Gottesdienste am ersten Weihnachtstag im AWO und in St. Johannis

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AWO, St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Die Ehrenrettung Josefs"

 

Liebe Gemeinde! 

Zweimal macht er sich auf den Weg: zunächst nach Bethlehem der Bürgerpflicht wegen; und dann nach Ägypten auf der Flucht vor Herodes. 
Zweimal macht er sich auf den Weg, wortlos, und sagt auch sonst kein Wort in der ganzen Geschichte.
Nein, ein Vielredner ist er nicht - eher einer im Hintergrund; und dort erscheint er auch auf vielen Weihnachtsbildern. 

Ich rede von Josef. Marias Mann. Vater von Jesus / oder doch nicht?

Auf vielen Darstellungen des Weihnachtsgeschehens ist er im Hintergrund abgebildet. Da kann es sein, dass er im Halbdunkel fast verschwindet. Oder hinten ein Feuer macht; oder sogar ein Nickerchen macht. Die anderen Akteure, so erzählt es uns Lukas in seiner (bekannteren) Weihnachtsgeschichte, haben größere Rollen. Hirten und Engel, Maria mit dem wunderschönen blauen Mantel und das göttliche Kind. 
Klar, eine Krippe, auch ein Krippenspiel ohne ihn - undenkbar! Er gehört zum Inventar, und komplett ist die heilige Familie nur mit ihm. 
Und doch ist seine Rolle nicht die begehrteste, hält man sich an das Original. Beim Wirt darf er um ein Nachquartier fragen und kriegs nicht hin.
Maria singt. Die Engel verkünden. Die Hirten sagen´s weiter. Und Josef ???: Schweigt - schweigt beharrlich. Höchste Zeit also mal etwas zur Ehrenrettung des Josef beizutragen.

Hören wir den Predigttext der uns für dieses Weihnachtsfest vorgeschlagen ist:

Mt. 1, 18-25

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen. Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Liebe Gemeinde, Josef ist da, ist einfach da. Und er bleibt da. Von Nazareth nach Bethlehem und von Bethlehem nach Ägypten und wieder zurück. Er geht den Weg mit Maria und dem Kind. 
Und das ist das eigentliche Wunder. 
Eigentlich hatte er sich sein Leben anders vorgestellt, ganz anders. 
Er sah sich als normaler Ehemann einer normalen jüdischen Frau, ein normaler Vater eines normalen Kindes neben einer normalen Mutter - eben eine normale Zimmermannsfamilie. Irgendwelche Besonderheiten, Aufregungen, das war nicht Josefs Sache. 
Und dann das ganz und gar Unnormale, nein, Unvorstellbare, Ungeheuerliche ... 

Matthäus erzählt davon am Anfang seines Evangeliums: 
Als Maria ... dem Josef vertraut war, also sozusagen verlobt,fand es sich, ehe er sie heimholte, sprich heiratete,dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. Schwanger also vom heiligen Geist ... Hör auf! Wer’s glaubt wird selig. Und das ist auch - gelinde gesagt - einem verliebten Verlobten nur schwer zu vermitteln. Das muss anders ankommen bei ihm - nämlich so: Noch nicht unter der Haube und schon im Bett eines andern! - Das Vertrauen: missbraucht. Das Versprechen: gebrochen. Was für eine Enttäuschung! 

Wir befinden uns im Orient, in einer orientalischen Männergesellschaft. Dort wo die EHRE, die Mannesehre über allem steht. (ist ja teilweise bis heute noch so) 

Und dann die Erklärungsversuche von wegen "Besuch eines göttlichen Boten mit der Nachricht von göttlicher Vaterschaft" - eine Zumutung, eine Zumutung auch für den Glauben, gefährlich nah an Gotteslästerung. So eine dämliche Ausrede habe ich ja noch nie gehört. Noch dazu: 
Als könne es allen Ernstes die Absicht des Königs der Welt sein, gelobt sei Er, den Messias als uneheliches Kind in die Welt zu setzen... – Josef sagt nichts dergleichen. Vielleicht dachte er so.

Josef aber, Marias Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schanden bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Das war eigentlich schon viel mehr als es die Mannesehre erlaubte. Chapeau Josef!

"In Schanden bringen" - das war in der Tat Möglichkeit Nummer Eins. 
Also: Den Ehebruch öffentlich machen, zur Anklage bringen, bestrafen; und die gerechte Strafe - nach damaliger Auffassung - würde klar lauten: Steinigung! 
Aber: Kann man ernsthaft einem Menschen den Tod wünschen, den man eben gerade noch heiraten wollte? Josef kann es nicht. Chapeau Josef. – Kommt also nur Möglichkeit Nummer Zwei infrage: 
verschwinden, sich aus dem Staub machen - und zwar heimlich - und die Sache mit Maria möglichst schnell vergessen ...

Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden ... 

"... da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum ..." Will sagen: Gott wird die Sache ein bisschen zu heiß.
Wenn Josef sich aus dem Staub macht - wenn auch heimlich aus Rücksicht auf Maria -, dann sitzt die junge Frau alleine da - bei all den widrigen Umständen, die da noch warten auf sie und ihren Sohn in spe. Und außerdem: Josef ist auch als Josef wichtig, nicht nur als Mann der Maria. Ich denke Gott will nicht verzichten auf diesen einfachen, frommen, einfühlsamen galiläischen Zimmermann. Er will gerade ihn mit im Boot und im Stammbaum (der Hinweis sei mal angemerkt: Der Messias kommt aus dem Stamm Davids, so haben es die Propheten gesagt) . Gott will auch auf diesem Weg die Heilsgeschichte des Volkes Israel (und später auch die der ganzen Welt) weiterschreiben.  Mit Josef. 

Also im Traum eine Botschaft für den verstörten Josef, der die Welt nicht mehr versteht im Sturm der Gefühle. 

"Fürchte dich nicht ... 
Es ist wahr, dass durch diese unzeitige Schwangerschaft sich die Zeit erfüllt und Weltbewegendes geschieht und eine neue Zeitrechnung beginnt. Da könnte einem schon bange werden.
Deshalb, Josef, sollst du bleiben bei Maria und ihr Kind, Gottes Kind, zu deinem machen. Gib ihm den Namen "Jesus“. Denn dieser Name ist Programm: Jesus, mit dem Namen ist schon angedeutet, dass er Rettung bringen wird
"Jesus wird retten." Gott also versucht´s mit einer sanften Ansprache, mit Ermutigung, mit Verheißung. Gott erscheint im Traum. 

Doch damit - Gott weiß es - ist die Sache noch nicht ausgestanden. 
Denn wir Menschen lassen uns nur schwer abbringen von dem, was wir uns in den Kopf gesetzt haben. Wir entziehen uns oft der Berührung Gottes, schalten auf Durchzug bei Seinem Wort. Und auch auf Träume geben wir nicht viel. 
Doch Josef - Josef spricht die Sprache der Träume, ahnt zumindest, wer ihn da berührt. Und, er schafft es. Er springt über seinen Schatten - und bleibt der Mensch an Marias Seite. Chapeau Josef. ‚Die Weihnachtsgeschichte wäre anders verlaufen, ganz anders, ohne dich.

Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 

Wie gesagt: Dieser Satz erzählt von einem Wunder. 
Da kann einer "Ja" sagen zum anderen, obwohl viel, sehr viel dagegenspricht. 
Da schafft einer, nicht auf sein Recht zu pochen. 
Da kann einer vertrauen und die Zweifel hintansetzen. 
Da lässt einer diese Worte "Fürchte dich nicht!" vordringen bis zum Herz.
Da hält einer fest an Gott, obwohl nicht klar ist, wo der Weg hinführt mit ihm.

Ihr Lieben, können wir uns da mal in Beziehung setzten. Wie ist das angesichts eigener gekränkter Ehre, angesichts von Ohnmachtsfühlen, nach Enttäuschungen, nach Fehlentscheidungen.

Ich denk schon, das Josef uns als eine Orientierungspunkt helfen kann. Ja ein Vorbild sein kann.

Da lässt einer sich sagen von Gott: "Ich habe eine Aufgabe, die nur du erfüllen kannst. Ich brauche deine Liebe, deine Solidarität, dein Vertrauen, damit ein Mensch nicht alleine bleibt und mein Heil auf die Welt kommen kann, bewahrt und beschützt und befördert von deinen Händen, von Menschenhänden." – 

Josef bleibt - und zeigt uns, wo Gott hinwill an Weihnachten und wie Er gedenkt, ans Ziel zu kommen, ans Ziel auch mit uns. Wenn Friede herrschen soll auf Erden - dann beginnt er so: mit Vertrauen. Keine Frage: Es ist ein Weg voller Risiken und mit ungewissem Ausgang, den Gott da beschreitet unterwegs zu uns, seinen Menschen. 

Gott nimmt in Kauf, dass ein Traum nicht reicht, und dass am Ende trotzdem bei diesem oder bei jener alles Werben und Berühren nichts gefruchtet hat. Wer kann wissen, was alles Er schon versucht hat auf seine leise, liebevolle Art bei dir und bei mir?  

Aber ja, so ist er nun mal, dieser menschenfreundliche Gott: Hoffnungslos optimistisch will Er mit uns seine Geschichte weitertreiben, will mit uns sein Ziel erreichen, aber will und kann niemanden auf zwingen diesen Weg; denn das würde die Liebe verraten, die sein Wesen ist und bleibt für immer. 

Ja, so ist Er, unser Gott: Kommt zur Welt in einem Stall, streckt seine Hand aus zur Versöhnung in einem Kind, erklärt dich und mich ein für allemal zu Menschen Seines Wohlgefallens und hofft: 
Wer dies hört, der kann nicht anders als stehenbleiben, sich anrühren lassen - und vertrauen. Der kann nicht anders als lieben und leben der großen Verheißung entgegen vom Frieden auf Erden und der Gerechtigkeit hier für alle Kinder Gottes. - 

Weihnachten ist das Fest der Freude, sagen, finden wir. Was müsste geschehen, damit Erde und Himmel sich freuen, Gott zusammen mit uns, seinen Menschen? - 

Nach dem, was wir über Josef gehört haben, können wir darauf Antworten geben. 
Gott freut sich mit uns, wenn wir auch dieses Jahr wieder stehen bleiben bei Josef, Maria und dem Kind in der Krippe, wenn wir wirklich zur Besinnung kommen in diesen Weihnachtstagen, uns anrühren lassen von der Botschaft des nahen Gottes. Und die Weihnachtszeit hat ja gerade erst begonnen. Nicht dass jemand denkt mit dem 2. Feiertag sei alles schon wieder vorbei. Die Weihnachtszeit endet am 2. Februar. Solange darf der Weihnachtsschmuck auch hängen bleiben. 

Gott freut sich mit uns, wenn wir achtsam und liebevoll miteinander umgehen, wenn wir uns nicht heimlich aus der Verantwortung stehlen, wenn wir "Ja", wirklich "Ja" sagen zu dem Menschen, mit dem wir das Leben teilen und den anderen, die uns anvertraut sind, "Ja" trotz Belastungen und Krisen. Gott freut sich, wenn wir Konflikte im Geist gegenseitiger Achtung austragen und nicht recht behalten um jeden Preis. 

Gott freut sich mit uns, wenn wir "Ja" sagen können zu uns selber trotz Fehlern, Schwächen und Schuld, "Ja" aber auch zu der Liebe, die niemanden vergisst. 

Gott freut sich, wenn wir denen Stimme und Hilfe geben, die verfolgt werden, heimatlos sind, hungern - alles Menschen seines Wohlgefallens, alles Geschwister des heimatlosen, verfolgten, mittellosen Kindes im Stall zu Bethlehem. Und da dürfen (müssen) wir aus aktuellem Anlass ja auch an die Kinder in den griechischen Flüchtlingslagern denken!

Geben wir dem Gotteskind Raum in unserem Leben! Bieten wir ihm, (personifiziert im Nächsten der uns braucht) Raum und Schutz.! Vergesst nicht zu leben. Das allen versprochene Leben! Und tut, was ihr verstanden habt von Gott! 

Dann ist Er, wo er hinwollte. Dann seid ihr, wo Er ist. Dann ist wirklich Weihnachten, auch über den 2. Februar hinaus.

Amen.