Osterpredigt - 12. April 2020

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St. Johannis:
Auslage in der Kirche
und Veröffentlichung in der Homepage

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

Der Herr ist auferstanden,

er ist wahrhaftig auferstanden!

Frohe Ostern,

ihr Pfarrer Jörg Mahler,
 

Predigt zu  1. Kor 15,19-28

Der Friede Gottes sei mit uns allen. Amen.

Nicht lang her, da standen wir barfuß am Feld.
Kalte Fiaß, an Hunger viel Arbeit koa´ Geld.
Dia G´schichten ham´ ma öfter k´eart,
Dia alt´n Leit ham´s uns erzählt.

Nur war´s nia wichtig, denn uns hat ja nia was g´fehlt.
Wir meinten, es kann immer so weiter geh´n.
Immer aufwärts, wie soll´s uns auch anders gescheh´n.
Doch wie schnell sich alles ändern kann,
in einer scheinbar heilen Welt.

So dichtet ganz aktuell Stefan Wilhelm. Ja, unsere Großeltern haben uns erzählt, wie es früher war, Geschichten aus der alten Zeit, von Not und schweren Lebensumständen. Wir habens uns angehört, und doch wars sehr weit weg.

Wir gingen davon aus: Immer geht alles so weiter: immer ist alles verfügbar, ist die ganze Welt nur ein paar Flugstunden weit weg, sind alle Grenzen offen für einen deutschen Pass, Wirtschaftswachstum, das Reicherwerden der Reichen, das um die Existenz kämpfen der Armen. Immer weiter so.

Doch wie schnell sich alles ändern kann in einer scheinbar heilen Welt. Mich bewegt die Angst von vielen, sich anzustecken und schwer zu erkranken. Mich bewegt die Not, in die viele Betriebe und Arbeitnehmer geraten. Mich bewegt die Einsamkeit derer, die alleine wohnen und nicht mehr rauskommen. Mich bewegen die Sorgen der Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen: kein Besuch möglich, obwohl man doch gerade von zwischenmenschlichen Begegnungen, von Zuwendung lebt. Ausgeliefertsein, wenn jemand einen Keim in die Pflegeeinrichtung hineinträgt. Todesangst. 

Und noch eines bewegt mich: In früheren Zeiten haben die Menschen in der Not die Kirchen aufgesucht. Pestzeiten, Kriegsnöte – immer waren sie offen, die Kirchentüren. Menschen kamen wieder neu mit Gott in Kontakt. Durch Wort und Sakrament wurde der innere Mensch für seinen Alltag in der Not gestärkt. Jetzt haben wir das aller erste mal die Situation, dass die Kirchentüren zwar noch offen sind, dass aber nicht mehr bei versammelter Gemeinde gepredigt und das Abendmahl gefeiert und gesegnet wird …

Auf amol is alles anders, auf amol is alles still.
Auf amol kann kaoner mehr tuan, tuan was er will.

Erfahrungen von Passion und Karfreitag sind das. Näher als sonst kommen wir in diesem Jahr dem Schicksal Jesu, näher als sonst ist er uns.

Und wo ist da Ostern?

Blicken wir auf Gottes Wort, auf einen Ausschnitt aus dem 2.Korintherbrief. Diese Worte des Apostels Paulus sind uns als biblische Grundlage für das Osterfest 2020 gegeben. Paulus schreibt:

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. 

Nein, da möchte ich Paulus sogleich widersprechen. Ich hoffe in diesem Leben auf Christus: dass er heilt, dass er Kraft schenkt, und Trost und Orientierung. Dass er sich als gegenwärtig erweist, uns gerade jetzt zur Seite steht. Elend wäre ich, würde ich ihn nicht haben. 

Und doch ist da schon was dran, an dem was Paulus schreibt. Denn es gibt sie eben doch, die Angst davor, dass die Kräfte nachlassen, dass der Tod an die Tür klopft. Diese Angst kann lähmen. Welchen Sinn hat dann alles? Wenn unser Leben die Perspektive der Ewigkeit hat, dann bestimmt diese Hoffnung unsere Existenz im Diesseits, dann können wir getrost und aufrecht unseren Weg gehen, weil wir wissen, dass es letztlich einer ist, der alles in der Hand hat, dem alle Mächte Untertan sind.

20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 

„Nun aber“, mit dieser Anrede stellt sich Paulus all den Zweifeln und dem Verzweifeln entgegen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling. Das heißt: Als Erster in einer Reihe.

Beim Wort “Erstling“ klingen die Erntebräuche des Alten Testaments an: Die erste Garbe wurde Gott dargebracht, und so galt auch der übrige Teil der Ernte als Gott geweiht. Das heißt: In der Auferstehung von Jesus Christus ist unsere eigene Auferstehung verbürgt. Wie er, um seinetwillen, in ihm werden wir als Christinnen und Christen auferstehen, die wir zu ihm gehören. Sein Ostern bleibt nicht sein Ostern, es wird zu unserem Ostern!

21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. 

Adam war der erste Mensch aus der Urzeit. Der Sündenfall von ihm und Eva gilt als Ursache, weshalb der Tod in die Welt kam. Im Judentum gilt Adam nicht nur als Stammvater aller Menschen, sondern auch als „Urmensch“, d.h. alle Menschen und ihr Geschick werden als in ihm enthalten gedacht. Sünder zu sein und Sterblich zu sein, das haftet unserem Menschsein seit Adam an.

Und nun sagt Paulus: Da kommt einer, der durchbricht dieses Muster, das der Welt innewohnt. Dieser eine, Christus, hat den Tod überwunden. Seine Auferstehung schließt die Auferstehung aller ein, die nach ihm kommen, so wie der Tod Adams alle einschließt, die nach Adam kamen.

Adam und Christus. Urzeit und ja: Endzeit. Oder: Schöpfung und Neuschöpfung. Etwas ganz besonderes, einmaliges ist geschehen. Etwas, das die Welt, wie sie die Menschen kannten, aus den Angeln hebt, ist mit Christus gekommen und geschehen: Der Tod ist nicht mehr das schreckliche Ende, sondern nur der Durchgang zu etwas Neuem. Gott hat eingegriffen in den Lauf der Geschichte, er schenkt neues Leben. Von daher ist es kein Wunder, dass wir unsere Zeitrechnung an Christus festmachen: die Jahre vor Christus und nach Christus.

Wir stehen gleichsam in zwei Relationen, jeden von uns gibt’s quasi zweimal:

In Adam“ sind wir Menschen mit unseren Sorgen und Nöten, mit unseren Gebrechen, mit Schuld und dem Tod unterworfen.

In Christus“, ihm durch die Taufe einverleibt, ihm als gläubiger Christ zugehörig, haben wir Hoffnung und Zuversicht, Trost und Geborgenheit, egal wie stark der Sturm um uns weht, werden wir einmal mitten im Tod lebendig gemacht in einem neuen schöpferischen Akt Gottes. Einen neuen geistlichen Leib werden wir bekommen. Unsere Identität werden wir behalten, und doch völlig neu werden. Wir werden nicht bleiben wie wir sind, aber wir werden dennoch bleiben die wir sind!

Einschränkungen des Lebens, nicht nur durch Corona, kennt jeder – in dem auferstandenen Christus aber ist das Neue versteckt und das verdeckt Neue bereits gegen allen Augenschein erschienen.

Leben wir in der Welt als Adam, als Mensch. Aber verzweifeln wir nicht, da wir zu Christus gehören. Der Gott des Lebens ist an unserer Seite. Blicken wir als Adam auf den, der mit uns geht. Und blicken wir als Christ auf die Sorgen und Nöte auch bei anderen, und bringen wir ihnen dieses frohe Osterevangelium in Wort und Tat. Finden wir kreative Wege, unsere Zuwendung zu zeigen im Rahmen dessen, was möglich ist.

Der Konflikt, in dem das adamitische und das christusgemäße in uns lebt, die Einschränkungen des Lebens neben der Gewissheit des mitgehenden und rettenden Gottes, wird sich einmal mit unserem Überschreiten der Grenze zwischen Tod und Auferstehung auflösen, dann werden wir Leben haben die Fülle. 

Ihr Lieben, Paulus ist ein Denker. Er kann nicht anders, als alles zu durchdenken. Er kennt die jüdische Apokalyptik, die Abläufe erdenkt, wie es mal sein wird, dann am Ende, wenn sich Gottes Herrschaft ganz durchsetzen wird. Und so stellt Paulus auch einen Heilsfahrplan auf, den er uns übermittelt. Er denkt sich die Vollendung folgendermaßen:

Wir werden in Christus alle lebendig gemacht.

23 Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; 24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. 25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm "alle Feinde unter seine Füße legt" (Psalm 110,1). 26 Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. 27 Denn "alles hat er unter seine Füße getan" (Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. 28 Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.

Wunderbare Worte, die vom Sieg Gottes und des Lebens beinahe lobpreisend erzählen. Woher Paulus das so genau weiß? Ich denke, so ganz genau weiß er es auch nicht, aber er hat die alttestamentlichen Traditionen mit der Auferstehung Christi zusammengedacht. Und was er schreibt, hat durchaus Sinn.

Wir leben jetzt in der Zeit zwischen der Auferstehung Jesu und dem, was noch auf uns zukommt, der Vollendung. In dieser Zeit wirkt Christus als der Auferstandene und als der Lebendige mitten unter uns. Es ist die Zeit der Kirche, der Verkündigung der frohen Botschaft, die Zeit der Hoffnung. Und zugleich die Zeit, in der Christus die lebensfeindlichen Mächte mehr und mehr zurückdrängt, auch wenn sichs manchmal anders anfühlt.

Aber er tut es: Christus nimmt weg, was uns von Gott trennt, er wirbt um uns und macht dir und mir den Zugang zu Gott frei. Und er will alle Welt den Mächten der Finsternis entreißen, in dem er durch sein Wort und Taufe und Abendmahl zu uns kommt, und uns auf seine Seite ziehen will. Voller Liebe wirbt er um uns, und wer sich umwerben lässt, der spürt bereits im Hier und Jetzt, was es heißt, zu Christus zu gehören, dem Sieger über den Tod.

Paulus bezeugt die universale Herrschaft von Gott Vater, und das Wirken seines Sohnes, der um die Menschen wirbt und seine Gnade schenkt.

Und dann, wenn alles Christus untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.

Schwierige Gedankengänge des Paulus, und doch kommt eines bei mir an: Letztlich behält Gott den Sieg!!

Daher: Nichts muss uns im Leben und Sterben schrecken!

Mit dem eingangs zitierten Lied von Stefan Wilhelm gesprochen: 

Die Zeit heilt alle Wunden, 

und auch diesmal wird’s so sein,
und derweil, bleiben wir – daheim.

Die Zeit heilt die Wunden, weil Christus in der Zeit lebendig ist und uns zur Seite steht, uns Kraft schenkt und Trost, und wenn der Moment kommt, uns auch geleitet in das Reich seines Vaters. Ostern für uns!

Doch eines sei auch noch gesagt, damit es nicht ganz so kommt, wie Stefan Wilhelm prophezeit:

Doch koa Panik, schon bald sind wir wieder mobil.
Und auf den Straßen, sind wir dann wieder zu viel.
Es kommt zurück der Arbeitsstress – die Hektik,
Zeit die uns dann fehlt.
Für des, was im Leben wirklich zählt.

Nutzen wir den Lock-Down, um dem Raum zu geben, was wirklich zählt, im eigenen Leben, aber auch in der Gesellschaft und im Zusammenleben der Völker und im Blick auf die Natur, die sich gerade von vielen menschengemachten Beeinträchtigungen erholt. 

Vieles ist uns in diesen Tagen neu bewusst geworden. Möge es Folgen haben in dem, wie wir unser Leben gestalten.

Dann ist dieses etwas andere Ostern im Jahr 2020 nicht „ausgefallen“, sondern zu seinem Ziel gekommen.

Gott bewahre Euch alle nach dem Reichtum seiner Gnade und schenke Euch Frieden, das Wohlsein des Leibes und der Seele. Amen.