Jubelkonfirmationen - Gottesdienst am 18.10.2020 -19. Sonntag nach Trinitatis

 

St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler 

"Willst du gesund werden?"

Predigttext: Johannes 5,1-17

Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte.  «Sie warteten darauf, dass sich das Wasser bewegte. Denn der Engel des Herrn fuhr von Zeit zu Zeit herab in den Teich und bewegte das Wasser. Wer nun zuerst hineinstieg, nachdem sich das Wasser bewegt hatte, der wurde gesund, an welcher Krankheit er auch litt.» Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber an dem Tag Sabbat. Da sprachen die Juden zu dem, der gesund geworden war: Es ist heute Sabbat; du darfst dein Bett nicht tragen. Er antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, sprach zu mir: Nimm dein Bett und geh hin! Da fragten sie ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm dein Bett und geh hin? Der aber gesund geworden war, wusste nicht, wer es war; denn Jesus war entwichen, da so viel Volk an dem Ort war. Danach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre. Der Mensch ging hin und berichtete den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund gemacht habe. Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hatte. Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch.

Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.

Liebe Jubelkonfirmandinnen und Jubelkonfirmanden, liebe Festgemeinde,

als Kind war ich ab und an mit  meinen Eltern in den bekannten tschechischen Kurorten wie Franzensbad, Karlsbad und Marienbad, dem geschuldet, dass wir in Grenznähe gewohnt haben, und dass es sich einfach angeboten hat, dorthin zu fahren. Fasziniert war ich dort von den Brunnen mit Thermalwasser. Die Kurgäste haben einen kleinen schmalen Trinkbecher mit Trinkhalm aus Porzellan, füllen ihr Heilwasser ein und trinken es. Auch wenns nicht wirklich geschmeckt hat, einen Becher wollte ich jedes mal trinken.

Heilung durch Wasser. Das ist das Rezept vieler Kurorte von den Alpen bis zur See. Heilwasser oder Meerwasser, getrunken, gebadet oder inhaliert. Auch in unserer heutigen biblischen Geschichte scheint das Wasser eine heilende Funktion zu haben. Der Evangelist Johannes nimmt uns mit nach Jerusalem zu einem der Stadttore, dem Schaftor. Dort wurde in grauer Vorzeit eine Zisterne errichtet, und später ein zweites Wasserbecken durch eine Staumauer aufgestaut. Es ist zu vermuten, dass das Wasser auch zur Reinigung der durch das Tor zum Tempel getriebenen Tierherden diente. Durch die zunehmende Überbauung der Umgebung verloren die Zisternen jedoch an Bedeutung und verlandeten allmählich. Im 1. Jahrhundert n. Chr. nahm dann stattdessen die kultische Verehrung des Bethesdawassers zu, es gab dort scheinbar sogar schon eine gemauerte Kultstätte. In deren fünf Säulenhallen lagen Kranke, Blinde, Lahme und Ausgezehrte, die auf Heilung hofften.

Interessant ist, wie Johannes die Heilungen an diesem besonderen Ort beschreibt: Diese Menschen warteten darauf, dass sich das Wasser bewegteDenn der Engel des Herrn fuhr von Zeit zu Zeit herab in den Teich und bewegte das Wasser. Wer nun zuerst hineinstieg, nachdem sich das Wasser bewegt hatte, der wurde gesund, an welcher Krankheit er auch litt.

Das heißt: Nicht das Wasser an sich heilt, sondern Heilung entsteht nur in dem Moment, wo das Wasser sich bewegt.

Archäologen vermuten, dass die „Bewegung“ des Wassers dadurch entstanden sein könnte, dass Wasser aus dem zentralen Becken unter Verwendung einer Hebevorrichtung in unregelmäßigen Abständen mit einem Schwall in die einzelnen Becken geleitet wurde. Und tatsächlich müssen dort Menschen heil geworden sein, denn archäologisch wurden Votivgaben Gesundgewordener nachgewiesen.

Die Bibel führt die Ursache des sich bewegenden Wassers auf Gott zurück: Der Engel des Herrn kommt herab, um dies zu tun, und so Heilung zu schenken.

So wie beschrieben muss Jesus diese Szenerie vorgefunden haben, als er aus Anlass eines jüdischen Festes nach Jerusalem pilgerte, und dort vorbeikam.

Er sah die auf Heilung hoffenden dort in den Säulenhallen, und einer von ihnen fiel ihm besonders auf.

38 Jahre lag er krank. Eine lange Zeit, heutzutage ein halbes Leben, in früheren Zeiten noch mehr. Heute denken wir nicht an 38 Jahre, sondern an 50 bzw. 75 Jahre. Wie war da bei uns die Lebensqualität, in dieser Zeit? Ich nehme an, dass keiner dauerkrank gewesen sein wird wie dieser Mensch in der biblischen Geschichte. Und ich bin mir sicher, dass jeder in diesen Jahren beides erlebt hat: Freud und Leid. Da waren die wirklich gesegneten Zeiten: der Ehepartner, die Kinder, Enkel- und vielleicht sogar Enkelkinder. Eine Arbeit, um Geld zu verdienen fürs tägliche Brot. Ein Segen, wenn die Arbeit dann auch noch Freude gemacht hat, und wenn in der Familie soviel vorhanden war, auch mal fortzufahren oder sich etwas Besonderes zu gönnen. Bei manchen die Eigentumswohnung oder gar das eigene Haus. Freunde, Menschen, denen man vertrauen kann. Und die vielen kleinen Freuden des Alltags. Und daneben – eine Krankheitsgeschichte. Ein Abschiednehmen von lieben Menschen, ein Lebenstraum, der sich nicht erfüllt hat, schwierige oder zerbrochene Beziehungen. Wenn Jesus uns heute sieht, auf uns trifft, dann sieht er auch unsere Geschichte in diesen 50 und 75 Jahren, mit all dem, was gewesen ist.

Der Kranke ist nicht zu Hause, er ist zum Teich von Bethesda gekommen. Zu dem Ort, wo, wie man sich erzählt, der Engel des Herrn das Wasser bewegt und heilt. Das heißt für mich: Er hält sich an seinen Gott. Er sucht bei ihm Hilfe, an einem Ort, an dem Gott besonders gegenwärtig zu sein scheint.

Und wir? Halten auch wir uns an unseren Gott? Dass sie heute hierher in den Gottesdienst gekommen sind, ist ein Zeichen dafür, dass der Glaube und Gott ihnen wichtig sind. Vielleicht war das auch im Laufe des Lebens verschieden. Oftmals ist es ja so, dass der Kontakt zu Gott etwas weniger wird, wenn man sich in der rush-hour des Lebens befindet, mit Familiengründung und Beruf. Und dann beim Älterwerden sich ihm wieder mehr annähert, sich mehr Zeit für den Glauben nimmt. Manchmal sind es auch schwierige Wegstrecken, auf denen man zwar einerseits mit seinem Gott hadert, ihm aber manchmal auch wieder ganz neu nahekommt. Ihm neu nahekommen, dazu ist es nie zu spät. Heute kommen wir ihm wieder nahe oder besser: er uns. So wie er gezielt auf jenen Kranken am Teich Bethesda zukam.

Und er fragt ihn: „Willst du gesund werden?“.

Und auch an uns heute die Frage: Brauchst Du Heilung? Und ich beziehe diese Frage nicht nur auf unseren körperlichen Zustand, sondern denke ganzheitlich. Denn dieser Kranke hat ja auch ganzheitlich gelitten. Nicht nur, dass sein körperliches Leiden auch etwas mit der Psyche macht. Dazu kommt das seelische Leiden, immer von den anderen am Teich beiseite geschubst zu werden, keine Hilfe zu bekommen, ja, ein Stückweit einsam und allein zu sein. Willst Du, dass etwas in deinem Leben wieder heil wird? Willst du, dass etwas anders wird? Willst du vielleicht mit einem bestimmten Menschen wieder enger zusammenkommen? Oder mit Gott? Wirklich wollen, das ist ein erster und wichtiger Schritt, das Dinge sich auch wirklich verändern.

Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. 

Der Kranke kann sich auf Grund seiner Gebrechen nicht schnell genug bewegen, um als erster in das heilende Wasser zu gelangen. So hat er keine Chance. Und niemand hilft ihm.

Er vergleicht sich: Er sieht auf die anderen, denen es gelingt. Aber er sieht nicht die, denen es auch nicht gelingt, die auch keine Chance haben wie er.

Vergleichen, das tun wir Menschen gerne. Vergleichen wir Sie sich ab und an mit anderen? Vergleichen zieht einen oft runter, weil man sich dabei auf die eigenen Defizite konzentriert, und sieht, dass es in diesem Bereich vielen andern scheinbar besser zu gehen scheint. Und man übersieht dabei das eigene Glück, das Gute, das einem selbst geschenkt ist, trotz all dem Schweren, das einen gerade belastet. Vergleichen kann man sich immer gegenüber denen, denen es besser geht, aber auch gegenüber denen, denen es noch schlechter geht. Besser aber, man dankt Gott für das eigene Gute, und bringt die eigenen Sorgen vor ihn.

Jetzt ist wieder Jesus dran. Was tut er? Er trägt den Kranken nicht in die Nähe des Wassers, und wartet, bis es sich wieder bewegt. Heiliges Wasser, oder vermeintlich heiliges Wasser, das hat er nicht nötig. Er legt dem Kranken auch nicht die Hände auf und heilt ihn durch Berührung, so wie er es manchmal tut. Er spricht ganz schlicht: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! 

Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin.

Geheilt. Ein paar einfache Worte, drei Aufforderungen. Und währenddessen wirkt ganz unsichtbar und unhörbar die Kraft des Himmels. Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! 

Wenn das heutzutage auch so einfach wäre. Wie oft bemühen sich Ärzte und Therapeuthen, und doch sind die Aussichten nicht gut. Aber haben wir nicht andererseits auch ähnliche Erfahrungen gemacht? Dass wir von Krankheit schnell wieder genesen sind? Den Ärzten, den Medikamenten und Gott sei Dank. Und dass wir andere Herausforderungen, von denen es in den vielen Jahren unseres Lebens genug gab, gut überstanden haben? Diese Erlebnisse, die stärken: Wer solche Erfahrungen gemacht hat, in dem vertieft sich das Vertrauen: Gott ist da, er sieht mich, und er hilft mir auch weiterhin.

Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Jesus bringt in Bewegung. Vielleicht sagt das Jesus heute auch zu Dir: Steh auf, geh hin! Beginne die Dinge zu verändern, und meine Kraft wird dich leiten und es gelingen lassen. Steh auf, pack das an, was Du als wichtig erkannt hast, und die Kraft des himmlischen Vaters wird mit dir sein. So, dass Heilung geschieht, dass Friede und Versöhnung wächst, dass Du auch selbst innerlich heil wirst. Steh auf und geh

Mit der Heilung könnte die Geschichte enden, tut sie aber nicht.

Johannes erzählt weiter: Die Frommen treffen auf den Geheilten und fragen ihn, warum er denn sein Bett herumtrage, wo doch Sabbath ist und damit jede Arbeit verboten ist, also auch das Herumtragen eines Bettes. Da erzählt er seine Geschichte. Und auf die Frage, wer denn dieser gewesen sei, der zu ihm gesagt hätte „Nimm dein Bett“, muss er passen. Der nun Geheilte weiß überhaupt nicht, wer ihn geheilt hat.

Am Teich Bethesda haben die Archäologen ein Heiligtum des griechischen Gesundheitsgottes Aeskalup nachgewiesen, manche Apotheken sind bis heute nach diesem griechischen Gott benannt. Das Heiligtum wurde ca. 50 Jahre nach dieser Begebenheit erbaut, nach der Zerstörung Jerusalems im jüdischen Krieg.  Vielleicht wurde hier auch vorher schon neben dem einen Gott Aeskalup verehrt? Und vielleicht war es manch einem der Kranken dort auch egal, welcher Gott ihnen Heilung schenkt, nach dem Motto: Hauptsache gesund? Und nun die Frage an uns: Wissen denn wir, wer uns heil macht an Leib und Seele? Erkennen wir, wem wir soviel Segen verdanken? Wer uns auch im Schweren getragen und behütet hat?

Der Geheilte wusste es nicht. Und damit kann die Geschichte natürlich nicht enden. Jesus trifft noch einmal auf ihn, und zwar im Tempel. Für mich ein Zeichen, dass der Geheilte eben doch ein frommer Mensch war, der hierher kam, um seinem Gott für die Heilung zu danken.

Er erfährt nun, wie sein Wohltäter heißt. Und Jesus hat noch ein weiteres gewichtiges Wort für ihn, einen weiteren Auftrag: Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr.

Ja, im Glauben geht’s nicht nur um eine intakte Beziehung zu Gott, sondern auch um eine gute gottwohlgefällige Lebensführung: Sündige hinfort nicht mehr! Die guten Erfahrungen mit Gott wirken sich aus. Tritt dein Heil nicht mit Füßen, orientiere dich an den guten Geboten Gottes. Werde zum Segen für andere.

Ist die Geschichte jetzt zu einem Ende gekommen? Nein, ein letzter kleiner Akt folgt noch. Der Geheilte geht sogleich zu den Frommen, und berichtet ihnen, wer ihn da gesund gemacht hat. Johannes schreibt weiter: Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hatte. 

Mittendrin sind wir in einem Konflikt um den Ruhetag, was am Sabbath erlaubt oder verboten ist. Und verallgemeinert: Wie wir mit Regelungen umgehen, die uns vorgegeben sind. Regeln braucht es, ohne sie funktioniert eine Gesellschaft nicht. Auch für den Ruhetag braucht es Regeln, sonst geht er in der Geschäftigkeit der Woche unter. Die Gefahr bei Regeln ist aber, dass übersehen wird, was heilsam ist. Wenn Regeln das Gute verhindern, dann entsteht ein Problem. Sehr problematisch finde ich z.B. das Besuchsverbot in Pflegeheimen. Es ist immer noch so, dass in vielen Heimen kaum Kontakt zur Familie und zu anderen möglich ist. Da kann die Pflege noch so gut sein, dass macht den inneren Menschen einsam und seelisch krank. Es ist zu beobachten, wie Menschen verkümmern und wie ein Pflänzchen eingehen. Solche Regelungen gehören dringend auf den Prüfstand, es müssen Alternativen gefunden werden, wie Gesundheitsschutz im heim gestaltet werden kann, denn die seelische Gesundheit gehört eben auch zur Gesundheit eines Menschen dazu.

Das Beste kommt zum Schluss, auch in unserer Geschichte. Der letzte Satz bringt auf den Punkt, worum es geht. Das gilt es mitzunehmen für unser Leben und ja, auch einmal für unser Sterben: Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch.

Ja, das hat er schon immer getan, und das tut er weiterhin unser Gott, darauf könnt ihr euch verlassen, für die Wege, die vor Euch liegen, egal, was sie bringen mögen: Gott Vater wirkt bis auf diesen Tag mitten unter uns, und Jesus wirkt auch. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.