausmieterin die ehrenamtlich, über Jahrzehnte das Gemeindehaus in Schuss hielt. Immer da war.  Da sind Diakone meiner eigenen Brüderschaft, deren Biographien mich heute noch ehrfürchtig machen… viele mehr.

Ihr Lieben, diesen Tipp will ich gerne geben. Denkt mal ein bisschen zurück, wer den Euch geprägt hat, Orientierung gab, ein Brief war, geschrieben vom Geist nicht mit Tinte. Missionar war / ist.

Ich selbst war für fast 7 Jahre in Tansania und in meiner Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung stand als Beruf: „Missionar“.  Mission in anderen Ländern treiben wird ja nicht unkritisch gesehen (und auch oft mit Kolonialismus in Verbindung gebracht , teilweise ja auch zurecht).

Ich habe das eigentlich immer für mich so verstanden und verstehe das bis heute so:  Sei ein Brief! Den können alle lesen. Alle sollen dich sehen können und gut ist‘ s. Oder: Lieber Gott, OK, du kannst mich einsetzten. Ich will ansprechbar sein aber: Der Macher bist und bleibst Du Gott.

Es gibt ein Lied von Daliah Lavi (den  Älteren unter uns sicher noch bekannt) die ein englisches Lied (If you could read my mind von Gordan Lightfood) ins Deutsche übertragen hat:
„Wär ich ein Buch zum Lesen, welche Art von Buch wäre ich? Eins, das noch nie dagewesen? Wäre ich ein Buch für dich? Oder legtest du, nach dem ersten Satz die Story aus der Hand? ------

Und noch einen Text habe ich in der Vorbereitung auf diese Predigt gefunden. In einem Büchlein mit dem Titel „Thematische Gebete“ fand ich, mit der Überschrift „Orientierung“ folgenden Text:

Herr, ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendwer auf mich schaut, mich zum Vorbild haben könnte, mich gar verehrt. Was sollte ich schon Großartiges getan haben, das solche Bewunderung hervorrufen könnte? Ich erwarte keinen Nobelpreis, kein Denkmal, keine Fans. Womit könnte ich leuchten? Und doch ist die Möglichkeit nicht abzuweisen, daß heimliche Beobachter meinen Weg säumen, daß hie und da unbekannte Mitmenschen irgendeine Gabe an mir schätzen, irgendeine Verhaltenseigenart bewundern, nachzueifern trachten. Der Gedanke ist absurd, eitel, gefährlich, Herr. Entweder habe ich etwas zum Leuchten, dann begebe ich mich in pharisäisches Grenzgebiet, wenn ich mein Licht zeige. Oder? Vielleicht blende ich aber auch nur, Du meinst, ich solle Orientierung sein, indem ich meinen Weg unbeirrt gehe, indem ich an der roten Ampel stehenbleibe, indem ich Krisen durchstehe, Fähigkeiten ausbilde und einsetze, indem ich bescheiden bleibe.  Wem könnte es nutzen? Den wenigen, die mich ohnehin mögen? Du meinst, es sind noch andere da, von denen ich nichts weiß. Zufällige am Rand meines Lebens. Die einen, die sich nie zeigen werden; die anderen, die mich überraschenderweise aufsuchen, die plötzlich Karten aus dem Urlaub schicken, die schwärmerisch hinter meinem Rücken von mir reden. Dass es sie gibt Herr verpflichtet mich zum Leuchten, Herr. Einfach Licht sein, Wegweiser sein für Unbekannte. Vielleicht ist dieser eine Unbekannte am selben Arbeitsplatz; vielleicht begegnet er mir jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit. Vielleicht ist es der, der immer so freundlich schüchtern grüßt.

In jedem Fall, Herr, gib mir Feuer.

AMEN

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