Gottesdienst in St. Johannis am 2. Advent - 8. Dezember 2019

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St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Und es werden Zeichen
geschehen"

Kanzelgruß

Predigttext: Luk 21, 25-33:
Jesus sprach zu seinen Jüngern: Und  es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass der Sommer schon nahe ist. So auch ihr: Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Stille

Liebe Gemeinde,

Seit dem 2. Dezember und noch bis zum 13. Dez. findet in der spanischen Hauptstadt Madrid die UN Klimakonferenz statt. Regierungsvertreter und Aktivisten aus der Mehrzahl der Staaten der Erde nehmen daran teil um unter anderem zu beraten wie die Erderwärmung zu stoppen sei. Es ist ja längst unstrittig (von ein paar Unbelehrbaren abgesehen), dass die Erderwärmung fortschreitet. 2019 war das heißeste Jahr seit der Aufzeichnung von Wetterdaten. Mögen wir es noch ganz angenehm finden, wenn etwas mehr Sonne scheint, die Erwärmung der Erde für viele Länder dieser Welt, und es trifft ja wieder die ganz armen Länder, eine existenzielle Katastrophe. Inzwischen Fluchtursache Nummer eins, weltweit. Warum ich Ihnen das erzähle? 

Hören wir noch einmal einen Ausschnitt aus unserem Predigttext;

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Es und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

Die Welt gerät aus den Fugen, so höre ich sagen und denke es gelegentlich auch. Vieles was wir für sicher hielten ist es offensichtlich nicht. Wir erhalten so langsam einen Vorgeschmack auf das, was passiert, wenn die Kräfte des Himmels aus dem Geleichgewicht geraten. Wenn es nicht mehr sicher ist, dass sich Sommer und Winter abwechseln, der  Rhythmus der  die Welt im Laufe der Jahreszeiten abbildet.

Und was hat das alles mit der Adventszeit zu tun? Wir tricksen den Jahreslauf ja ein bisschen aus. Dezember, eigentlich die dunkelste Zeit im Jahreslauf, erhellen wir mit Lichterketten und Lichterglanz, manch einer mit ganzen „Leuchthäusern“. In Einberg steht zu eins, gegenüber von Papier Hartmann. Ich verstehe das schon, auch wenn mir manches doch etwas übertrieben scheint. Ohne den Zauber des Advents wäre der Dezember dunkel und kalt. Mit dem Adventslicht und dem Adventszauber gestalten wir die dunkle Zeit und sie wirkt heimelig und kuschelig. Manch einer mag das als kitschig empfinden, ja. Und mach theologisch Gebildeter rümpft da die Nase ob dieser Sehnsucht nach Harmonie.  

Ihr Lieben, ich mag nicht urteilen. Sollte denn die „reine“ richtige Geisteshaltung nur der / die haben, die Bachs Weihnachtsoratorium ehrfurchtsvoll hören (tolle Musik, ja) oder geht White Christmas nicht auch? 

Wenn wir dann im Januar die Lichterketten wieder abnehmen, die Sterne aus den Fenstern nehmen und sie in die Kartons für das kommende Jahr wieder verpacken, dann sind die dunkelsten Tage schon vorbei. Es geht wieder auswärts.  Seit dem 21. Dezember werden die Tage wieder länger. Ein Grund zum Dank, dass dies einfach so geschieht. Eine Selbstverständlichkeit, die wir kaum bewusst beachten, das geschieht einfach. 

Einfach?

Ich erinnere noch mal an meine eingangs zitierter Fakten zum Klima. Ein selbstverständlicher Lauf der Jahreszeiten? Nein, wohl doch nicht. Angesichts von Unwettern, Düren und Überschwemmungen bekommen wir eine Ahnung davon, dass auch alles ganz anders kommen kann. Die gewohnten Abläufe und Sicherheiten wanken.

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Es und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

Das sind die ersten beiden Verse unseres Predigttextes. Gott sei Dank! Geht der Text weiter. Bleibt nicht in diesem Weltuntergangsbild stehen. Das Bild vom Feigenbaum stellt uns der Evangelist Lukas vor Augen.

Der Feigenbaum, der sich Zeit lässt, bis er im Frühjahr, ja oft erst im Frühsommer wieder austreibt. Der langen Zeit dürr, wie tot dasteht und dann doch wieder mächtig austreibt, seine frischen grünen Blätter sprießen lässt. Das ist auch in Palästina so. 

Der Feigenbaum wird so zum Symbol für die Verlässlichkeit Gottes. Er stärkt das Vertrauen, dass der Winter ein Ende nehmen und der Sommer wiederkommen wird. Feigenbäume haben wir hier ja ehr selten. Aber ich darf uns an den Tannenbaum erinnern. Die Symbolik ist ähnlich. Grün, Leben in einer Zeit der Dürre.

Das ist ein Bild auch dafür, dass eine Vollendung der Welt so sicher kommen wird, wie nach dem Winter der Sommer kommt.

Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.

So schreibt Lukas. Die Erlösung naht. Und wir wissen natürlich auch: Der Erlöser naht. Advent! 

Alles klar soweit? Der Herrgott wird es schon richten. Auch die Erderwärmung und der Klimawandel. Alles nur Dürre bevor es wieder grünt? Nicht so schnell und nicht so einfach.

Unser Predigttext steht da schon in einem größeren Zusammenhang. Denn, und davon bin ich überzeugt, das Reich Gottes, das uns zugesagt ist, die Erlösung die naht, das passiert nicht irgendwann in einer fernen himmlischen Zukunft.

Das Reich Gottes beginnt hier, mitten unter uns. Hat jetzt schon Auswirkungen auf unser Reden und auf unser Tun. Auch wenn es um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung hier und heute geht. Und es fordert uns heraus und fordert uns auf, die Hoffnung auf ein Wiedergrünen des Feigenbaums konkret zu leben. 

Hoffnung leben. Das Reich Gottes ist nahe bei uns. Wir müssen dafür gar nichts großartiges leisten. Eigentlich nur unsere Herzen öffnen und diese Botschaft hören und leben. 

Ich schließe mit einem Gedicht von Carola Moosbach.

Fast zögerlich beschreibt sie, findet sie Bilder zum Advent und zu dieser Hoffnung, die in Jesus Christus Gestalt annimmt:

Advent vielleicht

Das wäre schön auf etwas hoffen können

was das Leben lichter macht und leichter das Herz

das gebrochene ängstliche

und dann den Mut haben die Türen weit aufzumachen

und die Ohren und die Augen und auch den Mund

nicht länger verschließen

das wäre schön

wenn am Horizont Schiffe auftauchten

eins nach dem anderen

beladen mit Hoffnungsbrot bis an den Rand

das mehr wird immer mehr

durch Teilen

das wäre schön

wenn Gott nicht aufhörte zu träumen in uns

vom vollen Leben einer Zukunft für alle

und wenn dann der Himmel aufreißen würde ganz plötzlich

neue Wege sich auftun hinter dem Horizont

das wäre schön

Carola Moosbach, Lobet die Eine, Mainz 2000, 15, © Carola Moosbach

AMEN 

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