Gottesdienst am 1. Weihnachtsfeiertag - 25. Dezember 2020

 

St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Die Welt ist nicht von Gott verlassen!"
 

Weihnachten 2020

Predigttext: Jesaja 52,7-10

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König! Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden's mit ihren Augen sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

ein Kind ist uns geboren – er oder sie sind da. Endlich! Gibt es eine schönere Nachricht? Für manche Beteiligte war ja die Spannung kaum noch aufzuhalten. Das Nest ist gebaut, alles ist vorbereitet. Kinderkleidung ist da, das Bettchen steht bereit. Kinderwagen, Wickelbrett, Windeln, Cremes, Badewanne, alles ist da.

Die Großeltern, die Onkel und Tanten fiebernden dem Geburtstermin entgegen, die werdende Mutter ist meistens die Ruhigste, der werdende Vater tut wenigstens so – und dann endlich die Nachricht: Das Kind ist geboren! Ein neues Menschenkind ist in die Welt gekommen! Ein neuer Mensch mit seinen Gaben, seinen Fähigkeiten, seinen Möglichkeiten – ein Stück Hoffnung für die Welt. Was für eine Freude!

Vielleicht sind solche Freudenszenen aus der eigenen Familie auch angeklungen, als wir gestern den Heiligen Abend gefeiert haben. Vielleicht in etwas kleinerer Runde. Aber Weihnachten fällt ja nicht aus. Wir feiern Weihnachten, so freuen uns über das was da im Stall von Bethlehem geschehen ist. Ein Stück weit kennen wir das ja aus eigener Erfahrung. 

Andererseits, wie es uns die Geschichte aus Bethlehem erzählt:  Die äußeren Umstände waren damals ja nicht einfach. Und auch das erleben ja Menschen bis heute. Im Stall wird das Kind geboren; da ist kein gemütliches Zuhause, einladend vorbereitet. Notunterkunft Bald wird es fliehen müssen, dieses neugeborene Kind. Es wird Asyl suchen müssen, das Kind im Stall  und das Kind in Äthiopien, Afghanistan, Iran, … es wird fliehen müssen, damit es überleben kann. Mit seinen Möglichkeiten, seinen Gaben, seinen Fähigkeiten. Mit dieser Hoffnung.

Die Umstände sind ungünstig – und doch ist da große Freude: Siehe, ich verkündige euch große Freude! So haben wir gehört. So hat der Engel auf dem Hirtenfeld zu den Hirten gesagt: Euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr, in der Stadt David. Und wir haben hineinhören dürfen in den himmlischen Lobgesang: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Wunderbar klingen diese Worte – und schmerzlich ist es zu erleben, dass die Zustände in der Welt von solchem Frieden weit entfernt sind. Trotzdem halten wir an der Botschaft fest. Trotzdem feiern wir jedes Jahr Weihnachten. Trotzdem lassen wir uns von der Freude anstecken über die Geburt des Kindes von Bethlehem. Trotzdem lassen wir uns wieder und wieder verkündigen: Euch ist heute der Heiland geboren!

In diesen Worten wird deutlich: Die Welt ist nicht von Gott verlassen. Auch nicht in Pandemiezeiten. Auch nicht im Lookdown.

Da geht es uns mit der Weihnachtsbotschaft ähnlich wie dem Volk Israel mit den Worten des Propheten Jesaja, die ich eingangs vorgelesen habe. So, wie sie uns überliefert sind, treffen diese Worte die Israeliten in einer schwieriger Zeit. Die Menschen leben in der Verbannung, in Babylon das ist das Gebiet des heutigen Iraks. Deportiert, jedenfalls die sogenannten Eliten. Seit 40 Jahren schon,  weit weg von ihrer Heimat, weit weg von ihrem damaligen, gewohnten Leben, weit weg vom Jerusalemer Tempel, weit weg vom Heiligtum, vom Wohnsitz Gottes auf Erden, so haben die Israeliten das verstanden. Weit weg von Gott. Und damit nicht genug: Dieser Wohnsitz ist zerstört! Nach dem Verständnis der Menschen damals ist damit ihr Gott besiegt, die Götter der Feinde waren stärker. Nicht nur ihre Heimat haben sie verloren, auch ihren Glauben. Verlassen von Gott. Was soll da noch kommen?

Den Propheten, wie Jesaja, kommt da eine besondere Bedeutung zu. Sie müssen den Israeliten begreiflich machen und die Israeliten müssen begreifen: Sie hatten sich selbst von ihrem Gott entfernt, waren eigene Wege gegangen, hatten eigene Götter angebetet. Alles Mögliche war ihnen wichtiger gewesen als Gott. Selber hatten sie sich ins Unglück manövriert. Nun sitzen sie im Exil in Babylon. Die große Geschichte Gottes mit seinem Volk scheint zu Ende so empfinden es die Menschen.

Und dann diese Worte, diese Botschaft: Frieden! Heil! Gott ist König! Wie ein Lichtstrahl dringt diese Botschaft in das Dunkel der Verbannung. Wie ein heller Schein strahlen diese Worte in die Herzen der Menschen. Ungläubig hören sie sie zuerst. Doch die Worte setzen sich fest, und im Weitergeben strahlt ihr Licht immer heller auf. Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems!

Paradox oder?

Wie kann das sein? Die Welt sieht doch ganz anders aus! Die Israeliten erleben das, und auch wir erleben das. Die Welt sieht doch ganz anders aus. Von

Nein, mit eigenen Augen werden wir es sehen: Der HERR kehrt zurück nach Jerusalem!

Die Menschen damals haben diese Botschaft gehört. Ungläubig, mit Staunen. Vielleicht haben manche gleich abgewinkt. Dennoch !!!! dieses Dennoch habe ich ja heute schon mehrmahls bemüht. Dennoch, die Worte des Propheten haben Wirkung gezeigt. Angerührt. Sie haben ihnen Hoffnung gegeben. Neue Hoffnung in scheinbar aussichtsloser Lage. Vielleicht haben sie gespürt: Der Prophet hat wirklich Gottes Wort weitergegeben: Es hat gewirkt, dieses Wort. Es hat die Menschen belebt und beflügelt. Sie konnten neues Vertrauen auf ihren Gott fassen.

Und dann haben sie erlebt, wie sie tatsächlich zurückkehren konnten in ihre Heimat. Wie Jerusalem, wie der Tempel wiederaufgebaut worden sind. Wie sie wieder fröhliche Gottesdienste feiern konnten. Aus den Worten des Propheten und aus der eigenen Erfahrung ist neuer Glaube gewachsen. Und darum wurden die Worte des Jesaja weitergegeben, über Jahrhunderte, auch über neue dunkle und dunkelste Zeiten hinweg. Und gerade in solchen Zeiten haben sie Generationen Mut und Kraft gegeben. Bis heute, bis zu uns.

Wir haben gestern die Weihnachtsbotschaft gehört. Manches klingt da ähnlich wie beim Propheten Jesaja. „Friede!“ ruft der Prophet den Menschen zu – „Schalom“ auf Hebräisch. Salam in arabischen Ländern.  Bis heute grüßen einander so die Menschen Friede, Shalom, Salam – der Gruß gerade in friedloser Zeit, damals wie heute.

Fürchtet euch nicht – so grüßt der Engel die Hirten. Und die Hirten waren die Looser zur damaligen Zeit. Am Rande der Gesellschaft statt mittendrin.  Ein Leben, das wie bei den verbannten Menschen in Babylon den Schluss nahelegt: zu: Gott hat uns verlassen, er kümmert sich nicht um uns, oder gar: es gibt ihn gar nicht! Da ist kein Gott! Sie sind doch ausgestoßen, verachtet. Und ausgerechnet ihnen erscheint der Engel! „Hirten erst kundgemacht… „ so singen wir. Wie sollen sie sich nicht fürchten vor dieser Gestalt. Fürchtet euch nicht – dem Evangelisten Lukas ist es ganz wichtig zu berichten, dass gerade zu den Hirten der Engel kommt. Dass er Freude verkündet, Freude, die allem Volk widerfahren soll. So erfahren diese armen Menschen: Gott wendet sich uns zu! Er hat uns nicht verlassen, er hat uns nicht vergessen, er kommt uns nahe. Euch ist heute der Heiland geboren!

Dein Gott ist König! – so hören wir bei Jesaja. Euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr, in der Stadt Davids.So klingt es bei Lukas. In beiden Rufen wird die Zusage laut: Gott ist da!

Die Menschen zur Zeit des Jesaja haben und den Worten des Propheten  vertraut. Und sie haben es erlebt. Das Exil ist Vergangenheit. Wir sind zurück. Das war sehr konkret greifbar, kein billiger Trost.

Und die Hirten haben sich auf den Weg gemacht – und haben auf ihrem Heimweg Gott gepriesen und gelobt.

Heute hören wir von den Erfahrungen, die Menschen über Generationen mit Gott gemacht haben. Nun sind wir gefragt, ob wir dem Gehörten Vertrauen schenken. Ob wir uns einlassen auf den Gott, der sich seiner Welt zuwendet. Gerade dann wenn die Not groß ist. Ob wir uns ihm anvertrauen, mit seiner Gegenwart rechnen und daraus Lebenskraft und Hoffnung schöpfen.  Leben wollen.

Immer wieder werden die äußeren Umstände der guten Botschaft entgegenstehen. Ja. Doch wir dürfen gewiss sein: Dennoch, Trotzdem, Wir sind die, die jubeln und sich freuen sollen. wir sind die Menschen Seines Wohlgefallens. Daraus lasst uns leben – über die Weihnachttage hinaus!

Amen.

Kanzelsegen