Konfirmationen am 12. (Weißer Sonntag - Quasimodogeniti) und 19. April 2015 (Hirtensonntag - Misericordias Domini) in St. Johannis

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St. Johannis

Predigt: 
Pfarrer Jörg Mahler

"Der Anker"

 

Predigttext: Markus 4,35-41:
35 Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns hinüberfahren. 36 Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm. 37 Und es erhob sich ein großer Windwirbel und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. 38 Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? 39 Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich und es entstand eine große Stille. 40 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? 41 Sie aber fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der? Auch Wind und Meer sind ihm gehorsam

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde!

I.

So wird sie aussehen, die Konfirmationsurkunde, die ihr nachher bekommt.

Als Bild haben wir einen Anker ausgewählt. In klein kopiert und in schwarz-weiß befindet sich dieser Anker auch auf dem Liedblatt auf der Titelseite.

Wozu dient ein Anker? Mit einem Anker verankert sich ein Schiff auf dem Meeresgrund, damit es von den Wellen und der Strömung nicht davongetragen wird. In den meisten Häfen allerdings braucht kaum ein Schiff einen Anker: Denn sie werden am Pier festgezurrt. Ich erinnere mich aber noch gut an die Zeit, als ich als Pfarrer auf der Halbinsel Krim gearbeitet habe: Dort lagen die Frachtschiffe die Küste entlang im Meer vor Anker. Zum einen deshalb, weil es in den Häfen nicht genug Plätze zum Festmachen gibt: Die Schiffe laufen den Hafen nur an, wenn sie be- oder entladen werden. Zum anderen ist der Stellplatz in einem Hafen auch sehr teuer. Wartet ein Schiff also auf einen neuen Auftrag, so legt es sich kostenlos an der Küste vor Anker, und die Mannschaft fährt zum Einkaufen mit einem kleinen Boot an Land. Auch moderne Kreuzfahrtschiffe müssen häufig ihren Anker auswerfen, weil die Häfen gar nicht für so große Schiffe gebaut sind. Die Touristen werden dann mit den Beibooten in die Stadt und zu den Sehenswürdigkeiten gebracht. Ein Anker gibt einem Schiff Halt, damit es nicht davongetragen wird.

II.

Unser Leben läßt sich mit einer Schiffsreise vergleichen: Wir sind unterwegs auf dem großen Meer unserer Welt. Die Zukunft liegt vor Euch, heute brecht ihr in sie auf. Viele verschiedene Länder, Landschaften und Häfen gibt es am Meer. Viele mögliche Beruf, Freundschaften und Partnerschaften, Hobbys und Interessen gibt es im Leben. Wo werdet ihr anlegen und aussteigen? Wohin wird euch der Wind tragen? Wohin werdet ihr bewußt euer Lebensschiff steuern?

Und: Wie wird die Reise sein? Wird alles ruhig und gemütlich verlaufen? Sicherlich wird es den ein oder anderen Sturm geben. Jetzt wissen wir noch nicht, was und auf wen ihr treffen werdet und was ihr da erlebt. Ich finde es toll, sich auf so eine Lebensreise aufzumachen, wo die Zukunft wie ein offenes Meer vor einem liegt, das einlädt, die Küsten und Häfen zu entdecken.

Eines aber ist auf eurer Reise unverzichtbar: Eben jener Anker: damit ihr euch festmachen könnt, damit ihr nicht den Wogen des Meeres überlassen seid und vielleicht sogar Schiffbruch erleidet und untergeht.

III.

In der Lesung haben wir von einer Bootsfahrt gehört: Jesus fährt mit seinen Jüngern über den See Genezareth und will ans andere Ufer. „Und es erhob sich ein großer Windwirbel und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde.“.

Die Jünger ergreift Angst und Unsicherheit. Auch in unserem Lebensschiff kann es sehr schnell zu solch einem Sturm kommen. Eben ist noch alles in Ordnung, die Sonne scheint und es sieht rosig aus. Jedoch mit einem Mal, völlig unverhofft, passiert es. Dunkle Wolken ziehen auf. Es kommt beispielsweise zu einem großen Streit. Da hat jeder eine andere Meinung, das eine Wort gibt das andere, und dann ist die gute Stimmung dahin. Da sitzt ihr dann allein in eurem Zimmer und wollt nur eure Ruhe haben. Aber zur Ruhe kommt ihr nicht, weil der Konflikt sich tief in euch hineingräbt.

Beim Verliebtsein und bei der Liebe kommt es auch zu solchen Stürmen. Schulnoten können Stürme auslösen, eine schwere Krankheit, und vieles andere. Ich bin mir sicher: Jeder von uns kennt solche Stürme.

Die Jünger wissen sich im Sturm nicht zu helfen. Sie haben Angst, dass das Schiff untergeht. Und so eilen sie zu Jesus und finden ihn schlafend. Sie wecken ihn und fragen vorwurfsvoll: „Störts dich nicht, das wir umkommen?“. Ich frage mich auch: Wie kann Jesus bei so einem Sturm ruhig schlafen? In der Woche vor Ostern, da gab es ja bei uns auch diesen heftigen Sturm. Da haben die Rollos gewackelt und Bäume sind umgestürzt. Ich konnte da schlecht einschlafen. Jesus schläft auf dem Boot mitten im Sturm. Ich kann mir das nur so erklären: Jesus schläft in der Gewissheit: „Gott passt schon auf!“. Genau so wie es der Psalmbeter im 4.Psalm sagt: „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn allein du Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne!“. Weil Jesus dieses Vertrauen hat, kann er ruhig schlafen. Dieses Gottvertrauen ist sein Anker, an dem er sich im leben festmacht! Und das Tolle: In so einem Gottvertrauen darf sich jeder von uns festmachen. Die Jünger Jesu hatten es noch nicht, obwohl sie mit Gott schon soviel Erstaunliches erlebt hatten. Und wieder erleben Erstaunliches: Jesus stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich und es entstand eine große Stille. 

So große Angst wie sie die Jünger hatten muss nicht sein: Wer Gott vertraut, dem gibt das nicht nur Gelassenheit angesichts all dessen, was im Leben auf uns zuströmt. Der erlebt auch Wunder mit seinem Gott: Weil Gott eben auch eingreift, weil er Stürmen Einhalt gebietet, weil er uns wieder in ruhigere Gewässer trägt, weil er neue Perspektiven auftut.

 IV.

Jesus fragt seine Jünger: „Warum seid ihr so ängstlich? Warum habt ihr denn kein Vertrauen?“. Ja, so ist das mit dem Vertrauen zu Gott: Es ist nicht automatisch da, es muss wachsen. Auch bei den Jüngern. Man muss es ausprobieren, und wird dann erleben, dass sich dieses Vertrauen bewährt. Und dadurch wird es stärker. Es ist wie beim Ankerauswerfen eines Schiffes. „Wenn man den Anker an der Kette vom Schiff fallen lässt, sieht man zunächst nicht wohin der Anker fällt. Das Wasser des Meeres ist meist trübe und deshalb erkennt man nicht, ober der Anker sich fest im Sand eingräbt oder ob der Anker im Schlick landet und keinen Halt bietet. Weil man nicht sehen kann wie viel Halt der Anker wirklich gibt, muss man die Ankerkette langsam immer stärker belasten und so die Verlässlichkeit testen. Erst wenn ein Schiff wirklich lange und fest an einer Stelle liegt, weiß man, dass man dem Anker vertrauen kann.

Ich lade euch Konfirmanden ein, Gott genauso zu testen wie man einen Anker testet. Manch einer tut sich schwer, ihm sofort und blind und grenzenlos zu vertrauen. Genauso gut können wir uns ihm aber langsam und vorsichtig nähern. Ihr könnt es immer wieder mit ihm ausprobieren.

Zum Beispiel wenns Streit gibt. Nach dem Streit, wenn ihr euch zurückgezogen habt, dann erzählt doch das, was war, nocheinmal mit euren eigenen Worten Gott. Das hilft euch, zur Ruhe zu kommen. Er ist für euch da und ihr merkt: Mein Wert hängt nicht daran, wie anerkannt ihr bei den anderen bin, oder was die jetzt von mir denken. Gott gibt euch euren Wert, weil ihr seine Geschöpfe seid, mit denen er in Verbindung steht. Das schenkt Selbstbewußtsein und richtet auf. Und ihr könnt ihn dann auch bitten, dass ihr selber ruhiger werdet, dass ihr euch vielleicht nicht mehr so leicht provozieren lasst. Ihr könnt ihn um das gleiche für euer Gegenüber bitten. Und ihr könnt ihn bitten, dass wieder alles in Ordnung kommt. Aus dem Gespräch mit ihm nehmt ihr auch die Kraft, wieder auf den anderen zuzugehen, vielleicht um Verzeihung zu bitten, und neu anzufangen. Probiert es aus, nicht nur bei einem Streit, sondern bei allen Stürmen. Bringt vor Gott, was euch bewegt. Und ihr werdet erleben, wie ihr euch verwandelt, und wie sich Dinge um euch herum verwandeln.

Jesus will euer Anker sein. Und das nicht nur im Hafen. In dieser Geschichte von der Sturmstillung ist Jesus wie ein Anker mitten auf dem Meer: Er schenkt Stabilität und Sicherheit. Mitten auf dem Meer, wo keine Ankerkette der Welt bis in den tiefen Grund reichen würde, da haben wir einen Anker, wenn wir ihn, Jesus, haben. Mit ihm können wir uns getrost mit unserem Lebensschiff auf die große Fahrt begeben.

 V.

Der Künstler, der das Bild auf der Konfirmationsurkunde gestaltet hat, drückt das mit den drei Worten aus, die den Anker umgeben, nämlich: Glaube, Liebe und Hoffnung.

Das Vertrauen auf Gott, das nennt die Bibel Glaube. Glaube ist nicht in erster Linie ein Fürwahrhalten von Inhalten, sondern das feste Vertrauen auf Gott, das uns in dieser Geschichte von der Sturmstillung begegnet ist. Neben dem Glauben nennt der Künstler die Liebe: Ohne Liebe kann kein Mensch leben. Ihr werdet geliebt von eurer Familie und von den echt guten Freunden. Wer sich geliebt weiß, dem gibt das Sicherheit, denn er weiß, auf wen er sich verlassen kann. Und auch ihr habt Menschen, die euch wichtig sind, die ihr in euer Herz geschlossen habt, und für die ihr selber ein Stück Sicherheit seid, weil sie sich auf euch verlassen. All unsere Liebe hat ihren Ursprung in der Liebe Gottes. Unsere Liebe kann manchmal auf harte Proben gestellt werden und vielleicht sogar einmal scheitern. Gottes Liebe bleibt beständig. Seine Liebe, mit der er uns umgibt. Seine Liebe, die Vergebung selbst für die schlimmsten Sünden gewährt, die uns jederzeit einen neuen Anfang ermöglicht, und die uns hilft, nach dem Streit auch auf den anderen wieder zuzugehen und selbst mit Feinden Frieden zu schließen. Wer sich in dieser Liebe verankert weiß, der hat auch das Dritte: nämlich die Hoffnung. Hoffnung ist etwas Wunderschönes: zu wissen, dass uns nach jedem Sturm wieder ein Regenbogen entgegen scheint. Hoffnung auf Heilung des Zerbrochenen, auf Rettung in der Not, auf Trost in Schmerz und Leiden, auf Gerechtigkeit für alle, und auf ewiges Leben nach dem Tod, darauf, einmal dabei zu sein beim großen Hochzeitsmahl im Reich Gottes.

Glaube, Liebe, Hoffnung: Der Apostel Paulus weiß, dass es im Leben auf genau diese drei ankommt. Davon schreibt er der Gemeinde in Korinth: „Es bleiben aber Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die Größte unter ihnen.“. Die Liebe ist die Größte, denn aus der Liebe Gottes zu uns erwächst unsere Liebe, erwächst unser Gottvertrauen und erwächst unsere Hoffnung.

Menschen, die sich in Glaube, Hoffnung und Liebe verankern und mit ihrem Gott leben, die werden in vielen Häfen gebraucht und herzlich willkommen geheißen. Sie achten darauf, die Umwelt zu schützen, die ja die gute Schöpfung Gottes ist und für alle da sein soll. Sie versuchen, im Alltag anderen zu helfen und ihnen zur Seite zu stehen. Sie unterstützen Menschen, die in der Ferne leiden. Ihr tut das. Das kommt z.B. in eurer Konfispende zum Ausdruck.

Ich komme zum Ende und blicke noch einmal auf unser Bild: Hier umgeben diese drei Worte Glaube, Liebe und Hoffnung den Anker: Das wirkt wie ein Raum, indem wir uns bewegen. Diese drei umgeben unser Lebensschiff. Und diese drei sind auf der farbigen Urkunde in helles leuchtendes Gelb getaucht: die Farbe des Lichts und der Freude. Im Licht Gottes werdet ihr segeln, von seinem Licht ist euer Leben umgeben. Wer genau auf das Bild sieht, der entdeckt im Anker ein Kreuz: Es weist auf den Gekreuzigten und Auferstandenen hin. Er ist euer Anker auf der Fahrt durchs Leben.

Das Wort „Konfirmation“ heißt wörtlich übersetzt: „befestigen“. Heute befestigt ihr euch an Gott, werft euren Anker in den festen Grund von Glaube, Hoffnung und Liebe. So verankert werdet ihr mit Lust und Freude euer Meer besegeln und alle Stürme überstehen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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