Gottesdienst in St. Johannis am Sonntag Rogate - 17. Mai 2020

 

 

St. Johannis

Predigt:
Lektor Roland Dier

"Warum habt ihr solche Angst?
Habt ihr noch keinen Glauben? "

Liebe Gemeinde,

Rogate – betet so der Name des heutigen Sonntages. Sie kennen das Sprichwort: Not lehrt beten. Wir leben in einer Zeit der Zahlen. Sie heißen Zahl der Neuinfektionen, Zahl der Genesenen, Reproduktionsfaktor usw. Hat eigentlich mal jemand versucht festzustellen, ob die Zahl der Gebete in den letzten Wochen wirklich gewachsen ist? 

Gebet, ein wunderbares Geschenk. Alles was uns bewegt, das Schöne und das Schwere, dürfen wir vor Gott bringen. Wir wissen aus Erfahrung: Er erfüllt nicht alle Wünsche. Aber er hört uns zu. 

Predigt 

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt 

Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes beten.

Herr segne unser Reden und hören

Amen

Der Predigttext steht beim Evangelisten Mat. Im 6. Kapitel, die Verse 5-15:

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.  Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben. 

Amen

Liebe Gemeinde

Vieles was in den letzten Wochen getan wurde beeindruckt mich tief und erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Auch wenn es schon oft gesagt wurde, aber weil ich den Eindruck habe, dass wir schon anfangen zu vergessen und damit beginnen wieder nur an uns zu denken, noch einmal: Danke allen Ärztinnen und Ärzten, allen Krankenschwestern und Krankenpfleger, allen Verkäuferinnen und Verkäufern in den Geschäften, an alle die Namenlosen, die sich in den Dienst an ihren Mitmenschen gestellt haben. 

Liebe Schwestern und Brüder. Es wurde und wird zur Zeit auch viel gesagt und geredet und eine Sondersendung im Fernsehen folgt auf die andere. Das Meiste werde ich wohl wieder vergessen. Nicht aber die Worte von Papst Franziskus, die er in einem Gebet mitten in der Krise gesagt hat. Er beginnt sein Gebet mit Worten aus der Bibel, aus der Geschichte von der Stillung des Sturmes auf dem See Genezareth: "Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?" 

Diese Worte sind die Antwort Jesu auf den Hilferuf der Jünger: "Herr, rette uns, wir kommen um!" 

Herr, rette uns – eines der kürzesten Gebet der Welt. Oder klingt das nicht ein wenig wie der Ruf des Kindes nach seinem Papa oder seiner Mama. Der Ruf des Kindes, das trotz aller Mahnungen, dann doch etwas getan hat, was es nicht tun sollte? Und die Antwort der Eltern? Wenn die Folgen des Tuns nicht so schlimm sind genügt oft ein kurzer Blick auf das, aufgeschlagene Knie und vielleicht ein Pflaster. 

Und Jesus, er sagt nur: "Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?" Würde Jesus das auch zu uns sagen, heute hier auf unserer Erde? Dabei wünschen wir uns doch in Zeiten großer Schwierigkeiten und Probleme, in Zeiten der Not nichts sehnlicher als einen der auf unser, bildlich gesprochen "aufgeschlagenes Knie" schaut, der auch für uns ein Pflaster hat. 

Liebe Gemeinde. Da gibt es im Johannesevangelium die Geschichte von einem Mann der seit 38 Jahre gelähmt war. Jesus trifft ihn an einem Ort mit dem Name Betesda, was übersetzt Haus der Barmherzigkeit bedeutet. Jesus sieht den Mann, der wohl aufgrund seiner Behinderung nicht zur rechten Zeit in das Wasser gelangen kann, von dem er sich Heilung erhofft und fragt ihn: "Willst du Gesund werden?" Dann sagt er zu ihm: "Steh auf, nimm deine Liege und geh!“ Das Wunder geschah, der Mann konnte wieder gehen. 

Doch damit ihr Lieben ist die Heilungsgeschichte noch nicht zu Ende. Nicht die des Kindes mit dem aufgeschlagenen Knie, nicht die des Mannes am Teich Betesda und nicht unsere in Zeiten von Klimawandel und Corona.  Das Kind muss sich wahrscheinlich noch den folgenden Satz seiner Eltern anhören: "Ich hab es dir ja gleich gesagt, aber du wolltest ja nicht hören!" 

Dem Mann damals in Jerusalem sagt Jesus wenig später im Tempel: "Du bist jetzt gesund, sündige nicht mehr, damit dir nicht noch etwas Schlimmeres geschieht, als das, was du bis jetzt durchgemacht hast."  

Papst Franziskus sagte in seinem Gebet und ich denke er sagt es auch zu uns: "Herr, dein Wort heute Abend trifft und betrifft uns alle. In unserer Welt, die du noch mehr liebst als wir, sind wir mit voller Geschwindigkeit weitergerast und hatten dabei das Gefühl, stark zu sein und alles zu vermögen. In unserer Gewinnsucht haben wir uns ganz von den materiellen Dingen in Anspruch nehmen lassen und von der Eile betäuben lassen. Wir haben vor deinen Mahnrufen nicht angehalten, wir haben uns von Kriegen und weltweiter Ungerechtigkeit nicht aufrütteln lassen, wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört. Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir in einer kranken Welt immer gesund bleiben würden. Jetzt, auf dem stürmischen Meer, bitten wir dich: "Wach auf, Herr!"

Wach auf Herr! In schwierigen Zeiten wird ein Gebet oft nur ein Aufschrei, ein Hilferuf. Oft fehlen uns die Worte, wir wissen nicht wie wir unsere Not und Verzweiflung vor Gott bringen sollen. Jesus sagt: Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. 

Es kommt also nicht auf die Zahl der Wörter an. Gott kennt uns. Er kennt uns und versteht uns. Auch wenn unsere Worte wenige sind und uns unvollkommen erscheinen. Und Alle die trotz dieser Zusage noch unsicher sind und noch Zweifel haben gibt er die Worte des Vater Unser. 

Zum Schluss unseres Predigttextes stehen dann zwei Sätze: Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

Zwei Sätze die noch einmal betonen was Jesus wichtig ist. Zwei Sätze die einen Forderung an mich an uns stellen, zwei Sätze deren Erfüllung mir oft schwer fällt. Vergib deinen Mitmenschen.  Aber warum ist Vergebung oft so schwer? Warum fällt es uns in manchen Beziehungen leichter und in anderen schwerer? 

Da ist z. B. ein Freund von mir, der mir etwas versprochen hatte. Er wollte kommen, um mir bei einer Arbeit zu helfen. Doch dann stand ich da und warte und warte und er kam nicht. Eine Woche später treffen ich ihn dann und auf meine Frage wo er denn wahr sagt er, oh entschuldige, ich habe es einfach vergessen. Ärgerlich - sicher, doch ihm diese Verhalten zu vergeben eine leichte Übung.

Doch was ist, wenn der andere mich beleidigt, bloßstellt, verleumdet, kritisiert oder mir nicht die erhoffte Beachtung schenkt. Äußerlich bin ich heil, doch im inneren bin ich schwer verletzt. Und es brodelt in mir. Ich überlege, ob ich mich verteidigen soll oder zum Angriff übergehen soll, ja mich vielleicht sogar rächen soll. Wut, Ärger und vielleicht sogar Hass machen sich breit. Groll und Zorn nehmen Raum in mir ein. Mein Entschluss steht fest: Ich will ihm gar nicht vergeben. Und schon ist es passiert, auch wenn ich es mir nicht eingestehen möchte, es ist dennoch so. Der andere hat Macht über mich gewonnen, über mein Tun und Denken. Denn er löst alle diese negativen Emotionen aus. 

Ist es das wert? 

Wäre es nicht besser, jetzt über meinen eigenen Schatten zu springen, demütig und barmherzig zu sein, dem anderen zu vergeben? 

Der erste Schritt dahin wäre, das ich es wirklich will. Dabei ihr Lieben kann mir ein Perspektivenwechsel helfen. Ich versuche das Ganze aus der Rolle dessen zu betrachten der mich verletzt hat. In welcher Situation befand er sich gerade? Hat er vielleicht nur eigene Verletzungen an mich weitergegeben? Hat er meine empfindliche Seite ganz ohne Absicht getroffen und ist sich dessen gar nicht bewusst? 

Und am Ende kann ich befreit beten „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“.

Amen

Fürbittgebet

Allmächtiger Gott,

du bist wie ein guter Vater und wie eine liebende Mutter.

Um Christi willen erhörst du unsere Gebete.

Durch ihn bitten wir dich:

Für deine Kirche:

Gib ihr offene Augen für die Nöte dieser Welt

und Kraft, für alle einzutreten, die in Not sind.

Wir bitten dich, Herr erhöre uns.

Für die Regierenden:

Steh ihnen bei und hilf ihnen, Frieden zu schaffen und zu erhalten. Hilf ihnen populistischen und egoistischen Forderungen zu widerstehen und das Wohl aller im Auge zu haben.

Wir bitten dich, Herr erhöre uns.

Für alle, die nach Sinn und Halt für ihr Leben suchen:

dass sie nicht in Angst und Verzweiflung erstarren, sondern dass sie dich finden und wieder neuen Mut und Zuversicht finden.

Wir bitten dich, Herr erhöre uns.

Für unsere Kranken und Leidenden:

Schenke ihnen deine Nähe und Hilfe.

Stelle ihnen Menschen zur Seite, die sie trösten und begleiten.

Wir bitten dich, Herr erhöre uns.

Für alle die sich bedingungslos in den Dienst der Gemeinschaft gestellt haben. Gib ihnen die Kraft und die Ausdauer diese Aufgabe zu bewältigen. 

Wir bitten dich, Herr erhöre uns.

Für uns selbst:

Lass uns dankbar werden und erkennen was uns immer wieder geschenkt wird. Zuwendung, Hilfe, Liebe. Hilf uns, jeden Tag auf dich zu hören und alles vor dich zu bringen, was uns bewegt.