Gottesdienst am 3. Sonntag nach Trinitatis - 28. Juni 2020

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St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Staunen über Gott -
das Geschenk der Vergebung -
Gottes Treue"

Predigttext: Micha 7,18-20

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die übrig geblieben sind von seinem Erbteil; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.

1.Staunen über Gott

„Wo ist solch ein Gott, wie du?“.

So, liebe Gemeinde, fragt der Prophet Micha staunend. Wo ist solch ein Gott wie du? Beeindruckt ist er von seinem Gott. Diese ersten 7 Worte unseres heutigen Predigttextes haben es in sich.

Wenn uns etwas beeindruckt, da stehen wir manchmal sprichwörtlich mit offenem Munde da.

Staunen – das heißt: verwundert sein, weil man so etwas nicht erwartet hätte.

Staunen: eine starke Ver-wunderung, die zu einer Be-wunderung des Verursachers des bestaunten Sachverhalts führt.

Staunen, beeindruckt sein, mit offenem Mund dastehen – angesichts unseres Gottes u8nd dessen, was er tut.

Ja, wirklich: Gestaunt hat das Volk Israel, als ihr Gott sie kraftvoll aus der Hand der Ägypter entrissen und aus der Knechtschaft in die Freiheit geführt hat.

Gestaunt haben sie, als Gott ihnen in der kargen Wüste Manna und Wachteln geschenkt hat.

Gestaunt hat der Prophet Elia, als Gott ihm im leisen Säuseln des Windes begegnet ist. 

Gestaunt hat der kleine Hirtenjunge David, dass er von Gott zum König erwählt wurde, und keiner seiner älteren und stärkeren Brüder.

Gestaunt haben sie über die Weisheit, die Gott ihrem König Salomo geschenkt hat.

Gestaunt hat der Prophet Jona, als Gott ihm im Walfisch gerettet hat und ihn nicht von seinem Auftrag wegrennen ließ. Es sollte ihm und den Bewohnern von Ninive zum Segen werden.

Gestaunt haben die Hirten in der Heiligen Nacht, und die Sterndeuter aus dem Osten: Der große Gott macht sich ganz klein, er kommt zu den Menschen in einem neugeborenen Kind.

Gestaunt hat der blinde Barthimäus, als Jesus ihm das Augenlicht wieder geschenkt hat.

Gestaunt haben die Menschen über die neue Art, in der Jesus vom Gottesreich erzählt, wie ihnen die Augen aufgehen und wie Jesus eine Bewegung der Gottes- und Nächstenliebe in Gang bringt.

Tief traurig, ja, auch das waren sie, als er gefangen genommen wurde, gegeißelt und ans Kreuz geschlagen. - - - Und umso größer das Staunen am dritten Tag: Er ist als der Lebendige wieder mitten unter ihnen, der Tod ist besiegt. Ja, so einen Gott haben wir!! Wo ist solch ein Gott wie du?

Gestaunt haben sie, als sie, die gerade noch verängstigt im Geheimen das Wochenfest gefeiert hatten, plötzlich mit der Kraft aus der Höhe erfüllt wurden, Mut bekommen haben von Jesus zu erzählen, und in alle Welt gingen, um die Frohe Botschaft in die Herzen möglichst vieler Menschen zu bringen.

Liebe Gemeinde, die Bibel ist voller Geschichten des Staunens, und damit auch der Bewunderung Gottes. Wo ist solch ein Gott wie du?

Und unser eigenes Leben? Hast Du auch schon einmal über Gott gestaunt? - -

Ich staune immer dann, wenn ich oben auf einem Berg stehe – Natur rundum, Berge, Wiesen, Wälder, vielleicht die Kühe auf den Almen: eine wunderbare Schöpfung hat Gott uns geschenkt. Sich alles so detailliert ausgedacht. Ein Paradiesgarten mitten im Universum. Und das Wunder Mensch mittendrin. Und genauso ist auch der eigene Garten zum Staunen, wie aus einem kleinen Samenkorn jetzt im Frühjahr große Stängel und Pflanzen wachsen.

Staunen über Gott.

Hast Du gestaunt, welch reichen Segen er Dir geschenkt hat?

Hast Du gestaunt, als Gott Dir mitten in der Ausweglosigkeit neue Wege aufgetan hat?

Hast Du gestaunt, wie Dir mit seiner Hilfe etwas gelungen ist, wo Du doch vor der Aufgabe am verzweifeln warst?

Hast Du gestaunt, als er so kraftvoll eingegriffen und dich behütet hat?

Ja, es geschieht immer wieder, dass Gott uns zum Staunen bringt. Es muss nicht häufig geschehen. Manchmal reicht ein einziges staunendes Erlebnis mit Gott, das ein ganzes Leben prägt und dem eigenen Leben das Gefühl einer tiefen Geborgenheit einhaucht.

Selbst Hiob, der viel mit seinem Gott gerungen hat, der in sein Leid eingegraben mit ihm gekämpft hat, selbst er konnte über Gott staunen.

Gerade dann, wenn wir unseren Gott dringend brauchen, wenn er fern scheint, dürfen wir mit ihm rechnen. Und umsomehr wir in Trübsal festsitzen, umsomehr ist es wichtig auch auf das zurückzublicken, wo wir ihn erlebt haben, uns darauf zu besinnen, und daraus Mut für die Zukunft zu schöpfen.

„Wo ist solch ein Gott wie du“ – wenn so gefragt wird, könnte man ja vermuten, es gäbe noch mehr Götter, mit denen unser Gott verglichen wird. Und tatsächlich gibt es vieles, das Menschen zu ihrem Gott machen, woran sie ihr Herz hängen, was die oberste Priorität in ihrem Leben hat. Und dann vergleiche man mal unsere selbstgeschaffenen Götter und ihren Nutzen für uns mit dem einen lebendigen Gott. Ich denke, ich muss das nicht weiter ausführen…- - - Ich staune gerade beim Vergleichen weiter: wo ist solch ein Gott wie du, der uns das tut, was du an und unter uns wirkst.

Staunen wir über unsern Gott!

2. Das Geschenk der Vergebung – Gottes Treue

„Wo ist solch ein Gott, wie du?“, fragt der Prophet Micha staunend.

Und es ist etwas ganz Besonderes, worüber er konkret staunt. In den drei Versen unseres Predigttextes beschreibt er dieses eine mit neun verschiedenen Bildern und Formulierungen: nämlich dass Gott uns unsere Schuld vergibt! Michas Herz geht über, hören wir noch einmal den Propheten im Originalton: 

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der 

  • die Sünde vergibt (1) 
  • der die Schuld erlässt (2)
  • der an seinem Zorn nicht ewig festhält (3)
  • der barmherzig ist (4)!
  • Er wird sich unser wieder erbarmen (5)
  • Er wird unsere Schuld unter die Füße treten (6) 
  • Er wird alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen (7). 
  • Er wird Jakob die Treue (8) halten 
  • und Abraham Gnade (9) erweisen,

Gott ist barmherzig, das ist die klare Aussage, die der Prophet Micha hier formuliert. Und damit führt uns der Prophet zum Zentrum unseres Glaubens: dass Gott alle Distanz überwindet, die zwischen ihm und uns durch unsere Schuld besteht, dass er sich uns zuwendet. Nirgends wird das so deutlich wie am Kreuz.

Aber auch schon im Alten Testament hat das Gottesvolk seinen Gott so erlebt: als einen der vergibt und einen neuen Anfang schenkt. 

Für viele von uns ist das zu einer selbstverständlichen Floskel geworden: die Vergebung Gottes. Was Vergebung wirklich bedeutet, dass weiß der, der sie dringend bräuchte, und der, dem in seiner Schuld schon einmal vergeben wurde. Es gibt ja diese Situationen im Leben, wo man mal so richtig was Falsches gesagt oder getan hat und Schuld auf sich geladen hat, und es am liebsten ungeschehen machen würde. Da trägt man die Schuld wie eine große Last mit sich. Schwer ist es, aufeinander zuzugehen, schwer ist es, um Verzeihung zu bitten. Und wenns dann zur Versöhnung kommt, dann fällt einem richtig ein Stein vom Herzen.

Das Problem vieler Menschen heute ist, dass ihnen ein Unrechtsbewusstsein fehlt: ein bisschen mogeln, ein bisschen die Vorgaben zum eigenen Vorteil ausnutzen, das ist doch  nicht schlimm. Und an manchem, da sind einfach immer die anderen Schuld. Der Prophet Micha spart nicht mit Kritik: Er kritisiert soziale Verwerfungen und soziale Ungleichheit. Und er kritisiert eine oberflächliche religiöse Praxis, der die tiefe Verwurzelung in Gott fehlt. Auf den Punkt bringt ers mit dem bekannten Wort: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (6,8)

Die Menschen damals kannten nicht nur die Vergebung Gottes, sondern auch das Gegenteil: einen zornigen Gott. Als sie ins Exil nach Babylon weggeführt wurden, sahen viele darin eine Strafe Gottes für all das, was falsch lief. Es gibt für uns in Deutschland keine so einschneidenden Ereignisse wie das damalige Exil für das Volk Israel - außer vielleicht die Corona-Pandemie, die tatsächlich so etwas wie ein Exil auch für die Christen bedeutet, da keine Gottesdienste möglich waren. Aber auch heute hört man vereinzelt: Ob nicht Gott Corona geschickt hat, damit wir als Menschen und Gesellschaft mal endlich in uns gehen und wieder auf den rechten Weg finden? Ich glaube das nicht, aber gleichwohl müssen wir uns auch die Rede vom „Zorn Gottes“ gefallen lassen: „Gott leidet unter unser Engherzigkeit, unter unserem Kleinmut, aber auch unter unserem Hochmut und unserer Arroganz.“

Wir Menschen müssten mehr in uns gehen, über unser Leben nachdenken und erkennen was nicht gut läuft. Das ist der erste Schritt, um sich neu auszurichten und sich zu verändern.

Und Gott lässt uns dabei nicht allein. Er sucht Wege, uns wieder zurechtzubringen. Da wird die Gnade Gottes virulent. Da wird wichtig, dass, Gott uns eben nicht verdammt, sondern, wie es Micha sagt, Gott an seinem Zorn nicht ewig festhält.

Für mich sind das eindrückliche Bilder, die er verwendet: Gott tritt unsere Schuld unter die Füße, d.h. er vernichtet sie einem großen emotionalen Kraftakt. Er wirft die Schuld in die Tiefe des Meeres, sie ist fort. Das, was uns von Gott und voneinander trennt, das nimmt er weg.

Auch da kennen wir oft anderes: gerne wird jemand auf seine Schuld festgenagelt. Immer wieder kramt man sie vor, erzählt sich über ihn, was er damals gemacht hat, hält es ihm selbst immer wieder vor, und gibt ihm keine echte Chance mehr. Typisch menschlich.

Aber eben nicht göttlich. Für die bekannte holländische KZ-Überlebende Corrie ten Boom war Versöhnung das Lebensthema. Sie hat einmal gesagt: "Wenn dir der Herr deine Sünden abnimmt, siehst du sie niemals wieder. Er wirft sie ins tiefe Meer - vergeben und vergessen. Ich glaube sogar, dass er ein Schild darüber anbringt: Fischen verboten!" 

Die Menschen von damals durften wieder heimkehren aus dem Exil ins Gelobte Land. Und das ist genau die Erfahrung, die der Prophet bestaunt: Gottes Gnade und Vergebung ist erlebbar.

Der Prophet wendet sich an Gott, bestaunt im Gebet seine Gnade. Und zugleich richtet er sich an seine Zuhörer, verkündigt ihnen die frohe Botschaft: Gott wird sich uns wieder erbarmen.

Aber warum ist Gott eigentlich barmherzig? Er müsste es ja nicht sein, könnte sich schmollend in den Himmel zurückziehen angesichts dessen, was wir Menschen einander antun, oder er könnte strafend herniederfahren. Warum ist er barmherzig?

Der Prophet weiß eine Antwort: „Gott steht zu seinen Zusagen, er steht zu seinem Bund, den er mit Abraham geschlossen hat. Es geht auch nicht anders, denn sonst wäre Gott ein Meineidiger, ein Lügner. Diese innige Beziehung, die vor tausenden von Jahren begann, wird nie aufgehoben“. Und auch mit uns hat er diesen Bund geschlossen, in unserer Taufe. Und er ist seiner Zusage treu. 

Hört genau hin, staunt: Gott vergibt. Nichts trennt uns mehr von dem großen Gott. Lege also auch du deine Schuld vor ihm ab, bitte ihn um seine Barmherzigkeit, und er wird auch deine Schuld in die Tiefen des Meeres werfen.

Gleichzeitig muss es für uns aber weitergehen, nicht mit der Vergebung stehenbleiben: Gott will dass wir fortan so leben, wie es gut ist, eben: Eben andere auch nicht auf ihre Schuld festlegen. Und: Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor ihm. So gelingt unser Leben und unser Zusammenleben. Gott gebe uns dazu seinen Segen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Fürbittgebet:

Wir danken dir, lebendiger Gott, dass du uns suchst und nachgehst, wenn wir vom Weg abkommen. Du bist unser Schöpfer, du bist unser Beschützer, du bist unser Tröster. Wir danken dir, Gott.
Dein Wort spricht uns frei, es nimmt uns die Angst und gibt uns neue Zuversicht. Wir bitten dich: lass es wurzeln und wachsen, blühen, reifen und Frucht bringen in uns allen. 

Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.


Wir denken an die Kinder in unserer Gemeinde, an die Freude, die sie uns bringen, an die Sorgen, die sie ihren Eltern aufladen. Erhalte ihnen die Offenheit, die Lust zu lernen. Hilf Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, hilf allen, die erziehen und ausbilden, dass sie das ihnen geschenkte Vertrauen nicht enttäuschen, nicht missbrauchen. 

Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.


Wir denken an die Menschen, die in der Mitte ihres Lebens stehen: Bewahre sie davor, sich zu überfordern und sich überfordern zu lassen. Gib ihnen Selbstvertrauen und Gelassenheit. Hilf ihnen, immer weiter zu lernen, Neues, Ungewohntes zu wagen und Altes, Bewährtes zu verteidigen. Lass sie in allem erkennen, dass du die Quelle des Lebens bist. 

Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.


Wir denken an die Altgewordenen unter uns, an alle, die mit dem Gefühl kämpfen, nutzlos und überflüssig zu sein. Zeige ihnen, wo sie gebraucht werden, wo sie anderen helfen können mit ihrer Erfahrung, mit Rat und Tat. Lehre sie, sich am Leben zu freuen, die Zeit zu nutzen, die ihnen geschenkt ist. Lass sie Frieden finden in dir und erhalte unseren Willen, von ihnen zu lernen. 

Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.


Wir denken an die, die mit dem Tod kämpfen. Sei du ihre Hoffnung. Hilf ihnen, Kraft zu schöpfen in der Gewissheit, dass ihr innerer Mensch nicht stirbt, sondern die Herrlichkeit deines Reiches schauen wird. Mache den Angehörigen und uns Mut, davon zu reden und darauf zu vertrauen, dass du der Herr über Leben und Tod bist. Lass dort, wo der Tod schmerzliche Wunden aufgerissen hat, deine liebende und heilende Hand spürbar werden. 

Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.


Dir vertrauen wir uns an, Gott, bei allen Mühen und allen Freuden, die uns das Leben schenkt, denn dir allein gebührt Ruhm und Ehre in Ewigkeit. Durch Jesus Christus, unsern Herrn.

Amen