Konfirmationsgottesdienste 12./13. September 2020 St. Johannis



St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Alles Gute ist nicht gut genug"

Predigt zum Konfirmationssegen Martin Bucers 

Kanzelgruß

Liebe Festgemeinde und natürlich ganz besonders liebe Konfirmandinnen und liebe Konfirmanden. Das ist ja heute euer Tag.

Endlich und mit Verspätung, freuen wir uns, dass wir heute euren Festtag feiern können und ihr konfirmiert werdet. Früher sagte man zur Konfirmation auch Einsegnung. Ich komme da noch drauf. Ihr steht heute im Mittelpunkt und, ohne Frage neben den Geschenken die es gibt, wird mancher dazu „Alle Gute“ sagen und wünschen.

Dieses „alles Gute“ ist eine prima Zusammenfassung, damit ich nicht alle guten Wünsche einzeln aufgezählt werden muss. Ich wünsche dir Gesundheit, denkt vielleicht Oma oder Opa. Ich wünsche dir eine passende Ausbildung und einen guten Beruf, denken vielleicht deine Eltern. Dass du dich immer auf jemanden verlassen kannst, denken vielleicht deine Freundinnen und Freunde. Und auch Paten und Patinnen verbinden mit dem „Alles Gute“ vielleicht etwas ganz Besonderes. Das ist alles gut und ich schließe mich gerne all den guten Wünschen an.  Alles gut. Aber nicht genug. Das reicht noch nicht. Da fehlt noch etwas.

Jetzt müssen wir ein bisschen zurück in die Vergangenheit

Als vor fast 500 Jahren also zu der Refomrationszeit, da gab es ja die evangelische Kirche noch nicht wirklich. Vieles wurde neu gedacht und neu durchdacht und neu entwickelt.  Die Konfirmation gehört dazu. Wie soll das sein, was machen wir und wie? Als die die ersten Konfirmationen gefeiert wurden, gab es einen Mann, der sich sehr lange überlegt hat, was man euch wünschen und zusprechen soll.

Dieser Mann, Martin Bucer, ein Theologe, ein Reformator, ein Zeitgenosse Luthers, hat sich da einen Kopf gemacht, weitergedacht.

Das ganze Leben liegt vor euch: Was braucht ihr dafür? Gesundheit, Freunde, Beruf, Humor, Geld, Freizeit, Hobbys – alles gut. Aber nicht genug.

Was ihr braucht ist der Segen Gottes. Ich habe es schon erwähnt. Früher sagte man zur Konfirmation auch Einsegnung. Und dann hat sich dieser Martin Bucer überlegt, die Konfirmanden*innen sollen einen ganz besonderen Segen zugesprochen bekommen. Und soviel kann ich schon sagen, diesen besonderen Konfirmationssegen, den sprechen wir euch auch heute zu. Martin Bucer kam auf folgenden Satz:

„Nimm hin den heiligen Geist, Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten aus der gnädigen Hand Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Heute ist er sprachlich etwas verändert, im Grund aber gleichgeblieben.

Wir sagen heute:

„Gott, Vater Sohn und Heiliger Geist Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, gebe dir seine Gnade.

Schutz und Schirm vor allem Argen,

Stärke und Hilfe zu allem Guten,

dass du bewahrt wirst zum Ewigen Leben."

Friede + sei mit Euch.

Bevor es um das Gute geht, spricht er erst einmal davon, dass ihr Schutz und Schirm braucht vor allem Argen. Ein altes Wort, wir benutzen es nur ab und zu. Wenn jemand arg krank ist, ist er schlimm krank, lebensbedrohlich krank. Wenn uns jemand arglistig täuscht, dann lügt und betrügt er uns nach Strich und Faden. Ganz übel. Wenn etwas im Argen liegt, dann fehlt es hinten und vorne.

Dagegen braucht ihr Schutz und Schirm.

Niemand, der etwas von Computern versteht, geht ins Netz ohne Antivirenprogramm. Sonst fängst du dir Spione, Trojaner und andere Schädlinge ein. Wer von anderen schon einmal gemobbt wurde, braucht Schutz von durch die Familie und Freunden. Dieser Schutz ist Antivirensoftware für die Seele.

Bei Martin Bucer heißt das: Gott oder Geistesgegenwart Gottes. Gott selbst ist bei dir mit seinem heiligen Geist, um dich in Schutz zu nehmen. „Gott, Vater Sohn und Heiliger Geist, gebe dir seine Gnade. Schutz und Schirm vor allem Argen.«

Und erst dann, wenn der Schutzschirm steht, erst dann kommt bei Martin Bucer „alles Gute“. Stärke und Hilfe zu allem Guten.

Wobei, es ist ja nicht immer leicht zu erkennen, was gut ist. Was in der einen Situation gut ist, ist es in einer anderen vielleicht nicht.

Im Lukasevangelium werden nacheinander zwei Szenen erzählt, in denen man meinen könnte, Jesus würde sich total widersprechen.

Szene 1: Jesus erzählt von einem Raubüberfall auf dem Weg zwischen Jericho und Jerusalem. Das Opfer liegt blutend am Boden. Zwei Leute gehen erst mal vorbei. Dann kommt einer und packt an. Dieser Samariter verbindet den Verletzten und schafft ihn in eine Herberge. Stärke und Hilfe zu allem Guten.

Szene 2: Gleich anschließend kehrt Jesus mit seinen Jüngern bei den beiden Schwestern Maria und Marta ein. Marta packt an und organisiert, wuselt in der Küche rum. Maria setzt sich zu Jesus und hört ihm zu. Da stoppt Jesus Marta in ihrer Aktivität. Stärke und Hilfe zu allem Guten: Setz dich zu uns und entspann dich.

Was ist jetzt das Gute?

Was wäre gewesen, wenn der Samariter sich zu dem Verletzten gesetzt hätte und gesagt hätte: Ich hab Zeit, ich hör dir zu? Der hätte das wohl kaum gut gefunden.

Und im zweiten Fall: Wäre das gut und gastfreundlich gewesen, immer nur herumzurennen und keine Zeit für die Gäste zu haben?

»Stärke und Hilfe zu allem Guten« – da muss ich zuallererst einmal sehen, was jetzt gut ist.

Darum geht es hier nicht um eine allgemeine Regel, was gut ist. Sondern in der Konfirmation bekommt ihr gesagt: „Gott Vater Sohn und Heiliger Geist“ sollen und werden dir helfen zu erkennen helfen, was gut ist. Jetzt, in dieser Situation.

Erkennen, was gut für euch ist. Und dann auch sehen, wo ihr für andere gut seid. Wenn andere euch brauchen mit eurer Zeit, mit eurer Hilfe, mit eurem Zuhören. Wenn andere beleidigt oder gemobbt werden. Da brauchen die Freunde Stärke, um aufzustehen und Partei zu ergreifen. Das ist nicht leicht. Vielleicht gerate ich ja dann selbst ins Kreuzfeuer. Für andere einzutreten, die angegriffen werden, das erfordert eigene Stärke. Ganz egal, ob es um körperliche oder seelische Attacken geht. Für andere einzutreten braucht Mut. Woher nehmen?

»Aus der gnädigen Hand Gottes«, sagt Martin Bucer. Die Hand Gottes ist ein Symbol dafür, Gutes auszuteilen. Gottes Hand schöpft aus der Quelle und teilt aus. Gott vertrauen hilft dann dabei, auch sich selbst zu vertrauen, mutig zu sein.

Die gnädige Hand Gottes liegt auf eurem, über eurem Kopf und nimmt euch in Schutz vor allem Argen. Stellvertretend werden wir euch dann diesen Konfirmation Segen zusprechen:

„Gott, Vater Sohn und Heiliger Geist Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, gebe dir seine Gnade.

Schutz und Schirm vor allem Argen,

Stärke und Hilfe zu allem Guten,

dass du bewahrt wirst zum Ewigen Leben."

Friede + sei mit dir.