Gottesdienst in St. Johannis am 1. Sonntag nach Epiphanias - 13. Januar 2019

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St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Der lebendige Gott"

1. Sonntag nach Epiphanias 

- Fest der Taufe Jesu 

Predigttext: Josua 3,5-11.17

Predigt: 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen. 

Liebe Gemeinde, 

unser heutiger Predigttext nimmt uns mit an den Jordan. An die Stelle, an der Jesus getauft wurde. Allerdings nimmt er uns mit in eine Zeit weit vor Jesus. In die Zeit, als Josua gerade neuer Anführer des Gottesvolkes geworden war. Die Sklaverei in Ägypten hatten sie hinter sich gelassen. Mose hatte sie nach der 10.Plage mit starker Hand aus Ägypten geführt. Den Feinden sind sie am Schilfmeer entronnen. Einen langen Weg hatten sie nun hinter sich. Am Berg Sinai hat Gott ihnen seine Gebote mitgegeben, Regeln fürs Leben und Zusammenleben, mit denen das Leben gelingt. Hungersnot und die Anfechtungen in der Wüste hatten sie überstanden. Und jetzt, da stehen sie an der Schwelle zum verheißenen Land. Gerade ist Mose von ihnen gegangen, und Gott hat Josua mit seinem Geist erfüllt, ihm versprochen, bei ihm zu sein und ihn beauftragt, das Volk über den Jordan hinein in die Zukunft zu führen, in die alte Heimat des Gottesvolkes, wo sie sich ansiedeln und wieder heimisch werden dürfen. 

Hört den Predigttext aus dem Buch Josua aus dem 3.Kapitel, die Verse 5 bis 11 und 17: 

Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. Und zu den Priestern sprach er: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. Und der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 8Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! 1Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: Siehe, die Lade des Bundes des Herrschers über alle Welt wird vor euch hergehen in den Jordan. - Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war. 

1. Aufbruch zu neuen Ufern – Lade als Gegenwart Gottes 

Da stehen sie am Jordan, Männer und Frauen, mit Kind und Kegel. Bereit für die Zukunft. Im wörtlichen Sinn ein Aufbruch zu neuen Ufern. Eine Situation, die wir kennen. Erst vor zwei Wochen sind wir aufgebrochen, nicht über den Fluss, aber über die Schwelle ins neue Jahr, vielleicht mit Erwartungen oder Befürchtungen, aber ohne genau zu wissen, was es bringen wird. Nicht nur der Jahreswechsel ist so ein Saufbruch, unser ganzes Leben durchziehen diese Aufbrüche: Da ist die Ausbildung fertig, und die erste feste Stelle wird angetreten, der erste feste Arbeitsplatz. Da findet man einen Partner: Wie wird sich die Beziehung entwickeln? Ist das die Frau, der Mann fürs Leben? Da ist die Hochzeit, mit der alles ganz verbindlich wird. Da kommt das erste Kind, ein Aufbruch in eine ganz neue spannende Zeit mit all den Herausforderungen, die das mit sich bringt. Da ist der Aufbruch in eine neue Zweisamkeit, wenn die Kinder außer Haus sind, und man sich zu zweit noch einmal neu finden muss bzw. neu erfinden kann. Und schließlich der Aufbruch in die Einsamkeit, wenn der Partner vor uns verstorben ist. Und auch dem letzten Aufbruch entkommen wir nicht, hinaus aus dieser Welt. Vielleicht geht’s ganz schnell, vielleicht zu schnell, vielleicht müssen oder dürfen wir diesen Weg auch ganz bewusst gehen. Das Leben besteht aus vielen solcher Aufbrüche. 

Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! 

Beim Aufbruch ins Gelobte Land zieht die Bundeslade voran. Erinnern Sie sich, was es mit der Bundeslade auf sich hat? Das ist jener Kasten aus Akazienholz, innen und außen mit purem Gold überzogen, zwei goldene Cherubim obenauf, an jeder Ecke ein goldener Ring, durch diese zwei vergoldeten Stangen gesteckt, um die Lade tragen zu können. Für die Menschen damals eine kostbare Erscheinung wie aus einer anderen Welt. Und in ihr das Kostbarste, was sie besaßen: die Steintafeln mit den 10 Geboten. 

Die Bundeslade war das Heiligtum der Menschen, ein transportables Heiligtum für den langen Weg. Sie war ein Zeichen der Gegenwart Gottes, so wie auch wir in besonderen Kirchen oder an besonderen Orten meinen, Gott ganz nahe zu sein. Diese Bundeslade war auf den Wegen der Menschen dabei, und soll jetzt voran gehen in den Fluss. In erklärende Worte gefasst bedeutet diese Szene: Gott ist dabei bei diesem Aufbruch. Er begleitet euch, er segnet euch, er lässt den Weg gelingen und euch zum Ziel kommen. Gott geht mit. Und wer weiß, dass Gott dabei ist, den macht das angesichts seiner eigenen Aufbrüche ruhiger und gelassener. Die Israeliten wussten nicht genau, was sie dort drüben erwartet, wo ja andere Völker wohnen. Auch wir wissen nicht immer ganz genau, was auf uns zukommt. Geh deinen Weg, geh ihn mit Gott. Das beruhigt, das lässt uns getrost und zuversichtlich aufbrechen. 

2. Heiligt Euch! 

Bevor es aber losgeht, fordert Josua die Seinen auf: Heiligt Euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. Heiligt Euch! Das Wort „heiligen“ hat oft einen zweifelhaften Klang. „Du bist aber heilig“ sagt man zu dem, der ständig in die Kirche rennt oder zu Gemeindeveranstaltungen. Heiligt euch, werdet heilig! Was will Josua vom Volk Israel? 

Wenn etwas Besonderes auf uns zukommt, besondere Begegnung oder ein besonderer Termin: da macht man sich hübsch, zieht sich nett an, noch ein bisschen Parfüm ran. Und wenn ein Treffen mit Gott bevorsteht? Das sind alles Äußerlichkeiten. Bei Gott, da müsste man den inneren Menschen vorbereiten. Und das meint Josua. Bereitet euren inneren Menschen auf Gott vor, denn Morgen wird der Herr Wunder unter euch tun! Heiligt Euch! 

Meine Schwiegermutter gehört der ukrainischen-orthodoxen Kirche an. Wenn sie zum Abendmahl geht, dann muss sie sich darauf ganz anders vorbereiten als wir es gewohnt sind: Drei Tage muss sie fasten, jeden Tag müssen bestimmte Gebete gesprochen werden, und schließlich die Beichte, bis sie dann endlich entsprechend körperlich und seelisch gereinigt Leib und Blut Jesu Christi empfängt. 

Sich auf die Begegnung mit Gott einstimmen, sich heiligen, das kann für uns konkret heißen: Dinge klären und Bereinigen, die zwischen dir und Gott oder dir und einem anderen stehen. Und ja, heiligen beinhaltet auch einen Anspruch an die Art und Weise, wie wir unser Leben führen, ob wir eben das im Blick haben, was da auf diesen beiden Steintafeln in der Lade steht. Sich heiligen, das heißt: sich Gott entsprechend verhalten, denn er tut Wunder! 

3. Merkt, dass Gott lebendig ist! 

So ein Wunder sollen sie heute erleben, wenn sie den Jordan überschreiten. Und noch eines, wenn sie dann im Land sind. Das erste Wunder wird so beschrieben: 

Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war. 

Im Trockenen gehen sie durch die Furt. Eine Furt war bei so großen Flüssen wie dem Jordan meist dort, wo sich Sand angespült hat, also eine Sandbank mitten im Fluss und dadurch das Wasser nicht so tief war. Aber nass wird man trotzdem, und gefährlich ist es auch, mit allem Hab und Gut und v.a. den Kindern da durchzukommen. Aber es geschieht ein Wunder, ein Wunder, das im Kleinen das Wunder vom Durchzug durchs Schilfmeer wiederholt: Wieder steht das Wasser links und rechts wie eine Mauer. Diesmal ist es nicht der Stab des Mose, der das Wasser aufhält, sondern die Heilige Lade. Trockenen Fußes überschreiten sie den Jordan. Ein Zeichen, dass Gott sie in der alten neuen Heimat willkommen heißt und dabei ist. 

Und ein zweites Wunder kündigt Josua an: 

Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter, die ganzen Völker eben, die jetzt da wohnen, wo Israel künftig wohnen soll. 

Das klingt natürlich nicht so freundlich: Gott wird die angestammte Bevölkerung vertreiben. Wer im Buch Josua weiterliest, der merkt, dass das mit Hilfe der ein- und anderen kriegerischen Aktion des Gottesvolkes geschieht. Begegnet uns hier ein militantes Judentum? So wie es ein militantes Christentum und einen militanten Islam gab und gibt? Ja, früher war man schnell beim Schwert, und schnell dabei, Gott für sich (und seine eigenen politischen Ziele) zu vereinnahmen. Das ist ein Denken, das uns fremd ist, das wir Gott sei Dank überwunden haben. Absicht des Buches Josua ist es, die Landnahme Israels als einen triumphalen Zug ins Heilige Land darzustellen. Historisch war es wohl so, dass sich die Israeliten peu à peu mit der angestammten Bevölkerung vermischt haben, dass es bei weitem nicht so kriegerisch war wie erzählt. Damals, da gabs noch genug Land, da hat jeder sein Stück gefunden. Bei dieser Ansiedlung bei und unter den fremden Völkern konnte das Gottesvolk aber erfolgreich seine religiösen Überzeugungen überzeugend weitergeben, so dass nach und nach auch die anderen zu dem einen Gott fanden und sich Jahrhunderte später ein jüdisch geprägtes Staatsgebilde ausbilden konnte. Also eine Art gegenseitige Assimilation der Israeliten mit den anderen Bewohnern Palästinas. Und ist das nicht vielleicht ein noch größeres Wunder? Dass da ein kleines Volk ins Land kommt, und nicht seien Identität verliert, sondern sogar seinen Glauben weitergeben kann? Der Herr wird Wunder unter euch tun! Wir wünschen uns, dass bei uns vielleicht jenes Wunder umgekehrt geschieht, dass wir Menschen, die bei uns in unseren Ort dazukommen, nicht nur Ausländer, auch Deutsche, und mehr noch: dass wir Menschen, die uns wichtig sind, anstecken können mit unserem Glauben, mit unserem 

Hoffen, mit unserem Lieben. Der belgische Kardinal Leo-Joseph Suenens hat einmal gesagt: „Das Drama der Kirche ist heute nicht, dass die Menschen nicht bereit wären, von Christus zu hören, sondern dass viele Christen nicht bereit sind, von ihm zu reden“. Ich glaube, das ist wirklich das heutige Dilemma. Hätten die Juden um Josua nicht von ihm erzählt, wäre kein jüdischer Staat entstanden. Hätten die Apostel nicht von ihm erzählt, wären die Christen vielleicht eine kleine orientalische Sekte, aber keine Weltreligion, die so vielen Menschen Trost und Hoffnung schenkt. Drüber reden, über das was mich persönlich bewegt. Damit ein anderer sieht und merkt: „Oh bei dir ist Gott lebendig. Ist ers auch bei mir?“. Damit wir alle aufmerksam werden auf die Realität Gottes, auf sein Lebendigsein. 

Drüberreden, das haben wir vor gut einer Woche getan auf unserer Männerwanderung. Dabei heißt es immer: Männer reden über so was nicht. Im Gegenteil. Wir haben Erlebnisse geteilt, wo wir schon Gottes Lebendigsein erlebt haben, v.a. Erfahrungen des Bewahrtwordenseins. Daneben stehen Erfahrungen, wo er uns Angst genommen und Mut gemacht hat. Wo er uns den rechten Weg gezeigt hat. Wo er Neuanfang hat möglich werden lassen. Woran merke ich, dass Gott ein lebendiger Gott ist? Es wäre spannend, wenn auch wir jetzt darüber ins Gespräch kommen würden, wenn jeder von uns erzählen würde, was er mit Gott erlebt hat, und wenns die anderen hören würden. Ich glaube, dann wäre es wie damals bei Israel am Jordan: Wir würden über die Wunder Gottes staunen und merken: Ja, Gott ist ein lebendiger Gott! 

4. Mit Jesus in unser Gelobtes Land! 

Auch die Menschen 1500 Jahre nach Josua haben das auf eine ganz besondere Art und Weise gespürt: Da steht ein neuer, ein anderer Josua im Jordan, ungefähr an der gleichen Stelle wie der erste damals. Dieser neue Josua ist uns besser bekannt in der griechischen Übersetzung seines Namens: JESUS! 

„Er ist dem Ruf Johannes des Täufers in den Jordan gefolgt, steht nun da und lässt sich taufen und erneut geschieht ein Wunder: Der Weg in das wahre Gelobte Land, der Himmel öffnet sich! Gott bekennt sich zu diesem Menschensohn und Menschen von nah und fern, damals und heute erkennen: Dieser Jesus dort im Jordan ist das fleischgewordene Wort Gottes!“.

Gottes Gegenwart nicht mehr auf zwei leblosen steinernen Tafeln, verschlossen in einem goldenen Kasten, sondern Gottes Gegenwart mit uns auf du und du, ganz und gar unmittelbar, frei zugänglich für jeden von uns. So will Gott uns erneut, „wie den Israeliten 1500 Jahren zuvor, als Garant für das Leben, als Garant für die Freiheit, als Garant für den Weg in das Gelobte Land, das Reich Gottes dienen.“ 

Die Fleischwerdung Gottes in diesem neuen Josua haben wir im Weihnachtsfest gefeiert, dem strahlenden Licht seiner unendlichen Liebe zu uns am Epiphaniasfest letzten Sonntag gedacht. Doch was nützen Gedenken und große Feiern, wenn wir das Kind in der Krippe bis nächstes Jahr wieder in den Dachboden räumen oder Jesus im Jordan stehen und einen guten Mann sein lassen. 

Gottes Gegenwart, Jesus ist leichter mitzunehmen und dabeizuhaben als wie die Heilige Lade. Der rechte Ort für ihn ist unser Herz! Wer dieses lebendige Wort Gottes in seinem Herzen bewahrt, bei dem kann es wirken! 

Diesen lebendigen Gott kann uns keiner nehmen, weder Tod noch Teufel. Er ist dabei, wohin wir auch immer aufbrechen in unserem Leben. In seiner Gegenwart ging Israel ins Gelobte Land, und gehen wir hinaus aus diesem Gottesdienst in unser Zuhause, an unsere Arbeitsstelle, zu den Menschen, denen wir begegnen. Der lebendige Gott soll Leuchtkraft in unserem und dem Leben anderer sein, gleich wie ein Stern dann am stärksten strahlt, wenn es am Dunkelsten um ihn herum ist. 

Jesus Christus führt uns ins Gelobte Land, ins Gottesreich, das wir heute immer dann schon betreten, wenn wir Hungrige speisen, Kranke besuchen, Traurige trösten, Fremden gastfreundlich begegnen und Vorurteilen entgegentreten! Wenn man etwas von der Heiligkeit Gottes auch an uns wahrnimmt. Jesus Christus führt uns ins Gelobte Land, ins Gottesreich im Hier und Jetzt wie auch am Ende aller Tage, wenn wir dann ein letztes mal „über den Jordan“ gehen und Gottes Ewigkeit sehen! Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher und größer ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, Jesus. Amen.