Predigt für den Sonntag Sexagesimae am 7. Februar 2021

St. Johannis

Predigt für den Videogottesdienst

Pfarrer Jörg Mahler

"Der Same ist das Wort Gottes"

Predigttext:      Lukas 8,4-15 

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm [Jesus] eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. Er aber sprach: Euch ist's gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.
Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Predigt:

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt, Christus, unserm Herrn. Amen.

Liebe Gottesdienstgemeinde,

erst vor Kurzem sprach mich eine vielfache Großmutter auf ihre Enkel hin an: „Warum nehmen sie denn den Glauben nicht ernst? Ich verstehe es nicht. Ich sage ihnen doch so oft, wie wichtig Jesus ist. Und ich bete doch jeden Tag für sie.“. Ihr ist es wichtig, dass ihre Familie mit Gott verbunden ist. Warum? Weil sie es selber immer wieder erlebt, wie der Glaube gerade im Schweren Halt gibt, und wie Gott dem Leben immer wieder die richtige Richtung gibt. Sie schenkt den Enkeln Kinderbibeln und kleine geistliche Hefte. Sie betet mit ihnen. Aber spürt doch wenig Resonanz. „Ach Oma“, sagt die Enkelin nur. Und die Oma, die sorgt sich, und ja, sie leidet auch.

Ähnlich geht es manch einem, der auch so gerne den Glauben an die nächste Generation weitergeben möchte. Da fragt jemand: Warum lassen meine Kinder denn bloß die Enkel nicht taufen? Und Menschen, die in unserer Gemeinde mitarbeiten, machen sich ihre Gedanken: Rentiert sich das, was ich tue, überhaupt? Ich bemühe mich, zur Gemeinde, zum Glauben einzuladen, sehe aber kaum Erfolg. Der Gottesdienstbesuch stagniert, keine neuen Chorsänger kommen dazu. In der Gemeinde müssten doch mehr Kinder, mehr Jugendliche sein. Und wer nicht so denkt, der hat sich vielleicht mit dem status quo abgefunden, erwartet gar nicht mehr.

Ähnlich ging es auch damals den Jüngerinnen und Jüngern und anderen Menschen, die im jüdischen Glauben standen bzw. sich von der Botschaft Jesu anrühren ließen. Warum geht das Glaubenspflänzchen nicht in mehr Menschen auf? Das Evangelium ist doch die beste Botschaft: Gott ist mitten unter uns. Das stärkt und macht Lebensmut. Warum schließen sich nicht mehr Menschen Jesus an? Warum hat er solch harte Gegner?

Jesus redet mit den Seinen gerne in Gleichnissen, verpackt seine Botschaft in einprägsame Geschichten, die man gut mitnehmen und weitersagen kann. Geschichten, Gleichnisse bleiben haften, und mit ihnen ihre Botschaft. Besser als jeder Lehrvortrag. Und so erzählt er den Menschen, die sich bei ihm versammelt haben, auch zu dieser brennenden frage ein Gleichnis, was sonst.

Ein Sämann streut Samen aus. Ich stelle mir sein Feld so vor: Auf der einen Seite führt ein ausgetrampelter Feldweg entlang, eine andere Seite ist von einer Hecke und Gestrüpp gesäumt. Und nochwo, da ist nur eine dünne Erdschicht, darunter beginnt gleich der felsige Untergrund. In der einen Hand hat der Sämann seinen Sack mit Samen, mit der anderen Hand streut er großzügig aus. Und so kommt es, dass einige Samenkörner auf den Weg fallen, einige auf felsigen Grund, einige in die Dornen, der Großteil aber auf fruchtbaren Boden. Eine kleinfeldrige Landwirtschaft auf kargen Böden. Vielleicht fragt sich der ein oder die andere: Warum sät der Sämann denn scheinbar unkonzentriert überall hin, das ist doch Samenverschwendung. Er weiß doch ums Gestrüpp, um den Weg, und seine Erfahrung aus den Vorjahren hat ihm gezeigt, wo kaum Erde den Felsen bedeckt. Kann er nicht besser aufpassen? Wer selbst schon größere Flächen ausgesät hat, der weiß, dass der Samen nie so kontrolliert zu Boden fällt, wie man möchte. Und so fallen etliche Samenkörner dorthin, wo sie keine Frucht bringen werden.

Jesus interpretiert sein Gleichnis und sagt: Der Same ist das Wort Gottes. Das ist schon die erste wichtige Erkenntnis: Der Glaube kommt aus dem Wort Gottes. Glaube wächst, wenn ein Mensch hört, wie Gott zu ihm redet. Und Gott redet: Durch die Bibel, die wir ja „Wort Gottes“ nennen. Und er hat noch viele andere Wege, wie er sich in einem Menschen zu Gehör bringen kann. Dieses Sprechen Gottes zu einem Menschen ist entscheidend, damit Glaube wächst. Und doch, so sagt Jesus, ist dieses Wort Gottes zunächst nur ein Samenkorn. Es hat in sich das Potential, zu keimen, aufzugehen, zu wachsen, sogar Frucht zu bringen. Damit das geschieht, muss noch etwas anderes hinzukommen: nämlich die rechte Beschaffenheit des Bodens, in den gesät wird.

Jesus erzählt vom vierfachen Ackerfeld. Die unterschiedlichen Bodenverhältnisse beschreiben die unterschiedlichen Rahmenbedingungen, auf die das Wort Gottes in einem Menschen trifft. Weg, Fels und Dornen stehen für die Kräfte, die Menschen am Glauben hindern.

  • Beim Weg, da denke ich an Menschen, die einfach viel um die Ohren haben, äußerlich und innerlich viel unterwegs sind. Da wird der Same zertreten von all den Aktivitäten, die da so getan werden, da kommt er unter die Räder. In der der Jugend oder der Rush-Hour des Lebens, da ist oft keine Muße für den Glauben. Da bekommt das Wort Gottes keine Chance. Und es gibt sie, die Menschen, die nicht nur vor anderen, sondern vor sich selbst Ausflüchte finden: Der Glaube ist nicht so meine Sache. Ich bin eben nicht so der religiöse Typ. Solche Entschuldigungen schleppen Menschen manchmal jahrelang mit sich rum, obwohl sie zugleich spüren, dass dieser Same auch in sie hineingelegt wurde – nur hätte das Folgen, wenn er aufblühen würde, die sie nicht zu tragen bereit sind, denn dann müsste der hartgetretene Lebensweg erstmal umgepflügt werden.
  • Der Same auf dem felsigen Grund: Auf der dünnen Erdschicht wurzelt er. Interesse am Glauben ist da, etwas Innerliches wurde angeregt, aber dann kommt das Leben mit seinen Herausforderungen und Anfechtungen. Statt sich zu öffnen, zu sehen, ob sich der Glaube gerade dann bewährt, versteinert ein Mensch, das zarte Pflänzchen geht ein.
  • Der Same unter der den Dornen: Sie ersticken ihn. Interessant, was für Jesus diese Dornen sind: die Sorgen, aber auch die Freude und der Reichtum des Lebens. Ja, manchmal ist auch genau das Gegenteil der Fall: Da führen einen Menschen die Sorgen zu Gott, mitten im Dunkel keimt der Same und geht er auf. Und mitten in der Freude und dem Reichtum sind Menschen ihrem Gott dankbar. Aber viele verlieren Gott auch über den Sorgen, Freuden und Reichtümern des Lebens.

Einiges gibt’s also, was dem Samen am Aufgehen hindert.

Bei Menschen, die uns nahe stehen. Bei Menschen in unseren Gemeinden. Bei uns selbst. Das Gleichnis stellt eben auch mir selbst die Frage: Wie ist es denn der Boden bei dir bestellt? - - - - Kann das Wort Gottes in dir seine Wirkung entfalten – aufgehen – Frucht bringen? - - - Oder gibt es da auch so einiges, was das Samenkorn einengt und abhält?

Wer ist also Schuld, wenn bei einem Menschen kein Glaube wächst? Es liegt nicht alles am Vermögen oder Unvermögen des Sämanns, an seinem Können und Mühen. Das zu Verinnerlichen ist ein großer Trost und eine große Entlastung für alle, denen es von Herzen weh tut, dass ein anderer nicht glaubt, dass man manchmal so wenig Glauben sieht und spürt. Seid nicht enttäuscht, wenn der Same nicht so aufgeht, wie erwartet. Auch das Ackerfeld muss richtig beschaffen sein, damit die Saat aufgeht und Frucht bringt: d.h. es liegt auch daran, wie empfänglich, wie bereit ein Mensch für das Wort Gottes ist, ob er es in sein Herz lässt. Und an noch jemandem liegt es natürlich, ob der Glaube wächst: an Gott selbst, ohne dessen Wirken durch den Heiligen Geist nie Glaube entsteht.

Die spannende Frage ist nun: Lässt sich der Boden in einem Menschen verbessern?

Zuerst blicke ich da wieder auf uns selbst: Was kann denn ich tun, damit dieses Gotteswort in mir zur Entfaltung kommt? Meinen Lebensweg umpflügen? Dornen und Disteln ausreißen? Den Felsen zum Schmelzen bringen? - -

Die Erfahrung zeigt, dass das auch wirklich immer wieder geschieht: Es können andere Lebensumstände, neue Erfahrungen sein, die in einem Menschen etwas verändern. Es kann ein Wort von außen sein, das durchdringt und etwas aufbricht, oder ein eigener Gedanke von Innen. Ein kleines Samenkorn hat große Kraft in sich. Und noch mehr Kraft hat das Wort Gottes: Es kann einen Menschen in Bewegung bringen, sich selbst den Boden bereiten.

Und noch ein Gedanke: Manchmal ist bei den Menschen mehr Glaube da, als man meint. Denn nicht jeder redet drüber. Manch ein Mensch stirbt mit seinem Herzen aufs Engste mit seinem Gott verbunden, ohne dass es ein Angehöriger weiß. Und auch bei manch einem Jugendlichen ist das Samenkorn eingepflanzt, braucht nur vielleicht etwas länger, um aufzugehen, bis der Boden aufbereitet ist.

Ich blicke noch einmal auf den Sämann: Warum sät er denn scheinbar unkonzentriert überall hin, das ist doch Samenverschwendung?, so habe ich vorhin gefragt.

Als Christinnen und Christen müssen wir so verschwenderisch das Wort Gottes aussäen - weil wir eben nicht wissen, wie der Boden bei einem Menschen beschaffen ist. Hundertfältige Frucht stellt uns Jesus in Aussicht – ist das nicht ein Grund, reichlich auszustreuen, um dann zu sehen, wo sie wächst?

Das Wort Gottes wird Gott sei Dank reichlich, verschwenderisch, im Überfluss ausgestreut. Ein Menschen hat so oft die Chance, ihm zu begegnen. Angefangen im Kindesalter bei den Eltern und Paten, sofern sie ihren Dienst ernst nehmen, dann im Kindergarten, im Religionsunterricht, in der Konfirmandenzeit. Bei den Gottesdiensten. In Gruppen und Kreisen. Im Gemeindebrief. Und v.a.: Durch das persönliche Wort eines Menschen, der mich Gutes tun will und mir ein Gotteswort sagt.

Geben wir nicht auf auszusäen, nur weil wir nicht immer Erfolg sehen. So wie die Großmutter, die nicht aufhört, weiter für ihre Enkel zu beten und mit ihnen vom Glauben zu reden. So wie viele Menschen in unserer Gemeinde, die immer wieder die guten Worte Gottes weitergeben. Das Wort Gottes: Es ist uns gesagt, und wir sagen es weiter. Wir selbst sind Ackerboden und Sämann zugleich.

Und tatsächlich: Sie wächst, die Frucht. Hundertfältig. Wer genau hinsieht, der sieht sie immer wieder:

  • Konfis, die nach der Konfirmation Konfi-Teamer werden und der Gemeinde verbunden bleiben. Da trägt das Samenkorn hundertfach Frucht.
  • Ein Mann, der erst ab und zu im GD vorbeigeschaut hat und jetzt regelmäßig kommt, weil er merkt, wie gut es ihm tut Da trägt das Samenkorn hundertfach Frucht.
  • Wer angerührt vom Wort Gottes aktiv wird, sich für andere engagiert, für die Gemeinschaft: z.B. im Besuchsdienst mitmacht oder Bedürftige unterstützt. Da trägt das Samenkorn hundertfach Frucht.
  • Jemand, der in seinem Herzen Gott vertraut, von ihm sich getragen und geborgen weiß – was kanns besseres geben. Da trägt das Samenkorn hundertfach Frucht.

Die gewachsenen Früchte in den Blick bekommen – das verändert unseren Blickwinkel, der sich oft nur auf das Defizitäre richtet.

Jesu Gleichnis regt mich an: Die Frucht in den Blick zu nehmen und Gott zu danken. Weiter zu säen und Gott ums Gedeihen zu bitten. Und dem Wort Gottes in mir selbst Raum zu geben, damit es sich entfalten und wirksam werden kann. Das will ich tun.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.