Gottesdienst in St. Johannis am 20. August 2017

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St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Das Versprechen Gottes" 

Predigttext: 2. Buch Mose 19,3-6

Liebe Gemeinde! 

„Den wahren Geschmack des Wassers erkennt man in der Wüste“!  Mit anderen Worten: Etwas, das für mich ganz selbstverständlich ist, so selbstverständlich, dass ich es gar nicht mehr richtig wahrnehme, dass ich es gar nicht mehr höre, rieche, schmecke, das wird in dem Augenblick, in dem es mir fehlt, zu etwas Besonderem für mich. „Den wahren Geschmack des Wassers erkennt man in der Wüste.“ 

Dieses Sprichwort kommt, passend zum heutigen Sonntag, aus Israel. Aus einem Land, dessen Volk viele Wüstenerfahrungen gemacht hat. Die Bibel erzählt davon. Vom Hunger, den das Volk auf der Flucht vor den Ägyptern in der Wüste aushalten muss. Und vom Durst. Von der Angst, der Ohnmacht, dem Gefühl des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit. 

Aber die Bibel erzählt auch von der Rettung, die die Israeliten immer wieder erfahren konnten. Da kam in höchster Not Manna, Brot vom Himmel, da sprudelte plötzlich Wasser aus einem Felsen. Und, auch davon erzählt die Bibel: Von der Hoffnung. Der Hoffnung auf eine Wende, auf einen Neubeginn. 

Wenn ich ganz tief unten bin, dann kommt irgendwann der Augenblick, von dem an es wieder aufwärts geht, von dem an es wieder aufwärts gehen muss. Die Talsohle durchschritten ist. Wieder Licht zu sehen ist, im dunklen Tal. Ich denke viele von uns haben schon diese Erfahrung gemacht. Dass Dunkelheit durchlebt werden muss, aber auch durchlebt werden kann. 

Manchmal ist dieser Weg lang. Der Weg von der Wüste ins gelobte Land, von der Leere in die Fülle, von der Angst vor dem Tod zur Freude über das Leben. Ja dieser Weg ist manchmal weit. Und er war weit für das Volk Israel. Wen wundert’s, wenn einem da unterwegs das Lob im Halse stecken bleibt. 

Unser Predigttext heute erzählt vom Volk Israel in der Wüste. 

Zwei Monate waren sie schon unterwegs. Zwei lange Monate. Quer durch die Wüste. Nichts. Weit und breit nichts. Und immer noch kein Ende in Sicht. Wo wird das noch hinführen? Wo wird er sie noch hinführen? Mose. Sie haben ihm doch vertraut. Haben ihm geglaubt, dass er sie mit Gottes Hilfe ins gelobte Land bringen würde. Wie weit ist es noch? Und wie viel müssen sie noch ertragen, noch aushalten? Erst einmal Pause machen! Sich hinsetzen, hinlegen, ausruhen, versuchen, wieder zu Kräften zu kommen. Und weiterhin Mose vertrauen?! 

Und dann, so lesen wir im 2.Buch Mose, 19, 3-6: 

3 Mose bestieg den Berg, um Gott zu begegnen. Der HERR rief ihm vom Berg aus zu: »Richte den Israeliten, den Nachkommen von Jakob, diese Botschaft von mir aus: 4 Ihr habt selbst gesehen, was ich mit den Ägyptern gemacht habe. Ich habe euch sicher hierher zu mir gebracht, wie ein Adler, der seine Jungen trägt. 5 Wenn ihr nun auf mich hört und euch an den Bund haltet, den ich mit euch schließen will, dann werdet ihr mir mehr bedeuten als alle anderen Völker. Mir gehört die ganze Welt, aber ihr seid in besonderer Weise mein Eigentum. 6 Ja, ihr sollt ein heiliges Volk sein, das allein mir gehört. Als königliche Priester sollt ihr mir dienen!1 Sag dies den Israeliten weiter!« 

(Übersetzung: Hoffnung für alle) 

Was die Israeliten erleben und erleiden, bei ihrem Gang durch die Wüste, kann nur jemand wirklich nachempfinden, der vergleichbares erlebt und erlitten hat. Ich denke an die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen die nach dem Krieg ihre Heimat in eine ungewisse Zukunft verlassen mussten. Die sich auf den Weg machen mussten in eine Zukunft, von der sie keine Vorstellung hatten, wie sie aussehen würde. Gerade wir Rödentaler / Oeslauer wissen davon. Und Straßennamen wie Danziger-, Königsberger – oder Stettiner Straße, Pommernweg oder Schlesierstraße geben ja ein beredtes Zeugnis davon ab. Und gewiss ist es ein Zufall: Unsere iranischen Freude, die wir getauft haben und die oft den Gottesdienst hier besuchen, wohnen in der Sudetenstraße. Sie wissen auch was der sinnbildlich Gang durch die Wüste heißt. Sie sind heute vor Willkür, Gewalt, Terror und Krieg geflüchtet. Geflüchtet, angekommen nach großen Entbehrungen. Angekommen in Europa, wo sie niemand wirklich haben will. 

Werden wir Rödental auch mal eine Syrerstraße und einen Afghanenweg haben, eine Iranerleite oder eine Kosovogasse? 

Die einen waren und die anderen sind am Ende. Was sie am Leben erhält, ist die Hoffnung auf einen neuen Anfang. 

Verzweiflung und Not auf der einen Seite, Hoffnung und die Erfahrung von Rettung auf der anderen. 

Wüstenzeiten und Sonnenseiten. In „Ein Lesebuch zum Kirchenjahr“ schreibt die Autorin, Susanne Breit Kessler, auf dem Klappentext: „Jeder kennt sie, die Wüstenzeiten im Leben, in denen Trauer, Zweifel und Angst die Seele auszutrocknen scheinen. Jeder kennt aber auch die Sonnenseiten, die Glücksmomente einer großen Liebe, oder wenn ein langgehegter Wunschtraum endlich wahr wird. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich das pralle Leben.“ Wüstenzeiten und Sonnenseiten. 

Für beide Seiten finden wir Beispiele in der Welt, aber sicher auch in unserem Leben, unserem Lebenslauf. 

Schweres durchzustehen, dafür wird jeder von uns einen anderen Weg gehen, eine andere Strategie anwenden. Schweigend, betend, Rückzug in die Stille. Der Austausch mit anderen, gleichgesinnten und gleichbetroffenen Menschen, etwa in Selbsthilfegruppen. Oder aber laut und klagend. Albert Schweizer rät, etwas unerwartet, zum Dank, als Hilfe Schweres ertragen zu können. Sicher wird Dank bei einem Schicksalsschlag nicht immer gleich etwas bringen, er kann uns aber helfen, uns von den Tiefpunkten des Lebens nicht dauerhaft lähmen zu lassen. Dank hilft, unseren Blick wieder auf das Ganze unseres Lebens zu richten und dadurch zu entdecken, wie es im Bibeltext heißt: 

„Ich habe euch sicher hierher zu mir gebracht, wie ein Adler, der seine Jungen trägt.“ 

Wüstenzeiten und Sonnenzeiten, zwischen diesen Polen spielt sich unser Leben ab. Mal näher an Not und Sorge und Angst, mal näher an Glück und Freude und Zuversicht. 

Tiefe Trauer und Tränen und dann wieder glückliches Lachen. 

Die Wüstenzeiten, die wir alle kennen. Und die Sonnenseiten, die wir genießen. 

Wie schön, wenn wir hier wie dort nicht allein sind! 

Wenn wir die einen, die Wüstenzeiten, miteinander bewältigen. Und uns über die anderen, die Sonnenseiten, zusammen freuen können. 

Wie schön, wenn neben uns Menschen stehen, denen wir wichtig sind. Partner, Eltern, Kinder, gute Freundinnen und Freunde, die sich mit uns freuen, wenn es uns gut geht und die mit uns leiden, wenn es uns schlecht geht. 

Die einfach da sind, wenn wir sie brauchen. Zum miteinander Lachen oder zum miteinander Weinen. 

Auf unseren »Sonnenseiten« und in unseren »Wüstenzeiten«. 

Und wie schön, nicht wenn, sondern dass Gott bei uns ist! 

5 Wenn ihr nun auf mich hört und euch an den Bund haltet, den ich mit euch schließen will, dann werdet ihr mir mehr bedeuten als alle anderen Völker. Mir gehört die ganze Welt, aber ihr seid in besonderer Weise mein Eigentum. 6 Ja, ihr sollt ein heiliges Volk sein, das allein mir gehört. Gott, der da ist. Der für uns da ist. Für uns alle. An allen Tagen und auf allen Wegen. 

So verspricht es Gott. Dem Volk Israel, dem Volk des ersten Bundes und uns, dem Volk des zweiten Bundes. Bleibend sind wir miteinander verbunden. Gott hat sein Volk erwählt und er erwählt uns heute. 

So hat er’s uns versprochen. 

Gott sei Dank! 

Amen

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