Gottesdienst zum Ewigkeitssonntag im Gemeindezentrum St. Johannis am 20.11.2022

Esther Böhnlein

 

 

Predigt:

Pfarrerin Esther Böhnlein

"Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen"

Predigttext: Johannes 6, 37-40

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,

viele Erinnerungen. Bei jedem Namen steigt eine auf. Daran, wie sie immer alle versorgt hat. Wie es immer die guten Bratwürste zu Weihnachten gab. An sein Talent bei der Gartenarbeit. An ihr schlechtes Englisch, das alle erheitert hat. Oder daran, wie er von der Flucht erzählt hat. Die Schlagermusik, die sie so liebte. Oder daran, wie er immer einen passenden Spruch auf den Lippen hatte, über den er selbst ein bisschen schelmisch lachen musste. Daran, wie stolz er war sein Auto zu besitzen. Oder daran, wie sie langsam ihre Erinnerung verlor. Bilder, Gerüchte und Orte steigen auf. Vielleicht auch die Trauer darüber, dass die Erinnerung blasser wird oder darüber, dass es zu wenig oder kaum Erinnerungen gibt. Viele Gefühle mischen sich darunter: oftmals Trauer, aber auch Wut, Liebe, Scham oder Angst. Sie alle kennen das: Die Bilder, die Erinnerungen, die Gefühle. Jeder und jede trauert ganz einzigartig, auf je eigentümliche Art und Weise. Es tut weh und es tut gut zugleich, sich an die Person zu erinnern. Wer um einen Verstorbenen trauert, sehnt sich nach einem Wiedersehen. Also beginnen wir Fragen zu stellen und zu überlegen, wie das wohl sein könnte. Wann wird es wohl soweit sein? Und wie sieht das dann aus? Werden wir uns wiedererkennen oder und plötzlich fremd sein? Fragen über Leben und Tod sind oft keine, die wir beim Kuchenessen am Nachmittag behandeln. Viele Menschen wollen nicht darüber nachdenken, wer trauert denkt aber vielleicht besonders viel darüber nach und kann die Ignoranz der anderen nicht verstehen.

In unserem Predigttext für den heutigen Sonntag, da verhandelt Jesus genau diese schwierigen Fragen, die uns in den Bereich von Leben und Tod führen. Er steht im Evangelium nach Johannes im 6. Kapitel:

Alles, was mir der Vater gibt, das kommt zu mir; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Denn ich bin vom Himmel gekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. Das ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern dass ich’s auferwecke am Jüngsten Tage. Denn das ist der Wille meines Vaters, dass, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, das ewige Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.

Manchmal fehlen einem die richtigen Worte für Trauernde, für Schwerkranke oder Sterbende. Das geht allen so. Also überlegt man hin und her und dreht die Worte lieber noch einmal im Kopf herum, bevor man etwas Unpassendes oder gar Falsches sagt. Der Tod lässt Worte banal erscheinen, macht uns gar sprachlos. Die Worte passen auf einmal nicht mehr oder es fällt einem nichts mehr ein, was womöglich trösten könnte.

Über wie viele Worte von anderen haben Sie sich vielleicht geärgert? Über welche gut gemeinten Ratschläge haben Sie sich aufgeregt? Und von wem kamen die Worte, die Ihnen etwas bedeutet haben?

Die Bibel weiß ein Lied davon zu singen, wie schwer es ist, von der Ewigkeit zu reden. Ewigkeit. Ein schweres Wort. Also redet die Bibel selbst auch in Bildern und Andeutungen, versucht Vergleiche zu finden und irgendwie verständlich zu machen, was das sein soll, diese Ewigkeit.

Zwei Anknüpfungspunkte kann ich im Predigttext finden, die es für mich verständlicher machen – diese Ewigkeit.

Bild 1

Ich sehe eine Tür. Sie steht weit offen, sodass ich einen Eindruck davon bekomme, was sich dahinter verbirgt. Goldenes Licht strahlt hinaus, der Raum wirkt warm und einladend. Ich erkenne einen Tisch, auf dem Brot liegt, daneben ein Glas Wein. Ich möchte gern durch die Tür hindurch gehen. Durchatmen, vielleicht sogar ein Stück von dem Brot essen und einen Schluck Wein nehmen. Die Künstlerin Stefanie Bahlinger hat das Bild gemalt. Es gehört zur Jahreslosung 2022, also dem Bibelvers, der über diesem Jahr steht. Er gehört zu unserem Predigttext und heißt:

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.

Die Tür steht immer offen. Sie ist einladend und niemand wird hinausgestoßen. Das ist das erste Bild für die Ewigkeit: ein warmer, einladender Ort, an dem man sich stärken kann. An dem es genug Platz gibt, Goldschimmer und Wärme und bei dem niemanden die Tür vor der Nase zugeschlagen wird.

Bild 2:

Das zweite Bild erinnert mich daran, wie es ist, wenn ich mit den Grundschulkindern über das spreche, was an Ostern geschehen ist. „Jesus ist auferstanden“, so die Kurzzusammenfassung davon. Auferstehung – was soll das heißen? „Frau Böhnlein, das ist wie, wenn man am morgen geweckt wird. Nur noch mehr“, erklärt eine Schülerin. Ja, „dass ich’s auferwecke am jüngsten Tag“, sagt Jesus da in unserem Predigttext. Und vielleicht ist das Aufwecken am Morgen ja gar kein schlechtes Bild. Weil wir auch nach dem Schlaf wieder zu neuer Kraft gekommen sind, Erinnerungen in unseren Kopf strömen und das wohlig warme Gefühl noch anhält. Aufwecken, auferwecken. Auferstehen zur Ewigkeit.

Gott lässt unsere Verstorbenen nicht liegen. Schenkt ihnen neue Kraft und lädt sie an seinen Tisch ein. Schlägt niemandem die Tür vor der Nase zu. Das ist es, was wir Hoffnung nennen. Das ist es, woran wir uns im Leben festhalten können. Das Neue Testament versucht uns in Bildern diese Hoffnung aufzuzeigen, das Evangelium von Jesu Tod und Auferstehung bilden das Fundament dieser Hoffnung. 

Zwei Bilder gibt unser heutiger Predigttext uns mit, für die Fragen, die wir haben. Für die große Frage danach, wie diese Ewigkeit aussieht, auf die wir hoffen. Eine abschließende Geschichte von Kristina Reftelmöchte ich Ihnen noch erzählen, in der es ebenfalls um die Frage danach geht, wie wir uns die Ewigkeit vorstellen können:

Als der Arzt ihr mitteilte, dass sie höchstens noch drei Monate zu leben hätte, beschloss sie, sofort alle Details ihrer Beerdigung festzulegen. Zusammen mit dem Diakon besprach sie, welche Lieder gesungen werden sollten, welche Texte verlesen werden sollten und welche Kleider sie anhaben wollte. „Und da gibt es noch eine sehr wichtige Sache! Ich will mit einer Gabel in der Hand begraben werden“, sagte sie schließlich. Der Diakon konnte seine Verwunderung nicht verbergen. Eine Gabel? „Darf ich fragen, warum?“, wollte er vorsichtig wissen. „Das kann ich erklären“, antwortete die Frau mit einem Lächeln: „Ich war in meinem Leben zu vielen verschiedenen Abendessen eingeladen. Und ich habe immer die Gänge am liebsten gemocht, wo diejenigen, die abgedeckt habe, gesagt haben: Die Gabel kannst du behalten. Da wusste ich, dass noch etwas Besseres kommen würde. Nicht nur Eis oder Pudding, sondern etwas Richtiges, ein Auflauf oder ein gutes Stück Kuchen oder etwas Ähnliches. Ich will, dass die Leute auf mich schauen, wenn ich da in meinem Sarg liege mit einer Gabel in der Hand. Da werden sie sich fragen: Was hat es denn mit der Gabel auf sich? Und dann können Sie ihnen erklären, was ich gesagt habe. Und dann grüßen Sie sie und sagen ihnen, dass sie auch die Gabel behalten sollen. Es kommt noch etwas Besseres.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.