Gottesdienst in St. Johannis und Oberwohlsbach am 7. Januar 2018 - 1. Sonntag nach Epiphanias

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OWB, St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Wer sich rühmt,
der rühme
 sich des Herrn!"

Predigttext 1. Korinther 1, 26 – 31 

Seht doch, Brüder und Schwestern, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und was gering ist vor der Welt und was verachtet ist, das hat Gott erwählt, was nichts ist, damit er zunichtemache, was etwas ist, auf dass sich kein Mensch vor Gott rühme. Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, auf dass gilt, wie geschrieben steht (Jeremia 9,22-23): »Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!« 

Liebe Gemeinde,

was schwach, gering und verachtet ist, das hat Gott erwählt. 

Die folgende Gesprächsrunde könnte sich in unserem Gemeindezentrum abgespielt haben. Hören wir zu: „Immer diese gebrauchten Klamotten. Nur zu gern würd’ ich mir mal in einem ganz normalen Kleiderladen etwas zum Anziehen kaufen. Etwas Neues.“ So eine 40jährige Frau. Sie sitzt mit ein paar Leuten zusammen. „Ich verstehe das gut“, sagt eine andere. „Mir geht’s genauso. Immer die Sachen aus der Kleiderkammer. Ich hoffe nur, dass es nicht allzu sehr auffällt. Auch für meine Töchter in der Schule ist das nicht einfach.“ 

Was schwach, gering und verachtet ist, das hat Gott erwählt. 

Ein Familienvater schaltet sich ein: „Wisst ihr, wie peinlich es mir ist, mit meiner Familie in dieser Sozialwohnung zu wohnen? Da, wo ich wohne, ist es mir zu laut. Zu hellhörig. Oft ist das Treppenhaus dreckig. Ich schäme mich, dass ich mir nichts Besseres leisten kann.“ „Und vom Urlaub kann ich auch nur träumen“, wirft ein anderer ein. „Andere erzählen von den Stränden in Kroatien – und wir, wir bleiben eben hier. Wie immer.“ Was schwach, gering und verachtet ist, das hat Gott erwählt. „Ihr habt Sorgen … Mir würde es schon gut gehen, wenn meine Kinder wenigstens den Hauptschulabschluss schaffen würden. Doch sie tun sich in der Schule schwer, schwänzen den Unterricht immer wieder. Nachhilfe hat mir die Lehrerin empfohlen. Aber wie soll ich mir das leisten, als Alleinerziehende? Was soll aus ihnen werden?“ – So eine weitere Stimme in der Runde. „Wer sind wir denn eigentlich? Alle schauen doch auf uns herab.“ 

Was schwach, gering und verachtet ist, das hat Gott erwählt. 

Liebe Gemeinde, verlassen wir mal die Szene aus dem GZ und schauen wir mal auf Paulus, den Verfasser des Briefes an die Korninther. 

Der Apostel Paulus wäre hier im GZ in bester Gesellschaft. Andere schauen auf ihn herab. Kränken ihn. Er ist Missionar. Aber gut reden kann er nicht. Sein Reden wirkt kläglich, so wird berichtet. Einmal predigt er sehr lang, bis Mitternacht. Er findet kein Ende. Er merkt gar nicht, wie er übers Ziel hinausschießt, wie man ihm nicht mehr zuhören kann. Kein Wunder, dass ihn bei solchen Redekünsten andere Apostel verlachen. .Manche fragen sich, ob er vielleicht einen Sprachfehler habe. Auch körperlich ist er nicht belastbar. Die langen Reisen zu Fuß werden ihm zugesetzt haben. Er weiß das und spricht das auch offen aus: Seine „leibliche Schwäche“, gibt Anlass zu Getuschel bei den Gemeindegliedern. Nein, Paulus war wohl gar nicht so sehr der tolle Typ wie er manchmal scheinen mag. Keine taffe Person. Trotz Bildung, kein geschulter Redner. 

Was töricht ist vor der Welt, was schwach, gering und verachtet ist, das hat Gott erwählt. 

Dieser Paulus hat von Gott eine Aufgabe bekommen. Er ist Apostel geworden. Paulus ist erwählt.(Trotzdem?!) Vielleicht denkt er dennoch manchmal: Ach hätte ich doch… Ach könnte ich nur … Und träumt davon, dass er ein ganz anderer wäre: selbstbewusster, perfekter, gesünder, belastbarer, … Doch dann rafft er sich auf und sagt sich: Für Gott bin ich in Ordnung. Gott hat mich erwählt. Auch wenn andere mich nicht unbedingt toll finden. Von Menschen verachtet sein – und doch vor Gott gut dastehen. Das könnte der Leitspruch der Gemeinde in Korinth sein. Zur Gemeinde in Korinth gehören viele Menschen, die gesellschaftlich „unten“ sind. Sie träumen: Einmal etwas gelten! Manche sind einfältig Sie haben keine Bildung vor-zuweisen. Viele können tatsächlich nicht lesen und schreiben. Sie sind das Verlieren gewohnt. Aus der Perspektive von oben sind es „Nichtse“– Taugenichtse, Habenichtse. Elitefamilien muss man hier lange suchen. Hier sind Menschen ohne Rang und Namen. Hinz und Kunz. Hier sind Menschen, die Gewalt erfahren haben. Menschen, an denen das Leben vorbeizieht. Die kein Geld für Theater und Kultur haben. Menschen in Armut. Menschen, auf die andere herabsehen. Hartz 4 Empfänger, Wohngeldabhängige…. 

Das Leben für die kleinen Leute in Korinth hart. Die Wohnungen der Armen in Mietshäusern haben keine Küche. Keine Abwasserversorgung. Manche auch keine Fenster. Der Schmutz stinkt auf den Straßen. Nur die Hälfte der Neugeborenen erreicht das zehnte Lebensjahr.Wer will da leben? Doch die Menschen in Korinth haben eine ehrliche Haut. Sie strengen sich an. Viele verdienen mit Handarbeit ihr täglich Brot: Kleine Händler, Handlanger, Leiharbeiter, Minijobber. Sie haben es sehr schwer. Denn auch dafür werden sie noch verachtet. Wer sich von seiner Hände Arbeit ernährt, gilt nichts. Fein und angesehen ist nur die Kopfarbeit. Wo bleibt da ein anerkennender Blick? 

Was würden Sie diesen Menschen raten? Diesen Menschen, die in einer tief gespaltenen Gesellschaft leben? Was hilft wirklich? Paulus hat seine ganz eigene Art von Seelsorge. Briefseelsorge. Er schreibt den Korinthern: Ihr seid tatsächlich unten. Daran gibt es leider nichts zu beschönigen. Armut adelt nicht! Aber Paulus denkt weiter: Ihr seid wie Jesus. Tatsächlich: Ihr seid wie Jesus. „Er liegt dort elend, nackt und bloß in einem Krippelein“ Und: Schaut auf Jesus. Er hängt am Kreuz. Wer am Kreuz hängt, der gilt nichts. Genauso wie ihr. „Kreuz – das steht für Ohnmacht.“ Doch Gott entscheidet sich für diese Ohnmacht, für dieses Elend. Gott entscheidet sich für das Geringe. Für das, was andere verachten. Er entscheidet sich für euch. Für das nackte Kind in der Krippe. Für den Gekreuzigten. Fühlt, wie es ist: Gott erwählt die Niedrigen, den Gekreuzigten, die Ungebildeten, mich, euch. 

Das verändert die Welt. Das verwandelt die Welt. Denn: Der Gekreuzigte steht wieder auf. Er lässt Kreuz, Ohnmacht, Unsinn und Elend hinter sich. Ihr „Nichtse“ seid jemand! Aufrecht geht ihr durch die Welt, geliebe Menschen in Korinth. Ihr seid Christus. Ihr seid sein Leib! Ihr habt Weisheit. Ihr findet euren Platz. Die dummen Sprüche der Reichen verunsichern euch nicht mehr. Ihr hört einfach weg, wenn andere mit ihrer angeben. 

 Menschen bewerten – da macht Gott nicht mit. Die einen sind nicht besser als die anderen. Die Weisen, die Mächtigen, die Angesehenen. Die das Sagen haben. Die den Ton angeben. Sie sind nicht wertvoller. Es gibt sie in der Gemeinde in Korinth. In jeder Gemeinde gibt es sie, natürlich. Aber auch sie sind Christus. Auch sie sind sein Leib. Nicht mehr und nicht weniger, Doch die Mächtigen werden von Gott an einen neuen Platz gestellt. Sie stehen jetzt an einem anderen Ort – neben denen, auf die sie herabgesehen habe. Auf Augenhöhe. Die Gebildeten, die Mächtigen, die Reichen – sie verlieren an Macht. Ihre Vorrechte zählen vor Gott nichts. Sie werden entzaubert. Zwar gehen sie ihrer Tätigkeit weiter nach. Doch ihre Überlegenheit ist vor Gott nichts wert. Sie können sich davon nichts kaufen. Im Leib Christi gelten Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung, Erlösung. 

Liebe Gemeinde, 

sie erinnern sich an die Gesprächsgruppe im Gemeindehaus? Die Menschen sprechen über unseren Predigttext. Hören wir, was sie sagen: „Paulus tut uns unendlich gut“. „Endlich einer, der uns versteht.“ „Hartz IV – das braucht uns nicht mehr peinlich zu sein.“ „Wir sind wer!“ „Das finde ich tröstlich!“ „Auch mein Bildungsabschluss ist vor Gott nicht wichtig.“ „Gott sieht mich an, wie ich bin.“ „Hier kommt meine Lebenskraft her!“ „Und das alles, obwohl wir in den Augen vieler als gering gelten, als machtlos. Obwohl wir von vielen verachtet werden. Obwohl die Welt uns (für) niedrig hält.“ 

Ein lebhaftes Gespräch. So geht es vielleicht weiter: 

„Gott sieht uns. Gott gibt uns den Wert, auf den es wirklich ankommt: Kind Gottes sein.“ „Danke, Gott! Keiner kränkt mich mehr, nur weil ich nicht so viel vorzuweisen habe.“ „Ich sehe jetzt auch deutlicher, was Gott mir geschenkt hat, was ich alles kann. Meine Begabungen.“ „So wie ich bin, gehöre ich dazu – zu dir Gott, zur Gemeinde.“ „Vor Gott muss ich mich nicht verstellen. Danke, Gott!“ „Lassen wir denen, die mehr können als wir, die mehr Geld haben als wir, ihren Platz. Vor Gott stehen sie genauso da wie wir. Zusammen bilden wir eine Gemeinde.“ 

Paulus ist angekommen. Seine Worte bauen auf. Geben Mut. Die Menschen sind selbstbewusst und fröhlich. 

Was töricht ist vor der Welt, was schwach, gering und verachtet ist, das hat Gott erwählt. 

Amen

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