Familiengottesdienst zum Gemeindefest am 4. Sonntag nach Trinitatis - 28. Juni 2015

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Gemeindezentrum

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Die Welt ist bunt"

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Wenn ein Unfall passiert und wir die Polizei oder den Krankenwagen anrufen, dann müssen wir drei wichtige Fragen beantworten:

Wer?

Was?

Wo?

Wer ruft an und wer ist verletzt?

Was ist passiert?

Und wo ist es passiert?

Diese drei Fragen sind geeignet, eine Situation kurz und umfassend zu beschreiben. Ich möchte diese drei Fragen heute auf unseren Predigttext anwenden. Als biblisches Wort für unser heutiges Gemeindefest unter dem Motto „Die Welt ist bunt“ habe ich den 29.Vers aus dem 13.Kapitel des Lukasevangeliums ausgewählt. Dort spricht Jesus:

„Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ (Lukas 13,29)

Die erste W-Frage: Wer?

Menschen vom Osten und vom Westen, von Norden und von Süden. Menschen aus Sibirien und Amerika, aus Grönland, Afrika und der Südsee. Jesu Worte umspannen die ganze Welt. Es gibt so viele verschiedene Nationalitäten, Hautfarben und Sprachen. Die Vielfalt ist ein Prinzip, das Gott seiner Schöpfung mitgegeben hat, nicht erst durch den Turmbau zu Babel. Wer?  Große und Kleine, Alte und Junge, Arme und Reiche. Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten, Begabungen, Interessen, Charakteren.  Menschen, die uns sympathisch sind und nahe stehen. Menschen, die uns fremd und unverständlich vorkommen.

Die Kinder vom Fritz-Anke-Kindergarten haben uns vorhin gezeigt und gesagt: Für Gott sind alle Menschen gleich wichtig. Alle gehören zusammen. Hier bei dieser Figur haben wir eine Hand, einen Fuß, einen Rumpf, einen Kopf: Jeder ist ein Teil. Jeder kann etwas anderes gut und wir ergänzen uns. Nur gemeinsam  sind wir stark. Nur zusammen sind wir ein lebendiger Körper. Ich staune über die Vielfalt und freue mich über die anderen: jeder ist ein einmaliges Geschöpf unseres Gottes. Jedem hat er seine Gaben, seinen Charakter mitgegeben.

Die erste Frage war: Wer? Jesus spricht von uns allen und allen Menschen auf der Welt in ihrer großen Buntheit und Vielfalt.

Die zweite W-Frage: Was? Was macht diese bunte Schar von Menschen?

Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden.

Jesus hat eine Vision, er kündigt die Zukunft an: Alle sind um einen Tisch versammelt.

Mit wem sitzen wir normalerweise an einem Tisch?

Mit unserer Familie und den Freunden. Mit Menschen, die wir mögen und mit denen wir uns verstehen. Jesus sagt: Menschen von überall werden an einem Tisch sitzen. Das heißt: Wir sind alle eine große Familie.

Wie sieht aber die Realität aus? Im Großen der Welt und im Kleinen in den Familien, Nachbarschaften, Freundeskreisen, da gibt es so oft Unfrieden: eine Enttäuschung, ein Streit, Krieg und Vertreibung. Da sitzt man eben nicht an einem Tisch. Ich erinnere nur an die Terroranschläge vom Freitag in drei Kontinenten. Jesu Vision, seine Ansage der Zukunft bekommt in solchen Momenten einen ganz besonderen Klang. Da möchten wir ihn bitten: „Herr, hilf, dass das, was du ankündigst, bald geschieht. Dass wirklich alle an einem Tisch sitzen können.“.

Manchmal, da sitzen ja sogar Feinde an einem Tisch. Dann wird verhandelt, um sich auszusprechen, sich zu versöhnen und Kompromisse zu schließen, mit denen jeder Leben kann. Solche Verhandlungstische sind ganz besondere Tische, für die wir dankbar sind.

Die Welt ist bunt – es würde weniger militärische Konflikte geben, wenn nicht die einen den anderen ihren Willen aufzwingen wollen, sondern wenn die Menschen die Buntheit akzeptieren und jeden sich frei entfalten lassen. Freilich endet die eigene Freiheit da, wo die des anderen berührt wird. Zum Glück hat uns Gott seine Gebote gegeben. Wenn sich jeder an diese 10 Regeln halten würde, die es übrigens auch im Islam in ähnlicher Form gibt, dann sähe es auf der Welt ganz anders aus.

Die zweite Frage war: Was macht diese bunte Schar von Menschen? Sie sitzen als große Familie um einen Tisch, haben Frieden.  

Die dritte W-Frage: Wo? Wo wird das geschehen?

Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.

Jesus hat eine Vision der Zukunft: im Reich Gottes wird es so sein. Irgendwann am Ziel der Geschichte wird Gott umfassenden Frieden schenken.

Aber sagt Jesus nicht auch einmal: „Gottes Reich ist herbeigekommen!“? Gottes Herrschaft ist schon hereingebrochen mitten in unsere Zeit. Gerade die christliche Gemeinde ist so eine Keimzelle des Gottesreichs: Sie lebt in der Nachfolge Jesu, sie versucht Jesu Werte wie Nächstenliebe, Freiheit, Toleranz, Frieden praktisch und den Menschen zugewandt zu leben. Es ereignet sich auch jetzt, mitten im heute: dass Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit eine Gemeinschaft sind. Dass sie sich gegenseitig stützen und tragen, sich besonders der Menschen am Anfang des Lebens, also den Kindern, aber auch den Menschen in der letzten Lebenshase annehmen, die Bedürftigen unterstützen und versuchen, diejenigen, die am Rande stehen, zu integrieren. Es ereignet sich schon heute, dass Menschen versöhnt zusammenkommen.

Ich wage zu behaupten: Heute ist so ein Tag, wo Menschen aus verschiedenen Himmelsrichtungen zusammenkommen, aus verschiedenen Lebenssituationen, mit verschiedenen Gaben und Fähigkeiten. Wir sind hier zusammen: die Kleinen aus dem Kindergarten und die Großen, Menschen, die schon immer in Rödental wohnen und Zugezogene, Menschen, die sich hier um Asyl bemühen. Wir feiern gemeinsam unseren Gott und unsere Gemeinschaft. Wir sitzen gemeinsam zu Tisch. Und werden gleich nach dem Gottesdienst gemeinsam Essen und Trinken. Die Welt ist bunt – in diesem Jahr gibt es auf dem Gemeindefest nicht wie meist Bratwürste und Steaks. Wir haben Asylbewerber gebeten, für uns zu kochen. Es wird Chevapchichi ist dem Kosovo geben neben dem leckeren Nussreis aus Syrien. Internationale Speisen. Heute erleben wir diese Gemeinschaft, erleben das, wovon Jesus spricht im Kleinen.

Und das macht uns Mut: Mut, uns selbst einzusetzen für das Recht der anderen. Mut, den Frieden, den uns Christus bringt, weiterzugeben zu unseren Familien, Freunden, Kollegen, und hinaus in die Welt.

Wo wird es geschehen, dass alle an einem Tisch sitzen? Einmal am Ende der Zeiten bei Gott. Aber immer wieder auch im hier und jetzt. Durch uns und mit seiner Hilfe. Amen.

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