Gottesdienst in St. Johannis am Pfingstsonntag - 1. Juni 2020


 

St. Johannis

Predigt: 
Diakon Günter Neidhardt

"Pfingsten"

Predigttext: Apostelgeschichte 2,1-21

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unseren Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins. Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5): »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne soll in Finsternis verwandelt werden und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt. Und es soll geschehen: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.«

Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.

Predigt

Liebe Gemeinde,

da war ganz schön was los, damals in Jerusalem. Gepackt waren sie vom Heiligen Geist, außer sich vor Begeisterung. Da war eine Kraft zu spüren, eine neue Kraft, die nicht nur die Jünger und Jüngerinnen Jesu erfasste, nein auch die Zuhörer und Zuseher war tief ergriffen. Ja, jetzt verstanden sie was Jesus meinte, jetzt erschlossen sich seine Worte und Taten neu.  Nein, sie hatten sich nicht in Jesus getäuscht. Wie von einem Sturm weggeblasen diese Depression und diese Traurigkeit, diese Lähmung.  

Ob die Jünger tatsächlich in allen möglichen Sprachen redeten, also ein Sprachenwunder geschah, oder ob alle die eine Sprache des Heiligen Geistes verstanden, sich also ein Hörwunder ereignete, das dabei gar nicht so wichtig. Pfingsten ist vor allem ein Verstehenswunder: Die Menschen verstehen Gott, und es geht ihnen auf, was mit diesem Jesus von Nazareth los ist. Sie verstehen, die Geschichte geht weiter. Die Himmelfahrt Christi ist nicht das Ende. Pfingsten setzt einen Anfang, einen neuen Anfang. Deshalb reden wir ja von Pfingsten als dem Geburtstag der Kirche.

Wie viele hatten Jesus eben doch für einen dahergelaufenen Wanderprediger gehalten, bestenfalls ein Schwätzer, schlimmstenfalls ein Aufrührer. Jetzt begreifen sie: Den sie ans Kreuz geschlagen haben, dem hat Gott recht gegeben ganz und gar, den hat er von den Toten auferweckt. Blitzartig verstehen sie, was sie getan hatten, wer Jesus eigentlich war und was Gott mit ihnen vorhat. Retten wird er sie. Aus dem Tod zum Leben führen. 

Ja, da war was los, damals in Jerusalem. Lauthals loben Sie Gott und seine Taten. Psalmen werden angestimmt. „Dies ist der Tag, den der HERR macht“ (Psalm 11824) Multikulti muss es gewesen sein. Wenn der Heilige Geist weht, dann macht er weder an Staats- noch an Sprachgrenzen halt. Er grenzt niemanden aus, alle gehören dazu. Und dieser Geist ist „kein Geist der Furcht, sondern der Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim. 1,7)

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

Wir feiern heute Pfingsten. Aber ausflippen tut hier keiner. Und das ja nicht nur weil wir uns Pfingsten 2020 an Hygiene und Abstandregeln halten. 

„Ach“, seufzt, wer heute Gottesdienst feiert, „ach, wie schön wäre so ein Pfingstwunder auch unter uns.“ Dass wir auch so gepackt wären vom Heiligen Geist, außer uns vor Begeisterung, tief ergriffen von Jesus Christus und fähig, zu verstehen, Gott endlich zu verstehen.

Ach, das wäre doch was. Wenn wir alle in einer großen Gemeinschaft verbunden wären. Die Sprachbarrieren fallen und die kulturellen Unterschiede werden als Bereicherung erlebt. Der Syrer versteht den Israeli und die Araber loben mit den Griechen Gott. Dass sich Europa einig ist und solidarisch mit allen die Hilfe und Unterstützung brauchen, weltweit. Solidarisch in Wort und Tat. Wir als Deutsche irgendwo mittendrin. Die Jungen verstehen die Alten und die Alten die Jungen und die Männer endlich die Frauen und – der Mensch, wir Menschen verstehen Gott. endlich Gott. 

„Ach“, seufzt, wer Pfingsten feiert, „ach, wie schön wäre, so ein Pfingstwunder auch unter uns.“

Ja, das wäre schon was, wenn unsere Kirchen wegen Überfüllung geschlossen werden müssen und die Menschen auf den zweiten oder dritten Sonntagsgottesdienst verwiesen werden müssen. Wenn die Chöre aus allen Nähten platzen würden.  und für die vielen Gruppen und Kreise das Gemeindehaus zu klein ist

In 692 Sprachen ist die Bibel inzwischen übersetzt, das Neue Testament in 1.547. 

„Ach“, seufzt, wer Pfingsten feiert, „ach, wie schön wär so ein Pfingstwunder auch unter uns.“

Stattdessen? Künftig werden wir womöglich noch schwächer, auf jeden Fall weniger. Forscher sagen voraus, die Kirchenmitgliederzahl halbiere sich bis 2060. Und mit der Umsetzung des kirchlichen Landesstellenplans bi2 2025 werden im Dekanat Coburg konkret 15% der Pfarr- und Diakonenstellen wegfallen. Das wird auch uns Rödentaler treffen. Können dann noch alle Kirchen gehalten und unterhalten werden? Der Weg zum Pfarrer wird weiter, Beratungsstellen werden nicht mehr finanziert werden können, Konzerte seltener und das Eintreten der Kirchen für die Schwächeren in der Gesellschaft wohl auch geringer. 

Ob diese Entwicklung katastrophal ist, oder auch Chancen in sich birgt? Resignieren wir schon. Feiern wir den Kirchengeburtstag nur noch der Tradition wegen? Happy Birthday singen, kurz zuprosten und dann weiterseufzen?  

Oder kann nicht auch eine an Zahlen kleiner werdende Kirche eine neue Dynamik entfalten. Denn das lehrt uns das Pfingstgeschehen damals ja auch.  Aus den seufzenden 12 Jüngern wurden schlagartig 3.000, wenn man die Zahl der Pfingsterzählung wörtlich nimmt. 

Pfingsten, das bedeutet nicht die Hände in den Schoß zu legen, Weil: Wir sind nicht der Heilige Geist. Wenn er nicht will, wie können wir dann können? Dann leben wir den Glauben für uns und unter uns. Wer sich für uns interessiert, kann ja kommen. Wir machen schon auf, wenn jemand anklopft. Schmoren im eigenen Saft, das tut nicht gut.

Wir dürfen darauf vertrauen, auch wenn die Türen und die Fenster zeitweise geschlossen sind, der Heilige Geist wird sie wieder aufstoßen. In der Pfingstgeschichte scheinen ja sogar die Wände durchlässig zu werden, sich aufzulösen. Eben saßen die Jünger beisammen, wohl in einem Haus, plötzlich stehen sie vor einer Menge Leute. Werden sie vor die Leute gestellt, weil der Heilige Geist vor allem eins im Sinn hat: raus und retten, retten, retten. Alle retten! Allen Menschen soll geholfen werden, alle sollen gerettet werden. 

Genauso wenig wie der resignierte Rückzug entspricht der andere Weg dem Pfingstfest: die Betriebsamkeit. Auch die sucht unsere Kirche ja heim: Und noch ein Angebot, und nichts darf wegfallen, und noch ein Termin, und nichts darf aufhören. Ob in unserer bayerischen Landeskirche oder der deutschlandweiten EKD, eine Kampagne löst die andere ab, ein Reformprozess den anderen. Arbeitshilfen und Konzeptideen gibt es zuhauf.

Nicht falsch verstehen, da wird schon auch viel Gutes besprochen und beschlossen, in unseren Gremien und Arbeitskreisen

Aber manchmal hat man das Gefühl, die Begeisterung gilt eher der erfolgversprechenden Marketingstrategie als Jesus Christus. Lieber eine Machbarkeitsstudie als auf die Macht des Heilligen Geistes, des heiligen Gottes zu setzen. Und was war das gleich wieder für ein Geist?

Genau, nicht der der Furcht, sondern der der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Und füge hinzu, der Geist der Wahrheit und des Glaubens und der Hoffnung und der Zuversicht.

Machbar ist er aber nicht, dieser Geist. Der weht bekanntlich wo er will! Wir können aber darum bitten. „Komm, Heiliger Geist“, so singen wir in den Pfingstliedern. 

Das lernt man, wenn man die Apostelgeschichte weiterliest. Es ist ja nicht so, dass der furiose Start in Jerusalem der Auftakt für einen ungehinderten Siegeszug war. Nein, da waren auch Rückschläge. Da war auch Streit in den ersten Gemeinden, da musste auch um Regeln gerungen werden. 

Sollte man nur Juden taufen oder auch Heiden, die von der Heiligen Schrift erst mal gar nichts wussten? 

Wirkt sich der Glaube auch aufs Essen aus? Aufs Eigentum?

Viele Fragen von Anfang an. Wie können wir unser Leben so gestalten, dass wir empfangsbereit bleiben für Gott und verständlich für andere?

Manchmal muss es in den ersten Jahren Zeichen vom Himmel gegeben haben, die Fragen entschieden haben. 

Sind die für heute ausgeschlossen? Oder haben wir unsere Antennen nur eingefahren. Rechnen gar nicht mehr mit dieser Geistkraft?

Was aber ganz klar ist in der Apostelgeschichte: Wenn der Heilige Geist Menschen ergreift, dann führt er zu Jesus Christus, dann verstehen sie: Das ist das Fundament meines Lebens und mein Ziel. Der Heilige Geist predigt Christus, so sagt Martin Luther

Und wissen Sie, was der Geist manchmal auch macht? Das schreibt Paulus im Römerbrief: seufzen. Er seufzt. Der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen (Röm. 8,26) heißt es da. Das Seufzen ist auch eine Sprache des Heiligen Geistes. 

Vielleicht ist ja das Pfingstfest das Fest des tiefen Seufzens, weil zwar etwas in Gang kam, aber das Ziel noch so fern scheint; weil die Sehnsucht groß ist, die Hoffnung aber schwächelt.

Deshalb jetzt ein Hoffnungslied, geschrieben von Shalom Ben-Chorin, einem Juden, geschrieben 1942, inmitten von Krieg und Shoah.

Mein Geburtstaglied für unsere Kirche:
Freunde, dass der Mandelzweig, wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt…“ (Evang. Gesangbuch 659)

Amen.