Gottesdienst in St. Johannis am Buß- und Bettag - 21. 11.2018

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St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Gott - draußen vor der Tür"

Predigttext: Offenbarung 3,14-22

Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.  Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.  Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße!  Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.  Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.  Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! 

Predigt: 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 

Liebe Gemeinde, 

die Christinnen und Christen in Laodizea werden aus allen Wolken gefallen sein, als sie diesen Brief bekommen haben. Johannes, ein frühchristlicher Prophet, schreibt Ihnen von der Insel Patmos. So, wie er vor ihnen schon sechs anderen Gemeinden geschrieben hat. Mal lobt er die Gemeinden in seinen Sendschreiben, mal hält er sich auch mit Kritik nicht zurück, wie das eben Propheten tun, die versuchen, von Gott her zu denken und zu urteilen. Aber so drastisch wie in diesem Brief ist er mit seiner Kritik noch nie geworden: „Ich werde dich ausspeien aus meinem Mund“, schreibt er der Gemeinde. 

So einen Brief möchte ich nicht geschickt bekommen. Der kann einem ja gerade Angst machen. Zum Glück ist er nicht an uns gerichtet. Zum Glück können wir uns entspannt zurücklehnen und aus räumlicher und zeitlicher Ferne zuhören und beobachten, was da wohl losgewesen sein muss in Laodizea. Gehen wir einmal hinein in diese Stadt, ins Jahr 95 nach Christus, also 1900 Jahre zurück. 

„Laodicea ist eine reiche Stadt, ganz in der Nähe der heißen Quellen von Pamukkale gelegen, in der heutigen Türkei. Zu den Thermen kamen viele Heilung Suchende und Gesundheitsbewußte, die Stadt profitierte vom Kurbetrieb. Dazu gab es eine Wollmanufaktur und jemand Findiges hatte eine heilkräftige Augensalbe erfunden. All dieses füllte die Kassen der Stadt. Und so gelang es ihr zu einer Art Bankenzentrum aufzusteigen, das über große Geldreserven verfügte. Laodicea war so reich, dass es im Jahre 60 n. Chr., als es von einem schweren Erdbeben heimgesucht wurde und Rom Hilfe anbot, diese ausschlagen konnte. 

Offensichtlich sind auch die Christen in Laodicea im Stolz auf ihre Stadt aufgegangen. Sie unterscheiden sich in nichts mehr von ihren Mitbewohnern. Auch sie brauchen nichts – so wenig wie die Stadt Almosen und Geschenke braucht. Die Christen sind ununterscheidbar geworden. Ununterscheidbar in ihrem Tun. Ununterscheidbar in ihrem Leben. Sie sind ununterscheidbar, denn sie entscheiden sich nicht: Sie entscheiden sich weder für noch gegen die Liebe zu Gott. Sie entscheiden sich weder für noch gegen ein Eintreten für Gottes Gebote. Sie sind weder für noch gegen Gerechtigkeit. Sie lassen das Leben sein, so wie es eben ist.“1. Die Menschen dort wurschteln sich irgendwie durch, ohne Anstoß zu erregen, aber auch ohne Profil. 

Und das stört Johannes ganz gewaltig. [„Ich werde dich ausspeien aus meinem Mund“, (oder, wie man es heute in manchen Kreisen zu sagen pflegt: „Das ist ja zum K…“.).] Zum Glück sind wir nicht in Laodizea, ist der Brief nicht an uns gerichtet. Aber er ist uns vorgegeben, dass wir ihn heute am Buß- und Bettag miteinander bedenken. Und deshalb müssen wir uns fragen: Gibt es dieses Phänomen vielleicht auch unter uns? Nicht kalt, nicht warm sein. Lauhheit. Sind auch wir dafür anfällig? Nehmen wir eine Analyse vor. 

1. Analyse 

Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! 

Weder kalt noch warm. Das erinnert mich an manch einen Politiker, der sehr flexibel in seinen Ansichten ist, und jeweils das zu propagieren scheint, was die meisten Wählerstimmen bringt. Weder kalt noch warm. Das erinnert an diejenigen, die anderen nach dem Mund reden, um angesehen zu sein – je nachdem, wer in der Nähe ist, haben sie ganz unterschiedliche Positionen. Weder kalt noch warm. Das erinnert an diejenigen Christen, bei denen sich ihr Christsein nicht auf das tägliche Leben auswirkt, denen man ihr Christsein nicht abspürt. Das erinnert an Menschen, die stumm bleiben, wenn andere gemobbt und benachteiligt werden. (Das erinnert an Leute, die pauschal über ganze Bevölkerungsgruppen herziehen.) Das erinnert an Leute, die unreflektiert Parolen nachplappern und die Institutionen in Frage stellen, die unsere Gesellschaft stabilisieren. 

Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Johannes diagnostiziert diese Lauheit nicht nur. Er geht noch einen Schritt weiter und stellt fest: Durch die Lauheit fehlt Dir etwas im Leben: Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 

Und stimmt: Geld, das sie in Laodizea genug hatten, ist nicht alles. Oft gibt’s die Millionäre, die auf dem Bankkonto reich, aber dafür einsame Leute sind. Oft gibt’s einflussreiche Politiker, die aber kaum echte, sondern v.a. berechnenede Freude haben. Oft haben Manager zwar viel Geld, aber keine Zeit, es auszugeben, keine Zeit für Familie und Dinge, die das Leben lebenswert machen. 

Macht, Einfluss, Geld ist eben nicht alles im Leben. Echtes Leben zeichnet sich durch viel mehr aus. Wie ist das bei uns? Unterliegen wir auch der Selbsttäuschung der Menschen in Laodizea? Bin ich reich mit dem, was das Leben ausmacht, oder bin ich in diesem Wesentlichen arm? Gott Lob, wer eingebettet ist in gute soziale Beziehungen, wer guten Kontakt zu Freunden und Familie pflegt, wer offen ist für die leisen Töne des Lebens, wer dem Raum gibt, was das Leben mit uns vor hat und uns schenken will, wer in seinem Leben einen tieferen Sinn sieht. Zum Reichtum des Lebens gehört auch, Gutes zu tun, andere eine Freude zu bereiten, Mitmenschen an seinen Reichtümern teilhaben zu lassen. Wie stehts mit alldem bei dir? Darüber will Gott mit uns heute ins Gespräch kommen. 

2. Gott – draußen vor der Tür 

Gott spricht durch Johannes: Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. 

Gott ist draußen. Er klopft an unsere Tür. Er bittet um Einlass. Er will sich zu uns an den Tisch setzen, will mit uns über genau diese Dinge reden. Und uns helfen, uns selbst so wahrzunehmen wie wir sind, damit wir keiner Selbsttäuschung unterliegen. Und dann, wenn wir merken, dass dieses oder jenes nicht in Ordnung ist, dass sich ein Spaltpiltz zwischen uns und andere gedrängt hat, dass in unserem Leben zu wenig Raum für echtes Leben ist, dann will er uns helfen, umzukehren und den richtigen Weg einzuschlagen. 

So sei nun eifrig und tue Buße!, fordert er die Menschen in Laodizea auf. Aus Liebe weist Gott auf den rechten Weg hin, weil er will, dass jeder selbst gut lebt, und dass alle gut zusammenleben. Buße, Umkehr, dazu sind auch wir am Buß- und Bettag aufgerufen. So dass Ungutes und Belastendes weniger wird, und unser Leben immer reicher wird mit dem, was wirklich zählt. Die Beichte ist ein Stück Selbsthygiene. 

Zum Lebensreichtum gehört für Johannes auch die Entschiedenheit, d.h. eine Position zu haben. Es geht um Positionen betreffs Gott, Glaube und Kirche, aber auch um eine Position in allen Dingen, die das christliche Menschenbild betreffen. 

Dazu ist zuerst eine innere Entschiedenheit notwendig, dass wir eine feste Meinung zu den Dingen in uns tragen. Eine feste Meinung, geformt vom Wort Gottes und vom Gewissen, das durch Gottes Wort geprägt ist. Dazu kommt dann ein zweites: nämlich diese innere Entschiedenheit auch nach außen zu vertreten. Wer sich darauf einlässt, der ist dann kein Mitläufer der Masse, sondern der ist als Christ erkennbar. Der zeichnet sich dadurch aus, dass er manchmal eine Meinung hat quer zu den gängigen Alternativen, und dass er noch gute Gründe dafür vorbringen kann. Für so eine Entschiedenheit wirbt Johannes. 

Treten wir entschieden für Christus ein: Wo sicher einer über Gott lustig macht, bezeuge, wie er in der Welt und unter uns wirkt. 

Wo einer den Glauben ins Lächerliche zieht, sage ihm, wie gut und hilfreich für dich und andere die enge Beziehung zu Gott ist. 

Wo einer die Kirche ins Lächerliche zieht, sage ihm, wieviel Gutes sie an den Menschen tut. 

Wo einer Menschen beleidigt, mobbt, ausgrenzt, ihnen schadet: Trete für die Menschen ein, weil du weißt, wie Christus auch den Geringsten ehrt, und wie jedes Leben lebenswert und schützenswert ist. 

Johannes wirbt für Entschiedenheit. Entschieden für Christus, entschieden für Kirche und Glaube, entschieden für die Menschenwürde eintreten. So sind Christinnen und Christen nach seinem Geschmack. Entschieden dort, wo es Farbe zu bekennen gilt. Solche Entschiedenheit verändert die Kirche, die Gesellschaft und dich selbst. 

3. Der Rat 

Deshalb gibt Johannes drei auf den ersten Blick seltsame Ratschläge. 

Sein erster Ratschlag: Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest. Um das zu verstehen braucht man ein wenig bergmännisches Wissen: Oft ist Gold in Legierungen mit unedlen Metallen enthalten. Durch Feuer können die unedlen Metalle im flüssigen Zustand leicht oxidiert werden, so dass das reine Gold übrig bleibt. Johannes rät also: Nehmt das Unedle raus aus eurem Leben. Bring das Edle und Gute, das in euch steckt, zum Leuchten. 

Und noch ein Ratschlag: Kaufe weiße Kleider von mir, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde. Ein weißes Kleid, das erinnert mich an das Taufkleid. Als wir unseren Sohn letzten Samstag getauft haben, da haben wir ihm, wie es seit dem zweiten Jahrhundert Tradition ist, direkt nach dem Wasserritus ein weißes mit Kreuzen besticktes Taufkleid übergezogen. Ein Zeichen, dass wir durch die Taufe Christus anziehen, wie es Paulus sagt. Dass wir zu einem Menschen werden, durch den das Licht des Evangeliums hindurchscheint in die Welt. Ein guter Ratschlag. Erinnern wir uns doch daran, dass wir getauft sind, dass wir zu Christus gehören. Öffnen wir uns immer neu für sein Licht, damit es durch uns hindurchscheint. 

Und schließlich der dritte Ratschlag: Kauft Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Das heißt also noch einmal: Sieh genau hin auf dein Leben, wie es ist. Johannes gibt diesen Rat, weil er genau weiß, dass wir gerne vor unserem eigenen Leben die Augen verschließen: Schau dich in einem inneren Spiegel an. Und verändere das, was verändert gehört. 

Drei Ratschläge, die uns in die Bewegung des Buß- und Bettags hineinnehmen wollen, die uns helfen, von falschen Wegen umzukehren, Schuld loszuwerden, das Wesentliche im Leben zu erkennen und uns daran auszurichten. 

4. Verheißung 

Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Heute klopft Gott an. Er will rein in unser Leben, aber er drängt sich nicht auf. In der Beichte ist heute neu die Gelegenheit, ihm aufzutun, ihn hereinzulassen. So beginnt die Veränderung. Und dann geschieht auch das, was Gott verheißt: 

Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. 

Mit uns will er Abendmahl halten. Abendmahl ist mehr als eine Oblate und ein Schluck Wein. Gemeinsam an einem Tisch Essen und Trinken, mit Gott. So wie mit Menschen, die man mag und in sein Herz geschlossen hat. Enge Gemeinschaft. Stärkend für all das, was kommt. Das ereignet sich im Mahl für den, der Gott eingelassen hat in sein Leben. Das ist das Mahl, zu dem Gott uns heute wieder einlädt. 

Trotz all der Kritik, die Johannes an den Menschen in Laodizea übt, steckt in seinen Worten die Dynamik eines großen Aufbruchs und von Veränderung. Und deshalb schließt er seinen Brief auch mit einer großen Verheißung: 

Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen. Wer all das überwindet, was von Gott trennt, wer Gott einlässt und sich von ihm erneuern lässt, der braucht in Ewigkeit keine Sorgen zu haben, denn auch am Ende hat Gott mit ihm noch etwas vor. 

Darum: Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! 

Der Heilige Geist will in meinem und deinem Leben wirken. Lass es zu, und du wirst das Leben finden. 

Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

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