Gottesdienst (Kirche am Abend) am 30. Juli 2017 - 500 Jahre St. Johannis - Das Herbarium

Bildrechte beim Autor

St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Das Herbarium - eine
wunderbare Himmelswiese"

Bildrechte beim Autor

Predigttext: 1. Mose 2,4b-15:

Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. Denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte das ganze Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da in vier Hauptarme. Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen. 

1. 

„Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen.“ 

So beschreibt die Bibel den Paradiesgarten. Weltweit sind bis heute ca. 400.000 Arten von Pflanzen entdeckt und benannt. Ein Wunder, das Gott seiner Schöpfung eingepflanzt hat. Es gibt sie, diese Orte, an denen die Natur bis heute unberührt erscheint, manchmal führt uns ein Urlaub auf eine besondere Bergwiese oder an eine einsame Küste, wo wir einen kleinen Geschmack von dieser Natur pur bekommen. Wir haben im Juni und Juli unsere Wiese zu Hause etwas höher wachsen lassen. Mir war es viel zu schade zu mähen, weil plötzlich mitten im Rasen Blume um Blume und Kraut um Kraut hervorschoss, und Bienen und Schmetterlinge darin fröhlich umherschwirrten. Manchmal ist das Paradiesgärtlein gar nicht so weit entfernt, wie man denkt. Manchmal muss man einfach die Augen auftun, muss nicht jeden Rasen auf englische Höhe kürzen, und staunt dann, wie es in unserem heutigen 104.Psalm heißt: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!“. 

Allerdings sind auch 1/5 aller Pflanzen weltweit auf der roten Liste und vom Aussterben bedroht. Letzte Woche habe ich eine Dokumentation im Radio gehört, dass jetzt, nachdem die Wirtschaftsbeziehung der EU zur Ukraine vereinfacht wurden, die Waldkarpaten mehr und mehr abgeholzt werden. Dörfer früher mitten im Wald, stehen nun auf kahlen Lichtungen, und die alten und wertvollen Hölzer werden für kaum ein Geld als Brennholz deklariert in die EU verkauft, und daraus entstehen Edelmöbel. 

„Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ 

Das bleibt die Herausforderung für uns und unsere Kinder, für uns als Privatleute und Politiker. Bebauen und Bewahren im Kleinen an unserem Ort, aber auch weltweit. 

2. 

Heute betrachten wir das Herbarium im Gewölbe unseres Chorraums. Was hat sich der Maler dabei gedacht, hier einen kleinen Paradiesgarten zu malen? 

Möglicherweise hat er sich gedacht: „Beim Gottesdienst in der Kirche wird doch ein Stück vom Paradies sichtbar.“ Damit hätte er sicherlich und hoffentlich Recht. In einem zweiten Schritt hat er sich dann vielleicht Gedanken gemacht, welche Pflanzen denn da hineingehören könnten, in diesen göttlichen Paradiesgarten. Die Bibel spricht in der Schöpfungsgeschichte ganz allgemein von den Sträuchern und Kräutern auf den Feldern und den Bäumen. Auch in unseren Nachbarkirchen, in Einberg und in Mönchröden, sind Pflanzenmalereien aus jener Zeit erhalten. Letzten Sonntag war ich auf der zweiten Empore der Christuskirche, und da sind ganz versteckt solche Pflanzenmalereien am Fenster erhalten. 

Unser Künstler aber hat nicht irgendwelche Pflanzenranken und Blumen gemalt. Er hat tiefer nachgedacht. Er kannte die Verwendung mancher Pflanzen in der medizinischen Behandlung von Menschen, kannte ihre Heilwirkung, denn zu seiner Zeit haben die Menschen mehr mit der Natur gelebt. Pflanzen und Kräuter hatten einen höheren Stellenwert als heute: Die Medizin war noch nicht soweit fortgeschritten. Zur Heilung wurde das angewendet, was die Natur hergab. Die Klöster pflegten eine lange Tradition der Anwendung dieser Pflanzen, in den Klostergärten wie es bestimmt auch einen in Mönchröden gab, wuchsen sie. 

Der Künstler, der erstmals ein Herbarium gemalt hatte, hat tiefer nachgedacht: Er wusste: Diese Pflanzen sind wichtig für das Heil des Körper. Und ihm kam die Erkenntnis: Genauso wichtig ist das, Glaube für das Heil der Seele. Also male ich doch an die Kirchendecke Heilpflanzen: So wie diese dem Körper guttun, so tut das, was unter diesem Gewölbe in der Kirche geschieht, der Seele gut. 

Der Künstler darf sich dabei im Einklang mit der Bibel wissen, vielleicht hat ihn auch auch die Bibel inspiriert. Lesen wir nicht im 2.Mose 15,26, dass Gott selbst spricht: „Ich bin der Herr, dein Arzt.“. Und auch Jesus selbst vergleicht sein Kommen mit dem Besuch eines Arztes, wenn er predigt: „Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.“. Und deshalb ruft er ja auch gerade die Menschen zu sich, die Heilung nötig haben, die sich nach dem Heilsein von Leib und Seele sehnen. Heilandsruf nennt man die Einladung Jesu, die Jesus an die Menschen ausspricht: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“. Gott will heilsam unter uns wirken, und er tut es auch. 

Einer hatte die Idee für dieses Konzept, für diese Koorespondenz von Heil des Körpers und Heilpflanzen, Heil der Seele und Kirche. Andere haben es nachgemalt. Ein eindrückliches Beispiel ist das viel später entstandene Herbarium des Michaelsklosters in Bamberg. 

3. 

Beim Malen hat also auch unser Künstler ans Seelenheil gedacht. Stellen wir auch uns heute die Frage, die der Künstler für sich beantwortet hatte: Was bringt denn der Seele Heil und Heilung? Was geschieht hier im Altarraum unser St. Johanniskirche so heilvolles? 

Ich mache es an den beiden Gegenständen fest, die hier vorne stehen, die das Zentrum des Chorraums bilden: 

Da ist zum einen der Taufstein. Und ja: Die Taufe ist etwas sehr Heilvolles. Ein Mensch, der getauft wird, wird damit nicht nur für sein Leben gesegnet und Teil einer großen Gemeinschaft, die füreinander einsteht. Die Taufe schenkt noch mehr. Martin Luther fragt im Kleinen Katechismus: Was gibt oder nützt die Taufe?, und er antwortet darauf: „Sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöst vom Tode und Teufel und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben, wie die Worte und Verheißung Gottes lauten.“. 

Brauchen wir nicht genau das immer wieder: Vergebung und Erlösung von allen Mächten des Bösen? Sehnen wir uns nicht genau danach: nach der Erlösung vom Tode und ewiger Seligkeit? Mit dem dreimaligen Übergießen mit Wasser und mit der Taufformel wird uns all das zugeeignet. Wir können unsere Taufe nicht hoch genug schätzen. Wenn ein Mensch hier getauft wird, ein kleines Kind oder ein Erwachsener, dann ist das etwas ganz besonderes, eine heilige Handlung, ein Sakrament, das sogar den Weg zum ewigen Seelenheil bereitet. 

Einen zweiten wichtigen Gegenstand gibt es hier vorne: den Altar. Der Altar ist mehr als ein Tisch: In früheren Kulturen gab es Opferaltäre. Mir gefällt aber eher die Tradition, nach der der Altar als Thron Gottes gedeutet wird. Was aber allen Deutungen gemeinsam ist: Der Altar gilt seit alters her als ein Ort der besonderen Gegenwart Gottes, damit als der heiligste Ort in der Kirche.4 

Hier am Altar geschieht viel Heilsames: 

a) Er ist der Ort des Abendmahls: In Brot und Wein schenkt sich uns Christus. Er selbst ist gegenwärtig, wenn wir das Brot und den Kelch teilen. „Solches tut zu meinem Gedächtnis“: Wir erinnern uns daran: Er hat sein Leben dahingegeben für uns. Das schweißt uns zu einer Gemeinschaft zusammen. Die Taufe gibt’s nur einmal im Leben, sie stellt uns hinein in Gottes Gnade und Liebe. Das Abendmahl ist wie ein Picknick auf unserem Weg durchs Leben, ein heilsamer Rastpunkt, der immer wieder kehrt, und der Kraft für den nächsten Abschnitt unseres Weges schenkt. 

b) Der Altar ist der Ort der Beichte: Ein paarmal im Jahr feiern wir hier gemeinsam Beichte, z.B. am Gründonnerstag und am Buß- und Bettag. Beichte heißt: Mir ist bewusst geworden, was ich falsch gemacht habe. Ich nenne Gott meine Schuld, ich bereue. Und er schenkt mir Vergebung, die mir der Geistliche zuspricht. Wie heilsam kann das sein zu wissen: Mir ist wirklich vergeben. Die Schuld muss mich nicht mehr belasten. Ich kann neu anfangen. 

c) Der Altar ist auch der Ort des Eheversprechens: Gestern erst wieder haben sich hier zwei Menschen versprochen, ihre Ehe im Vertrauen auf Gottes Zusagen und seine Verheißung zu führen. Das ist mehr, als nur „ja“ zueinander zu sagen. Mit einem kirchlichen Trauversprechen ist die Ehe eingebettet in gewisse Werte, die die gemeinsame Grundlage für den Umgang miteinander sind, in Gottes Verheißungen, die er dem Zusammenleben von Mann und Frau macht, und dieser Ehe ist der Segen Gottes zugesprochen. Denn die Brautpaare werden hier vorne am Altar gesegnet. 

d) Genauso wie die Konfirmanden, Mitarbeitende, die wir in ihren Dienst in der Gemeinde einführen, Verstorbene, die wir für ihren letzten Weg Gott anbefehlen. Der Altar ist auch ein Ort des Segens. Auch heute wird er es wieder, am Ende dieses Gottesdienstes. Da sagt Gott sagt dir ganz persönlich zu: Ich bin mit dir. Ich schenke dir Gutes. Ich bewahre dich im Schweren. 

e) Und noch ein letztes zum Altar. Hier liegt die Bibel und das Lektionar. Zur Lesung wird es ans Lesepult getragen, und kehrt nach der Lesung wieder hierher zurück: Das Wort Gottes geht von Altar aus. Und es wirkt in unseren Herzen und in unserem leben. Heilsames geschieht hier am Altar. Hier findet unsere Seele ihr Heil: Freiheit, Vergebung, Kraft, Mut, Hoffnung, Freude, Wegweisung, Orientierung, Trost, Gemeinschaft, Segen. All das geht von hier aus. 

Liebe Gemeinde, 

ich finde, das ist eine wunderbare Korrespondenz: Oben im Gewölbe die Himmelswiese, und darunter erleben wir ein Stück vom Himmel. Die Heilpflanzen dienen dem Heil des Körpers, das Gotteshaus dient dem Heil der Seele. Oben das Paradiesgärtlein, und darunter haben wir Teil an der ursprünglichen Ungetrübtheit des Lebens und an der Nähe zu Gott. 

In Psalm 104 heißt es: „Du bereitest den Himmel aus wie ein Zelt“: Genauso umspannt dieses Gewölbe den Altarraum. So wie ein Zelt schützt und bewahrt, so tut es Gott hier: Die Heilpflanzen sind eine Apotheke für den Körper, die Kirche ist eine Apotheke für die Seele. Wer sich das bewußt macht, der schaut mit ganz anderen Augen hier nach vorne, und der erlebt etwas ganz anderes, wenn er den Altarraum betritt: Er staunt und genießt es vielleicht sogar ganz bewußt: Ich trete in ein Paradiesgärtlein ein. 

Und wenn wir die Kirche wieder verlassen, dann nehmen wir das mit in unser Leben und in unsere Beziehungen. Dann pflanzt sich diese Seelenheilung, die wir hier erleben, durch uns fort, und wir tragen bei zur Heilung in der Welt. 

Und irgendwann einmal, da wartet uns dann auch der endzeitliches Paradiesgarten. Im 1.Kapitel der Bibel lesen wir von Gottes Schöpfung. Und im letzten Kapitel der Bibel lesen wir vom himmlischen Jerusalem, in dem es wieder so einen Paradiesgarten geben wird. 

Johannes schreibt: „Und er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes, 2 mitten auf ihrer Straße und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker.“ 

Deswegen ist nicht nur der Name „Paradiesgärtlein“, sondern auch die Bezeichnung „Himmelswiese“ für unser Herbarium passend. 

Ich wünsche uns, dass wir hier in der Kirche immer wieder Heil und Heilung für unser Leben finden, und dass uns allen Gott einmal sein Heil im Paradiesgarten des himmlischen Jerusalems schenkt. Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

nach oben