Kurzandacht: Herbsttag am Fenster

 

 

Andachtstext:

Roland Dier

"Woher kommt mir Hilfe?"

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Ich sitze am Fenster, höre Musik, die Neue von Bruce Springsteen. Das Thema des Albums – Vergänglichkeit; so steht es in der Zeitschrift RollingStone. Es geht um Leben und Tod. Gute und schlechte Zeiten. Ängste und Zweifel. Hoffnung und Träume. Wahrlich ein Album für einen Herbsttag.

Im Ofen brennt das Feuer und es ist wohlig warm, draußen weht der Wind die Blätter von den Bäumen. Ab und zu kommt die Sonne heraus – goldener Oktober. "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr", so heißt es im Gedicht Herbsttag von Rainer Maria Rilke.

Ich will auch gar keines mehr bauen, nicht jetzt und auch nicht später. Ich habe mich eingerichtet in meinem Leben. Die Tage kommen und gehen, alles ist gut. Und doch geht es mir manchmal wie dem Menschen, von dem Rilke am Ende seines Gedichtes schreibt, "und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern". Denn es geschehen plötzlich Dinge, Dinge die auf der glatten Oberfläche meines Lebenssees, in der sich ein schöner Sonnenuntergang spiegelt, Wellen erzeugen.

Da ist die Krankheit einer Freundin oder der Anruf der Tochter, die zum Coronatest muss. Und sofort beginnt er – der Film in meinem Kopfkino. Und der Film, der da läuft ist kein romantischer Liebesfilm und schon gar keine Komödie. Die Bilder die da laufen sind bedrohlich, machen Angst.

Und was mache ich? Mache ich es so wie der Beter des Psalms 121, der mit den Worten beginnt: "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?". Bin ich auch so zuversichtlich wie er und sage: "Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat."

Doch welche Hilfe erwarte ich mir? Dass wie durch ein Wunder alles vorbei ist? Und das jetzt, sofort, nicht irgendwann? Dass die Freundin gesund nach Hause kann und der Coronatest der Tochter negativ ist.

Er war negativ. Wurden meine Gebete hier erhört und warum nicht im Fall meiner Freundin? "Jesus sprach zu der geheilten Frau: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht; geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage!" Glaube ich also unterschiedlich? Wenn es um meine Tochter geht also mehr, stärker als wenn es um meine Freundin geht?

Oder war das ganze nur Glück oder eben Pech?

Nein, ich will nicht in diesen Kategorien denken. Ich will einfach nur dankbar sein und die Hoffnung nicht verlieren. Dankbar dafür, dass der Test bei meiner Tochter negativ war und ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass meiner Freundin geholfen wird und sie wieder gesund nach Hause gehen kann.

Und ich möchte, dass gilt was der Psalmbeter sagt:  "Der HERR behütet dich; der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der HERR behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!"